Gegen Deutschland und für die Todesstrafe

Mit altbekannten populistischen Tönen, die schon in die Vergessenheit gerieten, versucht sich die nationalkonservative PiS in der polnischen Parteienlandschaft neu zu profilieren

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Die nationalkonservative PiS von Jaroslaw Kaczynski hat schon bessere Zeiten gesehen. Während sie zwischen 2005 und 2007 noch den Staatspräsidenten und den Regierungschef stellte, scheint sie in der heutigen polnischen Politik nur noch für die Oppositionsrolle bestimmt zu sein. Mit den Parlamentswahlen vom 9. Oktober verlor die einstige Regierungspartei immerhin die sechsten Wahlen in Folge. Und als ob dies nicht genug wäre, hat sie momentan auch noch mit einer innerparteilichen Spaltung zu kämpfen.

Dies ist zwar kein Novum in der Geschichte der Partei, doch mit Zbigniew Ziobro und Jacek Kurski schmiss die Partei zwei populäre und einflussreiche Politiker aus ihren Reihen (Polen: Hass unter Gleichgesinnten). Mit dem Ergebnis, dass die "Ziobristen", wie die Ausgeschlossenen genannt werden, mit Solidarisches Polen nun ihre eigene Gruppierung gegründet haben, die sich über mangelnden Zulauf nicht beklagen kann. Am Dienstag verkündete auch der ehemalige PiS-Innenminister Ludwik Dorn, der in der polnischen Politik einst als der "dritte Zwilling" verschrien war, seine Zusammenarbeit mit Solidarisches Polen.

Der neue Konkurrenzkampf im nationalkonservativen Lager macht sich in der politischen Rhetorik des Landes bemerkbar. Beide Gruppierungen versuchen sich zu profilieren und überbieten sich dabei an Forderungen und Vorwürfen, die schon fast vergessen schienen, in ihrer Radikalität aber einen sehr faden Beigeschmack haben. Und im Mittelpunkt dieser Rhetorik stehen zwei Themen, die schon in den zwei Regierungsjahren der PiS in Europa auf Unverständnis stießen: Deutschland und die innere Sicherheit.

Wie sehr Deutschland wieder in den Fokus der polnischen Nationalkonservativen geraten ist, zeigt die aktuelle Diskussion um Radoslaw Sikorski. Am Montag hielt der polnische Außenminister bei der Deutschen Gesellschaft für Auswärtige Politik eine Rede, die man durchaus beeindruckend nennen kann und die auch im Ausland Beachtung fand. "Deutsche Macht fürchte ich weniger als deutsche Untätigkeit", sagte Sikorski in Berlin und forderte von Deutschland, als der größten europäischen Wirtschaftsmacht und dem größten Nutznießer des Euro, eine Führungsrolle bei der Rettung des Euro zu übernehmen, damit nicht die Eurozone und somit die ganze Union scheitere.

Appelle solcher Art sind von polnischen Regierungspolitikern momentan nicht ungewöhnlich. Auch Finanzminister Jacek Rostowski warnte in den vergangenen Wochen mehrmals vor den politischen Folgen für die EU, falls bei der Rettung des Euro nicht entschieden genug gehandelt werde. Wenn man bedenkt, dass Polen momentan die EU-Ratspräsidentschaft innehat, sind solche aus Warschau stammenden Horrorszenerien nicht überraschend, auch wenn das Land an der Weichsel der Eurozone nicht angehört.

Doch keine dieser Aussagen wurde von der Opposition so heftig kritisiert wie die Rede von Sikorski. Die Ziobristen wollen dem Parlament einen Misstrauensantrag gegen Sikorski vorlegen, während Jaroslaw Kaczynski den polnischen Chefdiplomaten gleich vor ein Staatstribunal bringen will. Und dies nur, weil Sikorski in Berlin auch seine Vision von einem zukünftigem Europa offenbarte, in dem die einzelnen Staatsregierungen nur noch eine untergeordnete Rolle spielen. Für die Nationalkonservativen würde dies nur die "Rückkehr Polens in das Vierte Reich bedeuten", wie es der PiS-Politiker Joachim Brudzinski am Dienstag in einem Radiointerview drastisch ausdrückte.

Mehr Sicherheit durch Todesstrafe?

Für noch heftigere Kontroversen als Radoslaw Sikorski sorgte jedoch Jaroslaw Kaczynski, und dies nicht nur bei seinen Gegnern sondern auch in seinem eigenen Lager. "Der Staat ist dafür da, um seine anständigen Bürger zu schützen und Verbrechen zu bekämpfen. Er muss dafür sorgen, dass sich jeder normale Pole sicher fühlt", sagte Kaczynski am Freitag und kündigte an, dass sich die PiS im Sejm für die Wiedereinführung der Todesstrafe einsetzen werde, da das heutige Polen seinen Bürgern keine Sicherheit gewähren kann.

Das Thema ist in der PiS nicht neu. Schon während ihrer Regierungszeit versuchte sich die PiS durch das Thema Todesstrafe zu profilieren, und sorgte so auch in Europa für Irritationen (Sehnsucht nach der Todesstrafe). Doch die Bedenken der EU, deren Mitglieder sich schriftlich verpflichtet haben, die Todesstrafe zu verbieten, will Kaczynski nicht gelten lassen. "Wir sind ein souveräner Staat", sagte Kaczynski am Freitag. Nur ob Kaczynski mit dieser populistischen Forderung auch einen Teil seiner erzkatholischen Wählerschaft überzeugen kann, ist fraglich. Denn seine Forderung nach der Wiedereinführung der Todesstrafe löste im nationalkonservativen Lager eine heftige Debatte darüber aus, ob die Todesstrafe auch mit der Lehre der katholischen Kirche vereinbar ist.

Polens Bischöfe, die zu einem großen Teil Kaczynski unterstützen, scheinen jedenfalls davon überzeugt zu sein. "Nur Gott gibt Leben, selbst wenn der Mensch da Leben zerstörte, und nur Gott kann das Leben wieder nehmen", sagte beispielsweise der Warschauer Kardinal Kazimierz Nycz, der die Vorschläge Kaczynskis kritisierte und dabei auch auf Johannes Paul II verwies, der wiederholt die Todesstrafe abgelehnt hatte.

Doch wie sich zeigte, glauben manche Politiker der PiS, bessere Theologen zu sein, als die Bischöfe selber. "Der Katechismus sieht die Todesstrafe als eine Form der Selbstverteidigung an", erklärte der Vize-Vorsitzende der PiS, Mariusz Kaminski, und wies die Kritik des Bischofs Nycz als falsch zurück. Nur ob Kaczynski, Kaminski und Co. auch Benedikt XVI widersprechen werden? Dieser forderte gestern erneut die Abschaffung der Todesstrafe.

Thomas Dudek