Abstinenzprogramme in den USA führen zu mehr Teenager-Schwangerschaften

Unter der Präsidentschaft von Bush wurde für viel Geld Abstinenz bis zur Heirat in Schulen gelehrt, was nach einer Studie aber nur gegenteilige Wirkung zeigte

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Während der Präsidentschaft von George W. Bush wurden nicht nur Studien etwa über die Wirksamkeit von Gebeten gefördert, sondern auch viele Abstinenzprogramme für Schüler, etwa im Rahmen des Adolescent Family Life Act (AFLA). Dafür wurden alleine 2006 und 2007 mehr als 170 Millionen US-Dollar ausgegeben. 2009 liefen die Programme aus. Gelder wurden für wissenschaftlich fundierte Programme zur Verhinderung von Schwangerschaften bei Teenagern 2010 bereitgestellt, gleichwohl wurden wieder vom Finanzausschuss des Senats 2009 250 Millionen US-Dollar für 2010 und die folgenden Jahre für Abstinenzprogramme bewilligt.

Die auf Abstinenz bis zur Heirat ausgerichtete "Abstinence-only"-Politik entspricht eher einem Antisexualkundeunterricht, schließlich erfahren die Schüler nichts über Mittel zur Empfängnisverhütung und sicheren Sex (Oberstes Reinheitsgebot). Würde man darüber sprechen, könnte man ja schon Interesse wecken, so die prüde christlich-fundamentalistische Weltsicht, die dahinter steht. Überdies ergab eine Überprüfung der Lehrpläne, dass in diesen viele falsche Informationen verbreitet werden (Gründe für die Keuschheit vor der Ehe).

Wissenschaftler der University of Georgia haben sich nun erstmals die neuesten verfügbaren Daten aus dem Jahr 2005 über die Schwangerschaften, Abtreibungen und Geburten von Mädchen in 48 US-Bundesstaaten im Hinblick auf die dort praktizierten Richtlinien zum Sexualkundeunterricht in öffentlichen Schulen angeschaut. In 21 Staaten gab es strenge Abstinenzregeln, in 7 eine Bevorzugung von Abstinenz, in 11 einen aufklärenden Sexualkundeunterricht, in dem Abstinenz auch vorkam, und in 9 keine Erwähnung von Abstinenz. Wenig verwunderlich ist, so das Ergebnis der Studie, die im Open-Access-Journal PLoS One erschienen ist, dass in den Bundesstaaten, in denen Abstinenz gelehrt und gefordert wird, deutlich mehr Mädchen schwanger wurden und Kinder bekamen als in denjenigen, in denen ein umfassender und aufklärender Sexualkundeunterricht stattfand.

Abstinenz-Programme haben mithin den gegenteiligen Effekt, auch wenn die Jugendlichen möglicherweise weniger Sex haben, was sich aus den Daten aber nicht ersehen lässt. Möglicherweise ist die aus christlich-fundamentalistischen Gründen gelehrte Abstinenz ohne entsprechende Sexualaufklärung aber gerade mit ein Grund, warum in den USA die Zahl der Schwangerschaften von Teenagern höher als in anderen westlichen Ländern ist, vermuten die Wissenschaftler. In den USA werden 72 von 1000 minderjährige Mädchen schwanger, im benachbarten Kanada sind es nur 29, in Deutschland etwa 18,8.

Selbst wenn man den Ausbildungsgrad, die sozialökonomische Herkunft, Zugang zu Verhütungsmitteln über Medicaid oder die ethnische Zusammensetzung der Teenager in den Bundesstaaten vergleicht, bleibt der Zusammenhang bestehen, dass Teenager desto mehr Schwangerschaften und Kinder haben, desto strengeren Abstinenz-Unterricht sie erhalten. Die Bundesstaaten, die einen umfassenden Sexualkundeunterricht anbieten, der auch über Aids und andere Geschlechtskrankheiten aufklärt und die richtige Anwendung von Verhütungsmitteln und Kondomen beinhaltet, weisen die wenigsten Schwangerschaften bei Schülerinnen auf.