Klimaschutz durch Reduzierung der Entwaldung

Eins der wichtigsten Themen in Durban ist REDD, ein Klimaschutzinstrument, das die globale Entwaldung reduzieren helfen soll. Vertreter der am stärksten betroffenen Länder leisten den größten Widerstand

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"Wir können nicht akzeptieren, dass unsere Wälder zu einem Geschäft gemacht werden", sagt Marlon Santi. Der Vertreter indigener Völker stammt aus dem Amazonasgebiet in Südamerika, dem größten und für das globale Klima bedeutsamsten Regenwald der Welt. Genau jene Wälder sind es, die durch das neue Klimaschutz-Instrument namens REDD geschützt werden sollen. Santi sieht das anders. "Wir können die Heuchelei von REDD nicht akzeptieren."

REDD steht für Reducing Emissions from Deforestation and forest Degradation - Reduzierung von Emissionen aus Entwaldung und Waldzerstörung. Die Grundidee für das neue Klimaschutzinstrument entstand auf dem Klimagipfel in Bali 2007, zwei Jahre später in Kopenhagen wurde vereinbart, dass REDD Teil eines künftigen Klimaschutzabkommen sein soll - so es denn zustande kommt.

Summiert man die Brandrodungen in Asien, Afrika und Amerika, verschwindet jede Sekunde ein Fußballfeld Wald. Pro Jahr wird eine Fläche dreimal so groß wie Ungarn vernichtet. Die Brandrodung ist damit nach der Energiewirtschaft die zweitgrößte Treibhausgasquelle überhaupt, mehr als zwei Milliarden Tonnen Kohlendioxid werden jährlich frei. Anders als bei technischen Klimaschutzmaßnahmen, etwa im Energiesektor, ist Waldschutz leicht zu bewerkstelligen und relativ kostengünstig.

Die Idee hinter REDD ist schlicht und einleuchtend: dem im Holz gespeicherten Kohlenstoff einen ökonomischen Wert geben. Wald zu roden, wäre dann in etwa dasselbe, wie Geldscheine zu verbrennen. Da vor allem Wälder in den Entwicklungsländern bedroht sind, soll REDD dafür sorgen, dass diese Länder für den Erhalt und Ausbau ihrer Wälder durch die Industriestaaten eine finanzielle Kompensation erhalten.

Im Umkehrschluss muss das bedeuten, dass Wald zu pflanzen so sein soll, wie Geld zu verdienen. Und da wird das ganze Problem deutlich. Schließlich kosten die Setzlinge erst einmal Geld, sie müssen gepflegt werden, bis aus ihnen Bäume werden. Wie also kann REDD finanziert werden?

Zahlen soll entweder der Staat oder der Markt. Ersteres ist eine Fondslösung: Länder wie Norwegen, Japan, Frankreich oder die USA wollen freiwillig bis 2012 rund vier Milliarden US-Dollar einzahlen. Diese Freiwilligkeit macht die Staaten des Südens aber abhängig von der Geberlaune.

Beworben für das Geld hat sich beispielsweise Costa Rica, das per Gesetz 26 Prozent seiner Landfläche zu geschützten Gebieten erklärte. Aus diesem Fonds kann das Land nun Gelder beantragen, die dann an die Forstverwaltungen vor Ort weiter geleitet werden. "Diese staatlichen Autoritäten organisieren damit dann die Überwachung des Waldes und seine Bewirtschaftung. Das kann so weit gehen, dass Menschen, die vom Waldroden leben, neue Jobs verschafft werden", erklärt Professor Reimund Schwarze, der für den Thinktank Climate Service Center die Verhandlungen verfolgt.

Bislang gibt es nur einige Projekte, in denen REDD probehalber umgesetzt wurde, etwa die von der Weltbank auf deutsche Initiative hin gegründete Forest Carbon Partnership Facility (FCPF) oder das Programm UN-REDD der Vereinten Nationen, in das 29 Länder aus Afrika, Lateinamerika und dem asiatisch-pazifischen Raum einbezogen sind.

Die marktbasierte Finanzierung funktioniert über den Zertifikatenhandel. Es lässt sich exakt berechnen, wie viel Kohlenstoff in bestimmten Waldformationen gespeichert ist - und über diesen Betrag könnten Zertifikate ausgegeben werden, die an der Börse frei handelbar sind.

Das aber kritisieren viele Klimaschützer. "REDD ist eine Idee der Industriestaaten, und nicht von den Entwicklungsländern. Wir aber wollen eine Lösung, die von beiden Seiten kommt", sagt Marlon Santi. Waldschutz müsse so organisiert sein, dass die Leute vor Ort davon profitieren, und nicht große Konzerne. Winnie Overbeek vom World Rainforest Movement geht sogar noch weiter: "REDD wird den Anbau von Energiepflanzen fördern, also beispielsweise Mais für Agrotreibstoffe. Es geht nur ums Profitemachen", sagt Overbeek.

Diskussion über Finanzierung

In Durban wird nun verhandelt, wie die Finanzierung zu bewerkstelligen ist. Aktuell liegt die Fondslösung in der Gunst der Klimadiplomaten vorn. Das ist auch im Interesse etlicher Industrievertreter, die befürchten, dass eine Zertifikate-Finanzierung den Markt mit Kohlenstoffaktien überschwemmt - und damit der Preis in den Keller geht.

Gegen die Fondslösung spricht allerdings, dass parallel verhandelt wird, wie der Green Climate Fund mit Geld befüllt werden soll.

COP 16, die Klimakonferenz in Cancún, hatte die Gründung dieses neuen Fonds beschlossen, der Entwicklungsländer bei Maßnahmen zur Reduktion ihrer Treibhausgasemissionen sowie zur Anpassung an die Folgen des Klimawandels unterstützen soll. Die Industriestaaten hatten prinzipiell zugesagt, Mittel für diesen Fonds zur Verfügung zu stellen, deren Gesamtmenge bis 2020 auf 100 Milliarden US-Dollar pro Jahr anwachsen soll. Viel Geld also, um das gerade in der Finanzkrise die Klimadiplomaten feilschen.

Die britische Nichtregierungsorganisation Global Witness stellte in Durban auf einem so genannten "Side-Event" einen Bericht über die Korruptionsanfälligkeit von REDD vor. "Side-Events" sind Veranstaltungen am Rande der Klimakonferenz, die nicht direkt zu den Verhandlungen gehören. Tenor des Berichtes: Das Risiko, dass es zu kriminellen Aktivitäten kommt, ist sehr hoch. Denn immerhin soll REDD sämtliche Wälder - also rund ein Drittel der gesamten Landfläche - einbeziehen. Die Frage, wie etwa kontrolliert werden soll, dass der finanzierte Wald nicht doch abgeholzt wird, sei absolut ungeklärt.