Das Fell des nicht vorhandenen Bären

Auf der Klimakonferenz in Durban geht es überhaupt nicht um das Klima

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Auf der zweiwöchigen Mammut-Veranstaltung wird zur Halbzeit klar, worum es eigentlich geht: um Geld, um sehr viel Geld. Die Klimadiplomaten debattieren über tausende von Milliarden Dollar, die vom Norden in den Süden transferiert werden sollen. Ausgerechnet in Zeiten der US-Schulden- und Euro-Krise.

Da ist zunächst der so genannte Green Climate Fund. Die Weltbank hatte in einer Studie ermittelt, dass die Länder des Südens ab 2014 jährlich zwischen 70 und 100 Milliarden Dollar brauchen, um sich an die Folgen der Erderwärmung anzupassen. Die historische Schuld der Industriestaaten am Problem ist unter den Klimadiplomaten unumstritten – 80 Prozent aller Treibhausgase, die heute in der Atmosphäre sind, stammen aus Schloten der Industriestaaten. Also sollen die Industriestaaten auch zahlen, so die Mehrheit der Delegierten.

Auf der Klimakonferenz in Cancún war deshalb im letzten Jahr die Einrichtung des "Green Climate Fund" beschlossen worden. Das war mehr als ein Beschluss: Nach dem Debakel von Kopenhagen feierten ihn die Klimadiplomaten als Lebenszeichen, als Beleg, dass sie doch noch handlungsfähig sind. Mit dem Transitional Committee setzten sie damals ein Expertengremium ein, das die Struktur des neuen Finanzierungsinstrumentes ausarbeiten sollte.

Am Mittwoch nun hatte das Expertengremium seinen Bericht der Klimakonferenz in Durban vorgelegt. Diesmal waren es die sogenannten ALBA-Staaten - unter anderem Bolivien, Venezuela, Nicaragua und Kuba -, die auf die Barrikaden gingen. Das Transitional Committee nämlich sieht vor, den Fonds unter dem Dach der Weltbank zu verwalten, was die ALBA-Gruppe strikt ablehnt. Die Gruppe der kleinen Inselstaaten AOSIS kritisiert, dass der Entwurf keinen dezidierten Zeitplan für die Ausschüttung der Finanzhilfen gibt.

Dabei ist der Bär noch gar nicht erlegt, der hier bereits verwaltet und mit einem Zeitplan zerlegt werden soll. Wie die gewaltige Summe von jährlich 100 Milliarden Dollar in die Kasse kommt, ist völlig unklar. Für die Entwicklungsländer steht fest, dass die Reichen zahlen müssen, sehr viel mehr Verhandlungskraft mögen sie nicht in das Thema investieren. Finanzwissenschaftler haben der Klimakonferenz Steuern auf Flugbenzin und Schiffsdiesel vorgeschlagen. Aber vor allem die USA sind strikt dagegen, dass sich die UNO zur Weltregierung aufschwingt und selbst Steuern erhebt.

Der Streit um das nicht vorhandene Bärenfäll kommt deshalb den USA gerade recht: Verhandlungsführer Jonathan Pershing stimmte den Kritikern dezidiert zu und sprach von "Fehlern und Widersprüchen" im Entwurf. Eine Annahme des "Green Climate Fund" hier in Durban sei deshalb übereilt. Zwar sind auch andere Staaten nicht mit allen Details des Entwurfs einverstanden. Aber anders als die von Schulden gebeutelten USA müssen sie ja nicht zahlen. Deshalb sind sie im Grunde bereit, den Entwurf der Expertengruppe zu billigen und die Klärung der strittigen Fragen auf später zu verschieben.

Als ob es davon nicht bereits genug gibt, ist nun die "Gruppe der Afrikanischen Staaten" vorgeprescht. Sie fordert 500 Milliarden Dollar, statt 100 Milliarden – und zwar jährlich. "Das entspricht gerade einmal 1,5 Prozent des Einkommens der Entwicklungsländer", begründet Seyni Nafo, Sprecher der Afrika-Gruppe.

Auch wenn solche Forderungen als Säbelrasseln - und damit nicht sehr ernsthaft - auf dem Konferenzparket wahrgenommen werden, zeigen sie doch, wie viel Geld auf dem Spiel steht. Denn der "Green Climate Fund" ist nur ein Verhandlungsstrang – wenn auch ein wichtiger. REDD, der Mechanismus zum Waldschutz (Klimaschutz durch Reduzierung der Entwaldung), soll über einen Milliarden schweren Fonds finanziert werden. Es geht um Geld für Technologietransfer, um Geld für den Aufbau eines Treibhausgas-Messwesens, um Geld für den Anpassungsfonds, der die Staaten des Südens in die Lage versetzen soll, sich an die Folgen der Erderwärmung anzupassen.

Bei all den Milliarden scheint das eigentliche Thema fast ein Nebenaspekt: die Reduktion der Treibhausgase.