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Ein Gastbeitrag zur Debatte um die Erweiterung des Münchener Flughafens

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Der Streit um den Bau einer 3. Startbahn am Münchener Flughafen hat gerade seine heiße Phase erreicht. Nachdem die Regierung von Oberbayern das Vorhaben vor einigen Monaten genehmigt hat, wurden mittlerweile von zahlreichen Betroffenen und von Kommunen Klagen erhoben. Parallel dazu hat die Medienberichterstattung und damit das öffentliche Interesse an einer Auseinandersetzung zugenommen, die von Vielen lange Zeit nur als ein auf die Flughafenregion Freising/Erding begrenztes Phänomen wahrgenommen worden ist. Das gestiegene öffentliche Interesse ist schon deshalb zu begrüßen, weil es sich um eine Diskussion handelt, die uns am Ende alle betrifft. Es geht nämlich letztlich nicht nur um ein einzelnes Verkehrsinfrastrukturprojekt, sondern darum, wie wir die Weichen für die Zukunft dieser Gesellschaft stellen wollen.

Der ökologische Aspekt, der eigentlich zentral sein müsste, spielt in der öffentlichen Diskussion bislang nur eine untergeordnete Rolle und wird von einer Wirtschaftlichkeitsbetrachtung überdeckt. Dabei steht das Vorhaben nach beiden Betrachtungsweisen auf keiner tragfähigen Grundlage.

Thomas Stadler. Foto: AFS.

Das Flugzeug muss als das umweltfeindlichste Verkehrsmittel unserer Zeit betrachtet werden, der CO2-Ausstoß den der Flugverkehr verursacht, ist enorm. Allein der Flughafen München war 2008 für ein Zehntel der gesamten CO2-Emmissionen im Freistaat Bayern verantwortlich. Wenn Deutschland und Europa ihre ehrgeizigen Klimaziele erreichen und den CO2-Ausstoß deutlich senken wollen, dann wird kein Weg an einer Reduzierung des Flugverkehrs vorbei führen. Hierfür ist es keineswegs notwendig, den Flugverkehr künstlich zu verteuern. In einem ersten Schritt wäre es vielmehr völlig ausreichend, wenn der Staat alle Verkehrsmittel gleich behandeln und auf Flugbenzin dieselben Steuern erheben würde, wie sie auf Fahrzeugsprit bereits erhoben werden. Auch die enormen Aufwendungen, die der Staat und damit die Allgemeinheit für die Luftsicherheit erbringt, müssten stärker auf die Airlines und die Flughafenbetreiber umgelegt werden.

Wir befinden uns derzeit allerdings noch in einer Phase, in der das umweltschädlichste Verkehrsmittel vom Staat am stärksten subventioniert wird. Eine nachhaltige und vernünftige Politik müsste exakt entgegengesetzt agieren. Auch wenn der Einfluss der Luftverkehrslobby derzeit noch übermächtig erscheint, kann es ihr nicht dauerhaft gelingen, eine Politik die weder in ökologischer noch in ökonomischer Hinsicht vernünftig ist und die letztlich die Lebensgrundlage der Menschen zerstört, durchzusetzen. Die der bereits erteilten Startbahngenehmigung zugrunde liegende Annahme, dass die Anzahl der Starts und Landungen in der Zukunft deutlich zunehmen wird, folgt einer Wachstumsgläubigkeit, die mit der politischen und ökologischen Notwendigkeit einer deutlichen Reduzierung des CO2-Ausstoßes unvereinbar ist.

Flughafen München. Foto: Digital Cat. Lizenz: CC BY 2.0.

Jenseits aller klimapolitischen Aspekte deutet aber weder die Entwicklung des Flughafens München in den letzten fünf Jahren noch die aktuelle Entwicklung des Luftverkehrs darauf hin, dass sich der für die Genehmigung relevante künftige Bedarf tatsächlich einstellen wird. Die Zahl der Starts und Landungen ist in München seit 2008 deutlich rückläufig, wie man den eigenen Statistiken der FMG entnehmen kann und bewegte sich 2010 noch unterhalb des Niveaus des Jahres 2005. Die Lufthansa, die am Münchener Flughafen ein eigenes Terminal unterhält und der man nachsagt, eine der treibenden Kräfte hinter dem Startbahnvorhaben zu sein, hat außerdem unlängst verkündet, die Zahl der Flüge deutlich reduzieren zu wollen, weil es keinen Sinne habe, in der Krise hinterherzufliegen.

Die Betreibergesellschaft FMG, die von der ehrgeizigen Ambition getrieben ist, zum größten deutschen Flughafen zu avancieren, begründet den vermeintlichen Bedarf zudem mit fernliegenden Annahmen zur Ölpreisentwicklung, an denen sich die Genehmigungsbehörde allerdings nicht stört. Die FMG ist in ihrem Genehmigungsantrag zunächst von einem Rohölpreis im Jahre 2020 von 50 Dollar pro Barrel ausgegangen. Nachdem sich der Ölpreis seit einiger Zeit jenseits der 100 Dollar bewegt, hat die FMG ihre Antragsunterlagen entsprechend korrigiert und geht derzeit für das 2020 nicht mehr von 50 Dollar je Barrel aus, sondern von 103 Dollar. Die FMG hat aufgrund ihrer neuen Ölpreisschätzung ihre Fluggastprognose anschließend dahin gehend korrigiert, dass die von ihr erhofften 58 Millionen Passagieren pro Jahr nun eben nicht mehr für das Jahr 2020 zu erwarten seien, sondern erst für 2025. Diese Korrektur hat die Regierung von Oberbayern freilich nicht veranlasst nachzufragen oder gar Auswirkungen auf die zu erteilende Genehmigung zu erwägen.

Nun dürfte aber auch die aktuelle Schätzung der FMG wenig realistisch sein, weil fast alle Experten, einschließlich der Internationalen Energieagentur IEA, mit einem weiteren Anstieg des Rohölpreises in den nächsten 10 bis 15 Jahren rechnen. Der Ölpreis bzw. der Preis für Flugbenzin ist allerdings ein zentraler Aspekt der Wirtschaftlichkeitsbetrachtung und der insoweit anzustellenden Prognose. Denn ein um ein vielfaches höherer Spritpreis als angenommen, muss sich in entsprechend höheren Ticketpreisen niederschlagen.

Wie wäre die bisherige Prognose der FMG also anzupassen, wenn der Rohölpreis 2020 beispielsweise 200 Dollar oder mehr betragen würde? Die 58 Millionen Passagiere die sich der Flughafen erhofft, wären unter dieser realistischen Prämisse jedenfalls weder 2020 noch 2025 zu erreichen. Bei dieser Sachlage spricht somit einiges dafür, dass die Bedarfsanalyse falsch ist und zumindest aktuell kein sachlicher Grund für eine Genehmigung des Vorhabens gegeben ist.

Es ist erstaunlich, dass in diesem Land bei Großprojekten zwar hochkomplexe Planfeststellungsverfahren durchzuführen sind, dass man als Antragsteller bezüglich der Tatsachengrundlagen dennoch fast nach Belieben und eigenem Gutdünken mit Zahlen und Daten jonglieren kann, ohne, dass dies die Einschätzung der zuständigen Behörde zur Genehmigungsfähigkeit verändert.

Auch die wirtschaftliche Situation der Flughafengesellschaft FMG spricht übrigens nicht unbedingt für eine Genehmigung einer weiteren Startbahn. Der Münchener Flughafen hat 2,23 Milliarden Euro Schulden, Tendenz deutlich steigend, auch wenn die FMG den Anstieg mit neuen Bilanzierungsregeln zu begründen versucht, wie die Süddeutsche Zeitung berichtet. Allein die Schulden der Flughafenbetreibergesellschaft bei ihren Gesellschaftern Freistaat Bayern und Stadt München sind innerhalb eines Jahres von ca. 10 Millionen auf 152 Millionen Euro angestiegen. Damit dürfte auch klar sein, wer diese Schulden früher oder später abtragen wird, nämlich der (bayerische) Steuerzahler.

Man sollte sich letztlich nicht von den immer gleichen Argumenten der Befürworter, die stets auf den Wirtschaftsstandort und die Schaffung von Arbeitsplätzen verweisen, blenden lassen. Im Vordergrund stehen die wirtschaftlichen Singularinteressen der größten deutschen Fluggesellschaft, die von einer überambitionierten Flughafengesellschaft, die davon träumt, dem größten deutschen Flughafen Frankfurt den Rang abzulaufen, unterstützt wird.

Beim Streit um die 3. Startbahn am Münchener Flughafen geht es keineswegs nur um die Lärmbelastung in einigen Umlandgemeinden, sondern vielmehr um die Frage, ob eine nach dem Maßstab der Vernunft agierende, zukunftsorientierte Politik nicht geradezu gehalten ist, ein ökologisch und ökonomisch derart unsinniges Großprojekt zu stoppen.

Thomas Stadler ist Rechtsanwalt in Freising und Betreiber des Blogs Internet-Law.

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