Integration fördert Altruismus

Forscher zeigen, dass auch in Gruppen mit untereinander verfeindeten Mitgliedern Kooperation möglich ist - unter bestimmten Umständen

Der folgende Beitrag ist vor 2021 erschienen. Unsere Redaktion hat seither ein neues Leitbild und redaktionelle Standards. Weitere Informationen finden Sie hier.

Der menschliche Altruismus ist ein kompliziertes Phänomen. Zunächst hielt man es für ein Ergebnis rein ökonomischen Denkens: In der Erwartung, dass mir Gutes getan wird, bin ich auch bereit, selbst zu geben. Schnell hat sich gezeigt, dass der Mensch nicht so simpel funktioniert. Gehirnuntersuchungen etwa brachten ans Tageslicht, dass auch das Belohnungszentrum aktiviert wird, wenn wir uns altruistisch verhalten. Wenn der Volksmund also meint, geteilte Freude sei doppelte Freude, dann hat er nicht so ganz unrecht.

Ebenso wichtig war die Erkenntnis, dass Altruismus zwei Komponenten besitzt: Das mit Kosten verbundene Belohnen kooperativer Mitglieder auf der einen Seite - und das Bestrafen von Gruppenmitgliedern, die sich auf Kosten anderer bereichern. Denn Strafe ist für den Strafenden ebenfalls mit Kosten behaftet.

Unter normalen Umständen stellt sich in Gruppen von Menschen dank unseres altruistischen Grundmusters über kurz oder lang die Grundlage für unseren Evolutions-Erfolg ein: Kooperation. Das gilt bei äußerer Bedrohung umso stärker - Forscher konnten zeigen, dass eine Gefahr von außen die Kooperation innerhalb einer Gruppe noch verstärkt.

Wie lässt sich Kooperation herbeiführen?

Problematisch wird es jedoch, wenn es um die Zusammenarbeit von Gruppen unterschiedlicher Zusammensetzung geht, etwa mit verschiedenem ethnisch-religiösen Hintergrund. Welche Umstände provozieren das Zerwürfnis, wie lässt sich Kooperation herbeiführen? Durch die wissenschaftliche Literatur geistert etwa das Beispiel zweier afrikanischer Stämme, der Chewas und der Tumbukas: Während sie in Sambia problemlos zusammenarbeiten, sind sie sich im benachbarten Malawi feindlich gesinnt.

Doch relevantere Beispiele haben wir direkt vor der Haustür: Schulen in Problemvierteln etwa - oder die Konflikte in den aus der jugoslawischen Föderation hervorgegangenen Staaten, insbesondere in Bosnien-Herzegowina und im Kosovo. Empfiehlt es sich, die verfeindeten, durch ihren ethnisch-religiösen Hintergrund gekennzeichneten Gruppen strikt zu trennen - oder sollte man integrierte Institutionen schaffen? Diese Frage haben Marcus Alexander (Stanford University) and Fotini Christia (MIT) in der Stadt Mostar in Bosnien-Herzegowina am praktischen Beispiel untersucht. Ihre im Wissenschaftsmagazin Science veröffentlichten Erkenntnisse sind spannend.

Public-Goods-Spiele in Schulen in Mostar

Die Forscher haben in der einst umkämpften Stadt, in der (überwiegend katholische) Kroaten und (meist moslemische) Bosnier leben, Schüler so genannte Public-Goods-Spiele spielen lassen. Darin können die Mitspieler einen von jedem selbst festzulegenden Betrag ihres Spieleinsatzes in einen öffentlichen Fonds einzahlen, der nach Spielende verzinst und dann gleichmäßig unter allen Spielern aufgeteilt wird. Je mehr im Topf ist, desto höher ist der potenzielle Gewinn – vom Einsatz der anderen profitiert aber auch, wer selbst gar nichts einzahlt.

Dieses Spiel, das den Grad an Kooperation innerhalb einer Gruppe misst, haben die Forscher an unterschiedlichen Schulen in Mostar getestet: An solchen, die nur von Kroaten und nur von bosnischen Schülern besucht werden (ethnische Trennung), aber auch an solchen, an denen integriert unterrichtet wird. Um den Einfluss der Gruppen-Heterogenität zu testen, bestand die einzige Information, die die Mitspieler über andere Mitglieder der Gruppe hatten, in deren ethnischer Herkunft.

Bestwerte, die an den ethnisch getrennten Schulen nicht erreicht wurden

Wie vermutet, reduzierte eine stärkere Heterogenität die Kooperation innerhalb der ansonsten zufällig zusammengestellten Gruppe. Bei einer homogenen Zusammenstellung lag der mittlere Beitrag jedes Spielers etwa dreimal so hoch wie in einer heterogenen Gruppe. Die zusätzliche Einführung einer Straf-Möglichkeit verringerte im homogenen Team die Zusammenarbeit sogar, in der gemischten Gruppe änderte sich dadurch nichts.

Wenn die Forscher allerdings Schüler integrierter Einrichtungen das Spiel durchführen ließen, ergab sich ein deutlich anderer Eindruck. Ohne Strafmöglichkeit erreichte die Kooperation nicht ganz das Niveau homogener Gruppen an den ethnisch getrennten Schulen. Sobald die Mitspieler jedoch unkooperative Teilnehmer auf eigene Kosten bestrafen konnten, ergaben sich selbst für heterogene Gruppen Bestwerte, die an den ethnisch getrennten Schulen nicht erreicht wurden. Die Forscher folgern daraus, dass Integration die Zusammenarbeit fördern kann - vorausgesetzt, sie wird durch Institutionen mit festen Regeln gefördert, die auch das Mittel der Strafe vorsehen.