Der Sachverständigenrat für Umweltfragen droht seine Unabhängigkeit zu verlieren

Politische Einflussnahme ist der Koalition über 7.000 Euro monatlich Wert. Opposition sieht Auflösungserscheinungen in der Regierung

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Die Bundesregierung zeigt sich derzeit großzügig. Nicht nur mit Steuersenkungen will sie punkten, auch für den öffentlichen Dienst fallen ein paar Wohltaten ab. So soll der Bund bei der Anwerbung von Fachkräften konkurrenzfähig mit der Wirtschaft werden. Bei dieser Gelegenheit wird auch eine Stelle neu geschaffen, die es bisher noch nicht gab. Gerade in Zeiten klammer Kassen regt sich darüber oft Unmut. Eine Seltenheit ist es jedoch, dass auch jene, die mit dem neuen Posten beglückt werden sollen, protestieren.

Doch genau das ist passiert. Ein Änderungsantrag der Koalitionsfraktionen zum Gesetzentwurf der Bundesregierung "zur Unterstützung der Fachkräftegewinnung im Bund und zur Änderung weiterer dienstrechtlicher Vorschriften" hat Verärgerung beim Sachverständigenrat für Umweltfragen (SRU) ausgelöst. Denn dieser Änderungsantrag sieht vor, dass der SRU künftig einen Direktor erhalten soll - angeblich um die "internationale Vernetzung" des Sachverständigenrats auszubauen und das unabhängige Expertengremium gegenüber dem Bundestag zu stärken. Doch beim SRU ist man sich sicher: ein Direktor wird nicht gebraucht. In einem von Frontal21 veröffentlichten Brief des SRU-Vorsitzenden Martin Faulstich an Umweltminister Norbert Röttgen mahnt dieser "eine an Wirtschaftlichkeit und Sparsamkeit orientierte Haushaltsführung" an. Faulstich erklärt, die Politik habe sich nie mit dem SRU über die Schaffung einer derartigen Stelle unterhalten.

Ein internes Papier aus den Reihen der Koalitionsfraktionen macht deutlich, warum. Diesem zufolge ist das eigentliche Ziel, den SRU "auch in seiner Außendarstellung dem unmittelbaren politischen Einfluss von Rot-Grün" zu entwinden und "dauerhaft in den (personal-) politischen Einfluss~ und Steuerungsbereich der Koalitionsfraktionen" zu bringen. Nach außen hin allerdings solle die Stellenschaffung mit einer "stärkere[n] internationale[n] Ausrichtung" und der Vernetzung des SRU mit dem Parlament begründet werden - wie es der Koalitionsantrag faktisch auch macht. Damit die "Farbechtheit" der Stelle gewährt ist, solle die Stelle in der Besoldungsgruppe B7 angesiedelt werden - das entspricht einem Grundgehalt von 8.291 Euro. Kosten, die mit den Haushältern der FDP dem internen Papier zufolge bereits vereinbart waren.

Ganz so viel ist der Regierung die politische Einflussnahme auf den SRU nun allerdings doch nicht wert. Im Gesetzentwurf wird der Direktor des SRU nun auf der Stufe B4 geführt. Doch auch damit wäre er mit 7 021 Euro monatlichem Grundgehalt noch der bestbezahlte Mitarbeiter des SRU. Dessen Generalsekretär steht auf Stufe B2 und erhält fast 1 000 Euro weniger.

Bemerkenswert ist allerdings die Begründung des FDP-Abgeordneten Michael Kauch, der dem internen Papier zufolge den Direktoren-Deal mit Röttgen abgesprochen hat und sich für seine Partei mit den Themen Umwelt und Nachhaltigkeit beschäftigt. Ihm zufolge müsse der SRU akademisch aufgewertet werden, weil es "immer wieder Kritik an methodischen Schwächen der Arbeit des Sachverständigenrates gegeben" habe. Was genau damit gemeint ist, konnte Kauchs Büro auf Anfrage nicht erklären. Auch Kauch selbst konnte diese Frage nicht beantworten, da er sich derzeit auf der UN-Klimakonferenz in Durban aufhält und schwer erreichbar ist. Der Umweltrat vertritt allerdings immer wieder Positionen, die deutlich ambitionierter sind als die der Bundesregierung - beispielsweise in der Energiepolitik (Experten der Bundesregierung stellen Energiekonzept in Frage).

Bemerkenswert ist, dass offenbar auch die Fachpolitiker bei der Schaffung der neuen Stelle umgangen wurden. Dies kritisiert der CSU-Abgeordnete Josef Göppel. Bärbel Höhn äußerte die Vermutung, dass die FDP "Versorgungsposten für die eigenen Leute schafft". Ahnungslosigkeit herrscht offenbar auch im Innenausschuss, wo der Gesetzentwurf derzeit beraten wird. Die Debatte um den Direktorenposten beim SRU war in allen Abgeordnetenbüros, mit denen Telepolis telefonierte, nicht bekannt. Dabei soll schon am Mittwoch die neue Stelle vom Innenausschuss bestätigt werden. Die in dem koalitionsinternen Papier geäußerte Hoffnung, die Schaffung der Direktorenstelle würde zunächst nicht einmal auffallen, erweist sich damit als nicht unbegründet.

Wer der neue Direktor des Umweltrates werden soll, ist derzeit noch nicht klar. Auf den Fluren des Bundestages gibt es zwar entsprechende Gerüchte, wirklich belastbar sind sie allerdings nicht.

Doch nicht nur die Schaffung des Direktorenpostens beim SRU steht in der Kritik. In einer Pressemitteilung rügt der innenpolitische Sprecher der SPD, Michael Hartmann, dass die Koalition politischen Spitzenbeamten den Ruhestand mit bis zu 635 Euro monatlich versüßen will. Union und FDP wollten so "ihre Getreuen noch besser absichern", meint Hartmann. Staatssekretäre und Ministerialdirektoren werden nach einem Regierungswechsel üblicherweise ausgetauscht, da sie als politische Beamte in der Parteipolitik verwurzelt sind. Die Opposition deutet den Gesetzentwurf zur Unterstützung der Fachkräftegewinnung daher als Zeichen für Auflösungserscheinungen innerhalb der Regierung, die noch schnell ihre Schäfchen ins Trockene bringen will.