BGH lässt Werbeonkel Rupert Scholz für Zocker-Papiere haften

Ein Ex-Verteidigungsminister hatte sich für ein Pleite-Produkt verwandt - wie etliche Politiker vor ihm

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Der Bundesgerichtshof hat einen Ex-Politiker und Juraprofessor, der sich als Werbeonkel und Beiratsmitglied für eine schwache Kapitalanlage verwandt hatte, in die Haftung genommen. Der glück- wie farblose Rupert Scholz (CDU), der trotz echten Doktortitels auch als Verteidigungsminister nicht hatte überzeugen können und dann 2005 durch den Vorschlag aufgefallen war, Deutschland atomar zu bewaffnen, hatte sich ein Zubrot als Botschafter des "Deutschen Vermögensfonds I" verdient. Doch der implodierte nach Intervention der BaFin, obwohl sich der Juraprofessor zuvor von der "Beachtung aller denkbaren Anlegerschutzregelungen, die das Fondskonzept auszeichnet, beeindruckt" gezeigt hatte.

Als "voll durchkontrolliert und von unabhängigen und erfahrenen Persönlichkeiten geleitet" hatte Scholz das Finanzprodukt gepriesen, vor dem bereits 2004 FinanzTest gewarnt hatte. Da Scholzens Lobhudeleien u.a. in Form eines Presseinterviews den Anlegerprospekten beilagen, kamen fähige Anwälte auf die Idee, insoweit die Prospekthaftung fruchtbar zu machen.

Rupert Scholz (1988). Foto: Bundesarchiv, B 145 Bild-F078063-0010 / Engelbert Reineke / CC-BY-SA.

Nach traditioneller Konzeption des BGB waren Werbeaussagen früher praktisch gar nicht justiziabel, vielmehr galt grundsätzlich nur das, was im Vertrag stand. Übertreibung und Erwecken von unrealistischen Erwartungen gehörten zum Geschäft, bis die Schuldrechtsreform den vormals eng ausgelegten Rechtsbegriff "zugesicherte Eigenschaft" erheblich weiter fasste und Verkäufer für Anpreisungen und zurechenbare Fehlvorstellungen in die Pflicht nahm. Im besonders PR-anfälligen Bereich der Anlegerprodukte hatte man schon 1991 Regeln für die offiziellen Prospekte aufgestellt, die aufgrund europäischer Vorgaben 2005 durch das Wertpapierprospektgesetz verschärft wurden. Die Rechtsprechung nimmt für fehlerhafte oder unvollständige Angaben in dem Emissionsprospekt einer Kapitalanlage neben dem Herausgeber des Prospekts die Gründer, Initiatoren und Gestalter der Gesellschaft in die Haftung, soweit sie das Management bilden oder beherrschen. Darüber hinaus haften als so genannte "Hintermänner" alle Personen, die hinter der Gesellschaft stehen und auf ihr Geschäftsgebaren oder die Gestaltung des konkreten Anlagemodells besonderen Einfluss ausüben und deshalb Mitverantwortung tragen.

Scholz sah sich vor Gericht nicht verantwortlich, weil er als Beiratsvorsitzender der Konzerndachgesellschaft keine operative oder organschaftliche Funktion ausgeübt und auch keinen Einfluss auf den Inhalt des Emissionsprospekts genommen, sowie Anfang August 2004 seine Beiratstätigkeit beendet habe. Er wurde jedoch wie folgt zitiert:

Wir wissen, wie wichtig es heute für jeden Menschen ist, frühzeitig eine private Vorsorge anzustreben. Die richtige Entscheidung zu fällen, ist nicht leicht und bedarf einer gründlichen Prüfung mit allen fachlichen und gesetzlichen Aspekten.

Sicherheit und Vertrauen sind auf dem Kapitalmarkt keine Selbstverständlichkeit mehr. Nach Finanzskandalen und unsicheren Börsenzeiten erhält die Verlässlichkeit einer Anlage einen neuen Stellenwert für den Verbraucher. Wir verstehen uns als kompetenter Wegbegleiter unserer Unternehmen gerade im Hinblick auf die Förderung der Kontakte mit Politik und Wirtschaft. Dabei setzen wir uns für die Realisierung der Ziele der Geschäftsleitung ein.

Während das OLG Karlsruhe den Juraprofessor Scholz nicht dem Kreise der Haftenden zuordnete, sah der benachbarte BGH eine Garantenstellung des scheinbar auch in Geldangelegenheiten so kompetenten Staatsrechtlers, der den Eindruck erweckt habe, Einfluss auf das Anlagekonzept genommen zu haben. Aussagen wie "Das haben wir geschafft" gaben insoweit den Ausschlag zur eigenen Verantwortung. Süffisant merkte der BGH in Randziffer 30 des Urteils an, die Vorstellung als Beiratsvorsitzenden könne für sich genommen ein schutzwürdiges Vertrauen begründen - "auch wenn es einen Politiker betrifft". Inwiefern Scholz für seine Jubelperserei letztlich haftet, muss nun wiederum das OLG Karlsruhe klären.

Die in der Presse daraufhin aufgeworfene Frage, ob sich nun auch andere prominente Werbeträger Gedanken um Haftung für ihr Werbepartnerschaften machen müssen, ist jedoch Polemik, denn vorliegend kam es dem BGH auf den mindestens vermeintlichen Einfluss und die fachliche Autorität des namhaften Verfassungsrechtlers an. Ob er dort tatsächlich wirkte, oder lediglich als "Frühstücksdirektor" seinen Namen verpfändete, vermögen Außenstehende nicht zu beurteilen. Jedoch von Fußballern wie Jürgen Klopp, Oliver Kahn, Felix Magath oder Oliver Bierhoff werden Anleger keine Expertise erwarten, ebenso wenig von Anke Engelke, die für einen Anbieter der Riester-Rente warb.

Politiker als Türöffner der Finanzindustrie

Die Haftung von Werbemaskottchen ist ungewöhnlich, der Einsatz politischer Botschafter hingegen nicht, weshalb sich Herr Scholz fragen lassen muss, ob er wirklich so naiv war, wie er heute tut. Bereits der nationalliberale Jurist Erich Mende (FDP/CDU), der es zum stellvertretenden Bundeskanzler gebracht hatte, vermittelte in den 60er Jahren dem Hochstapler Bernie Cornfeld vermeintliche Seriosität und Glanz für dessen Schwindelfirma Investors Overseas Services (IOS). Hierbei handelte es sich um einen im Pyramidenform aufgebauten Strukturvertrieb, der das provisionsbasierte Verticken von Versicherungen und Kapitalanlagen durch selbständige Handelsvertreter organisierte. Anfang der 70er Jahre ging die trickreich verschachtelte Organisation hoch und pleite.

Da Mende es jedoch genossen haben muss, von anderer Leute Geschäftsanbahnung zu leben, verfolgte er nach dem IOS-Skandal ähnliche Konzepte mit dem neugegründeten Finanzvertrieb Bonnfinanz. Ebenfalls dort wirkte der vormalige IOS-Manager Dr. Reinfried Pohl, der wie Mende zunächst der damals noch sehr national auftretenden FDP angehörte, dann aber auch zur CDU übertrat. Der konservative Pohl baute den heute mit Abstand größten Finanzvertrieb "Deutsche Vermögensberatung" auf, der nach altem Rezept ebenfalls Politiker als Botschafter einsetzt: In den diversen Gremien der Allfinanz bzw. Deutschen Vermögensberatung tummelte sich das halbe Kabinett Kohl, selbst Ex-Finanzminister Theo Waigel gab seinen Namen her. Pohl ist heute einer der reichsten Männer der Republik, obwohl er nie etwas hergestellt hat, sondern nur anderer Leute Finanzprodukte verkaufen ließ.

Auch Angela Merkel und Gudio Westerwelle spendeten bei den regelmäßigen Massenveranstaltungen der DVAG ihren Glanz, wo Tausende provisionshonorierte Handelsvertreter als "Vermögensberater" ihrer Organisation huldigen. Etliche der finanziell so kompetenten Vermögensberater konnten sich oft selbst nicht einmal eine Krankenversicherung oder Altersvorsorge leisten, die sie ihren Kunden als unverzichtbar anpreisen.

2007 ließ sich Pohl vom Hessischen Wissenschaftsminister Udo Corts zum Professor küren, der kurz danach sein Amt aufgab und ebenfalls bei Pohl als Edel-Strukki anfing. Auch dem vormaligen hessischen Finanzminister Karl Starzacher, dem vormaligen Hessischen Ministerpräsidenten Walter Wallmann, der Frankfurter Oberbürgermeisterin Petra Roth und dem zweifachen Ex-Ministerpräsident Bernhard Vogel gefällt es im jahrelang von Ex-Kanzler Kohl geleiteten Beirat der DVAG.

Auch die vormalige Hessische Umwelt- und Verbraucherschutzministerin Silke Lautenschläger, gab nach einem Jahr ihr Amt zugunsten der Versicherungswirtschaft auf und ging zur DKV.

Nicht fehlen wollte der "Genosse der Bosse" Gerhard Schröder, der sich nicht dafür zu schade war, seinem Wahlspender Carsten Maschmmeyer seine Aufwartung zu machen, dessen von ihm gegründeter Allgemeiner Wirtschaftsdienst AWD ebenfalls Tausende an "selbständigen" Handelsvertretern "beschäftigt". Nunmehr hat Maschmeyer mit Bert Rürup (SPD), dessen Produkte etliche Handelsvertretern durch Abschlussprovisionen glücklich machten, ohne allzu große Scham die MaschmeyerRürup AG gegründet. Gegen Maschmeyer und andere AWD-Mächtige ermittelt derzeit die Wiener Staatsanwaltschaft wegen des Vorwurfs gewerbsmäßgen Betrugs. Schröders ehemaliger Regierungssprecher Bela Anda war beim AWD untergekommen, wo er für gutes Wetter sorgen soll, was derzeit schwierig sein dürfte.

Die Nähe der Versicherungswirtschaft auch zu aktiven Spitzenpolitikern ist spätestens seit dem Parteispendenskandal der 80er Jahre anrüchig, denn Geschäftsleute spenden nun einmal nicht ohne Gegenleistung, da sie andernfalls der Untreue verdächtig wären. Doch einen Politiker mit Stehvermögen wie etwa Ex-Bundesaußenminister Hans-Dietrich Genscher hielten die Skandale wie die Flick-Affäre nicht ab, sich als Werbeonkel für die Göttinger Gruppe zu betätigen, die sich in die Insolvenz verabschiedet hatte. Der vormalige FDP-Obmann im Finanzausschuss des Bundestages Frank Schäffler war sogar während seines Mandats noch bis 2010 selbst Handelsvertreter des Finanzvertriebs MLP.

Lange hatten sich die deutschen Regierungen gegen die Umsetzung von EU-Verbraucherschutzrichtlinien im Finanzbereich gesträubt, noch immer sind die EU-Vorgaben für die Qualität der Finanzberatung halbherzig umgesetzt. Die "politische Landschaftspflege", wie man es im Vorfeld der Flick-Affäre nannte, scheint sich ausgezahlt zu haben, noch immer finden sich dankbare Spendennehmer. Die Zustände in der Finanzdrückerbranche sind nach wie vor katastrophal.

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