"Die Bauern sterben in ihrer Ecke"

Ein französischer Bauer zieht gegen Monsanto vor Gericht und erhebt seine Sache zu einem Musterprozess für Kollegen, die ihre Gesundheit durch den Gebrauch von chemischen Produkten schädigen

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In Kanada wurde das Herbizid Lasso, ein Produkt des Agrarkonzerns Monsanto, bereits 1985 verboten, in Belgien 1990, in Großbritannien 1992, in Frankreich aber erst 2007. Im Frühjahr 2004 fiel ein französischer Getreidebauer beim Reinigen eines von der April-Sonne beschienenen Sprühtanks, der mit Lasso gefüllt gewesen war, in eine schwere Ohnmacht, die von einem Gedächtnisverlust begleitet war. An den weiteren Folgeschäden dieses Unfalls, der mehrere Krankenhausaufenthalte mit sich brachte, leidet er noch heute. Seit gestern wird seine Klage gegen den französischen Ableger des US-Agrarkonzerns vor einem Zivilgericht in Lyon verhandelt.

Die Klage sei eine "Premiere im französischen Umweltrecht", teilt der Anwalt des Getreidebauers den Medien mit. Auch wenn sich der Konzern darauf berufe, dass das Herbizid Lasso 2004 in Frankreich zugelassen war, sei der Produzent doch damit nicht seiner Verantwortung enthoben. Gemeint ist damit, dass Monsanto über die gesundheitlichen Gefahren von Lasso hätte aufklären sollen. Er sei nicht genügend über die Risiken des Unkrautvertilgungsmittels informiert gewesen, klagt der Bauer.

Für ihn handelt es sich um eine Art Musterklage; er klagt im Namen seiner Berufskollegen und es geht ihm dabei um's Prinzip: Um eine bessere Landwirtschaft, die ein bestimmtes Tempo, das mit intensiven Einsatz von chemischen Hilfen einhergeht, nicht mitmacht. Um mehr Umweltbewusstsein und um ein Bewusstsein dafür, was die Bauern ihrer eigenen Gesundheit antun.

Zwar, so ist seinen Worten zu entnehmen, sind die Leiden seiner Berufskollegen nicht dem Monsanto-Produkt Lasso zuzuschreiben - das ja mittlerweile auch in Frankreich nicht mehr zugelassen ist -, aber die "blutende Nase, die Augen, die stechen, die Kopfschmerzen" sind seiner Ansicht nach allesamt Symptome, die auf den Gebrauch von chemischen Mitteln zurückzuführen sind: Anzeichen von "Vergiftungen, die zu schweren Erkrankungen führen". Nur, dass die Bauern darüber öffentlich schweigen. Sie sterben in ihrem Winkel, so Paul François, weil sie es nicht wagen, darüber zu sprechen.

"Des paysans sont en train de crever dans leur coin."

Das Schweigen der Bauern erklärt Paul François mit einem Schuldgefühl. Da sie ohnehin der Kritik wegen der Verwendung von umwelt- und gesundheitsschädlichen Produkten ausgesetzt seien, hätten sie kein Interesse daran, die Polemik weiter zu schüren, indem sie über ihre Gesundheitsprobleme klagen. Man stigmatisiere die Bauern, während die Hersteller der chemischen Produkte die Gewinne einstreichen würden. Mit dieser Kritik zieht Paul François einige Aufmerksamkeit auf seinen Fall. Dass die Confédération Paysanne, der französische Bauernverband, deren Mitgründer der bekannte José Bové ist, Präsenz bei der Sache zeigt, ist kein Zufall.

Paul François zielt in die Richtung, für die Bové seit Jahren kämpft (Malbouffe und José Bové - Wider die Industrialisierung der Landwirtschaft). Sein Engagement für eine "langsame und weniger kostenintensive landwirtschaftliche Produktion" trifft noch immer den Nerv der Zeit - wie auch die Kritik an dem Konzern mit Monopoltendenz, Monsanto, dessen Geschäft auf der industriellen Landwirtschaft basiert und dem immer wieder vorgeworfen wird, dass Folgeschäden, Umwelt- und Gesundheitsrisiken dabei nicht gerade Priorität haben, um es zurückhaltend auszudrücken.

Monsanto hätte wissen müssen, wie schädlich das Unkrautvertilgungsmittel ist und es nicht mehr auf dem Markt bereitsstellen dürfen, "das Problem war Monsanto bekannt", wirft Paul François dem Agrar-Konzern vor. Bei Monsanto, dessen französische Niederlassung in der Nähe von Lyon ist, schweigt man zur Sache. Seit seinem Unfall Ende April 2004 leidet der Bauer an starken Kopfschmerzen und chronischer Müdigkeit. Laut Ärzten sind das Folgen, die davon herrühren, dass er Dämpfe des Herbizids der Marke Lasso eingeatmet hat.

2008 wurden die Folgeschäden als beruflich bedingte Erkrankung von einer Kammer (Tribunal des affaires de sécurité sociale) anerkannt. Im Januar 2010 wurde das Urteil von einem Berufungsgericht bestätigt. Lasso enthält Chlorbenzol und Alachlor; die Dämpfe wirken betäubend und greifen das Nervenssystem an.