Bayernkurier kritisiert Bayerischen Rundfunk als "Rot-Grün-Funk"

Das Parteiblatt der CSU, gerne auch mal "Schwarze Prawda" genannt, geißelt den BR, den man bislang fest in schwarzer Hand vermutete

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Ja, gibt es denn den immer noch? Das werden sich Manche fragen. Die Rede ist vom Bayernkurier, dem Parteiblatt der Christlich-Sozialen Union (CSU), dem CDU-Ableger im Freistaat Bayern. Das auch als "Schwarze Prawda" bezeichnete Blatt, dem Ausgewogenheit nicht als wärmende Unterlage in die Wiege gelegt wurde (eine Wiege, die im übrigen von Franz Josef Strauß selig geschaukelt wurde), beschwert sich aktuell über Unausgewogenheiten beim Bayerischen Rundfunk.

Daran gäbe es vielleicht wirklich etwas auszusetzen, doch vermutlich in ganz anderer Richtung, als es dem Bayernkurier jetzt eingefallen ist:

Wer sich in Bayern die Welt aus Sicht von SPD und Grünen erklären lassen will, der kann SZ oder AZ lesen - oder die BR-Nachrichten einschalten. Man muss es so hart sagen: Der Bayerische Rundfunk, vor allem der Hörfunk, hat sich in den vergangenen Jahrzehnten zum Bayerischen Rotfunk entwickelt - genauer gesagt: zum Rot-Grün-Funk.

Das hat schon seinen ganz eigenen Witz: Der Bayerische Rundfunk ist nun gerade der Sender innerhalb des ARD-Verbunds, dem tatsächlich teilweise krasse Parteinahme vorgeworfen wurde - das allerdings sicher nicht für die rot-grüne Perspektive, sondern für die der CSU, die sich gerne als bayerische Staatspartei geriert.

Hohe Ämter im Bayerischen Rundfunk werden nur mit dem richtigen, sprich: schwarzen Parteibuch ergattert. Noch der neue Intendant des BR, Ulrich Wilhelm, kam - wie honorig er auch sonst sein mag - an sein Amt, weil er zuvor lange Jahre erst der CSU-Regierung in München und dann als Regierungssprecher der CDU-Kanzlerin Angela Merkel in Berlin gedient hat. Bei der CSU missliebigen Themen wie der Reaktorkatastrophe in Tschernobyl hat sich der Bayerische Rundfunk schon auch mal aus dem ARD-Gemeinschaftsprogramm ausgeklinkt und damit bayerischen Staatsbürgern (und Rundfunkgebührenzahlern) Informationen vorenthalten, die alle anderen Bundesbürger frei empfangen durften: Eine Zensurmaßnahme, wie man sie sonst nur von vorderasiatischen Potentaten oder in ehemaligen GUS-Staaten erwartet.

Ich selbst habe vor Jahren als Hospitant und Freier Mitarbeiter des BR die direkte politische Einflussnahme eines Chefredakteurs aufs Programm erlebt. Auch die Süddeutsche Zeitung bezeichnete den BR als "jenen Sender, den die CSU viele Jahre lang als eine Art Subunternehmen der Partei betrachtete".

Dabei sind die medienkritischen Voraussetzungen, die der Bayernkurier anführt, durchaus bedenkenswert:

Dem Hörer wird in den aktuellen Sendungen des BR-Hörfunks regelmäßig Interpretation, Meinung und Einfärbung als Nachricht untergejubelt - ob von der Nachrichtenredaktion, die für Bayern 1 bis Bayern 4 die Nachrichten liefert, von den Magazinsendungen "Radiowelt" auf Bayern 2 oder von B5 Aktuell, das eine eigene Redaktion hat.

Zu fragen wäre allerdings, wie die zitierte "Einfärbung" in Wirklichkeit aussieht. Das ist freilich, wie der Münchner Kommunikationswissenschaftler Carsten Reinemann von der selbst eher konservativen Ludwig-Maximilian-Universität in der Süddeutschen feststellt, auch aus methodischen Gründen schwierig. Es müsste eine ausgeklügelte Inhaltsanalyse weiter Programmflächen durchgeführt werden, bei der nach festgelegten Kategorien erfasst werden müsste, wie häufig und mit welchen "keywords" die eine oder die andere Parteimeinung in Nachrichtentexten untergejubelt würde.

Die Beispiele, die in dem namentlich nicht gekennzeichneten Artikel im Bayernkurier angeführt werden, sind nun gerade nicht angelegen, den Bayerischen Rundfunk als "Rot-Grün-Funk" zu identifizieren. Da wird beispielsweise die personalisierende Form des Politjournalismus des ARD-Hauptstadtstudios in Berlin (HSB) kritisiert:

Das ARD-Hauptstadtstudio Berlin (HSB) beschäftigt sich - speziell rund um die Wochenenden und in den sitzungsfreien Wochen - fast nur mit dieser Kakophonie, nach dem Motto: Jeder Hinterbänkler einen Satz. Wen das interessieren soll, wer da noch durchsteigen soll, niemand weiß es. Doch genau diese Art der atemlosen Pseudo-Berichterstattung fördert im Endeffekt nur Politikverdrossenheit.

Das HSB und seine linkslastige Besetzung ist ein Problem, das der BR nur teilweise zu verantworten hat, das aber voll auf Bayern durchschlägt. Im HSB ist der BR mit den anderen ARD-Anstalten vernetzt, die Beiträge von deren Korrespondenten laufen im BR gleichberechtigt mit dessen eigenen.

Hierzu ist allerdings festzustellen, dass bei der Konstruktion dieses ARD-Hauptstadtstudios sich gerade der BR einen gehörigen Einfluss gesichert hat - anders als beim ARD-Studio in Bonn, das unter der Ägide des Westdeutschen Rundfunks stand. Von einer "linkslastigen Besetzung" zu sprechen, ist da schon eine wagemutige Behauptung.

Auch das andere konkrete Beispiel des Bayernkuriers spricht eher gegen als für eine Rot-Grünisierung des Bayerischen Rundfunks. Die Berichterstattung über die bayerischen Kabinettsbeschlüsse im November 2011 sei völlig verzerrt worden:

Was aber meldet der BR-Hörfunk den ganzen Abend - als Aufmacher aller Nachrichtensendungen? Dass der SPD-Landesvorsitzende Pronold sich (per technisch miserablem Telefon-O-Ton) darüber mokiert, dass das kostenlose letzte Kindergartenjahr erst 2013 kommt und nicht 2012. Der Kabinettsbeschluss wird lediglich kursorisch-oberflächlich im letzten Satz der Meldung erwähnt.

Die Kabinettsbeschlüsse von einem ausgebildeten Sprecher vom Blatt lesen zu lassen, die Gegenmeinung aber nur in einem akustisch minderwertigen Telefoninterview zu Wort kommen zu lassen - das könnte natürlich auch gerade als Beleg für eine nach wie vor der Staatsraison verpflichtete Berichterstattung interpretiert werden.

Die Parteispitze der CSU ist alles andere als erfreut über die Medienschelte ihres eigenen Parteiblatts. Wie aus Parteikreisen verlautete, habe sich Ministerpräsident Horst Seehofer persönlich per Telefon bei BR-Intendant Wilhelm von dem Beitrag distanziert.