Sturzflug in die Fantasiewelt

Drachen spielen eine große Rollen in "Skyrim"

"Skyrim" von Bethesda Softworks für PC, PS3 und XBox 360

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Das Rollenspiel "The Elder Scrolls: Skyrim" wirft den Spieler unsanft in eine grandiose Fantasy-Welt und gibt ihm danach noch mehr Freiheiten bei deren Erkundung und der Charakterentwicklung als der Vorgänger "Oblivion".

Eine kurze Wagenfahrt, drei mysteriöse Mitgefangene und schließlich der Weg zum Richtblock - so startet Skyrim. Der Spieler erlebt den gnadenlosen Anfang aus der Ich-Perspektive. Das nahende Ende hängt förmlich in der Luft. Nach dem Stopp des Karren bezahlt ein Dieb den Fluchtversuch mit seinem Leben im Pfeilhagel. Der zweite "Mitreisende", ein freundlicher, aufgeschlossener Gefährte, ergibt sich seinem Schicksal und stirbt durch die Axt des Henkers. Nun ist der Protagonist an der Reihe. Sein Blick, der dank der Perspektive dem des Spielers entspricht, richtet sich nach unten und geht schließlich zur Seite. Aus dem Augenwinkel sieht er das Richtbeil gen Himmel steigen. Plötzlich gibt es da oben noch etwas: Aus dem Nichts taucht ein gewaltiger Drache auf und startet einen feurigen Angriff.

Die Hinrichtung des Protagonisten ist unterbrochen und eine Wache wird zu seinem kurzzeitigen Gefährten auf der Flucht vor dem Drachen. Erst dabei darf der Spieler ins Geschehen selbst eingreifen und lernt die grundlegende Steuerung. Den Charakter erstellt er in den Prolog, während er sich der Wache vorstellt.

Das ist auch ein Grund für die Ich-Perspektive zu Beginn. Das Aussehen der Hauptfigur steht zu dem Zeitpunkt noch nicht fest. Der Spieler bestimmt anfangs nur die Rasse und damit verbunden einige Boni. Er legt sich nicht auf eine Klasse wie Feuermagier, Krieger oder Dieb fest. Jeder kann grundsätzlich alle Fähigkeiten erlernen und mischen. Diese Freiheit in der Charaktergestaltung ist noch stärker ausgeprägt als im Vorgänger "The Elder Scrolls: Oblivion", das zumindest gewisse Schwerpunkte am Anfang abfragte.

Bethesda hat die Zahl der Attribute und Fähigkeiten verringert. Die Waffenfähigkeiten wurden auf wenige Grundtypen reduziert, auf die teilweise etwas zu sportlich ausgeuferten Möglichkeiten mit Akrobatik und Athletik verzichtet Skyrim völlig. Die wichtigsten Basiswerte sind Ausdauer, Lebensenergie und Magie, die anfangs ausgeglichen sind. Bei jedem Levelaufstieg darf der Spieler einen der drei Werte erhöhen und so seiner Vorgehensweise anpassen.

Grundsätzlich gilt - wie schon bei früheren "Elder-Scrolls"-Titeln - dass das Handeln die Entwicklung der Figur bestimmt, da sich die Fähigkeiten beim Einsatz verbessern. Wer also zum Meister im Öffnen von Türen werden möchte, muss zunächst reichlich einfache Schlösser knacken. Wertvolle Schätze sind gut geschützt, an ihren Schlössern beißt sich der Anfänger die Zähne aus und bricht den Dietrich ab. Die Verriegelungen einfacher Häuser und Kisten geben auch dem ungeübten Einbrecher bald nach, wodurch er seine Künste verbessert, um schließlich später die schweren Schlösser zu knacken.

Selbstredend steigert sich auch die Kampfkompetenz durch Anwendung. Waffen und Rüstung sind in Kategorien unterteilt. Wer stets mit Schwert und Schild kämpft, wird zum Meister der einhändigen Kampfkunst und des Blockens, tut sich aber mit schweren Zweihändern schwer. Die unterschiedlichen Rüstungsgattungen stehen prinzipiell jedem offen, haben aber ihre individuellen Stärken und Schwächen. Ein Magier darf prinzipiell auch eine schwere Eisenrüstung tragen, muss dann aber auf die Boni der magischen Stoffrüstungen verzichten und wird insgesamt verlangsamt. Charaktere die auf Leichtfüßigkeit im Kampf, beim Schleichen oder unerkannten Eindringen in fremde Gemächer setzen, bevorzugen vermutlich eine leichte Lederrüstung. Durch das Tragen einer Rüstung, verbessert sich deren Effizienz.

In der Anfangsphase findet der Gamer zahlreiche unterschiedliche Ausrüstungsteile und kann so selbst ausprobieren, welche Vorgehensweise ihm liegt. Das Verwenden und damit Verbessern der Fähigkeiten bringt zudem Erfahrungspunkte und damit einen regelmäßigen Level-Aufstieg. Das System belohnt die passende Vorgehensweise. Ein offensiver Kämpfer erlangt im Kampf Erfahrung. Er stürzt sich mit seinem Zweihänder auf einen Gegner, der einen Eingang schützt. Ein diebischer Typ, der sich vorbei schleicht und das Schloss einer Seitentüre knackt, wird dafür ebenfalls belohnt. Wer Magie bevorzugt kann den Gegner mit Feuerbällen angreifen, Untote zu Hilfe rufen oder sich an einem Illusionszauber als Ablenkung versuchen.

Anders als beim Vorgänger sind alle Fähigkeiten zunächst gleichberechtigt. Abgesehen von der normalen Verbesserung bei ihrem Einsatz, darf der Spieler noch sogenannte Perks verteilen. Damit erhält er zusätzliche Boni für eine bestimmte Begabung. Beispielsweise verkürzt der Bogenschütze die Zeit, die er zum Ziehen braucht oder der Schleicher verhindert, dass er Druckfallen auslöst. Voraussetzung ist jeweils ein bestimmter Grundwert der jeweiligen Fähigkeit. Zudem sind die Perks rollenspielüblich in einer verzweigten Baumstruktur aufgebaut, die bei Skyrim zum Sternbild wird. Dieses muss jeweils von der Wurzel zum jeweiligen Knoten gefüllt werden.

Recht schnell zeigt sich, dass der Charakter sich nicht zu sorglos auf feindliche gesinnte Kreaturen stürzen sollte. Von Anfang an trifft er auf übermächtige Gegner und auch andere erfordern eine gewisse Vorsicht. Die Kämpfe setzen wie bei den Vorgängern auf Action. Die Position und das Timing spielen eine ebenso große Rolle wie die jeweilige Fähigkeit innerhalb der Waffen- oder Magiekategorien. Ein hoher Wert im Schwertkampf verstärkt den gelungen Angriff, ist aber verschenkt, wenn der Hieb selbst ins Leere oder auf den Eisenschild des Kontrahenten erfolgt.

Die Gegner verhalten sich recht clever und ihrer Art angemessen. So rufen Wölfe gerne ihre Artgenossen und versuchen dann den Charakter zu umzingeln. Bogenschützen suchen sich eine höhere Stelle für den optimalen Angriff. Orks dagegen verhalten sich dem Vorurteil entsprechend tumb. Zwar sind ihre Hiebe kräftig, aber wenn der Protagonist die Flucht ergreift, scheinen sie die Situation gar nicht recht zu begreifen und lassen dem Spieler Zeit zum Heilen und erneuten Angriff.

Unter den Einstellungen darf der Spieler den Schwierigkeitsgrad dem eigenen Können anpassen. Wer stets an eigentlich ebenbürtigen Gegnern scheitert, darf so den Frust herausnehmen, wem es zu einfach ist, kann die Schraube anziehen. Die Änderungen sind moderat genug, dass auch auf niedrigster Stufe ein planloses Einprügeln auf eine Horde von Gegnern zum unweigerlichen Aus führt. Recht schnell erteilt "Skyrim" dem übermütigen Gamer, der aus seinem MMORPG gewohnt ist, alles zu besiegen, was sich ihm in den Weg stellt, eine Lektion in Sachen Demut. Auch anfängliche Quests erfordern häufig eine vorsichtige Herangehensweise.

Beispielsweise warnen Diebe einander und müssen vorsichtig einzeln ausgeschaltet oder umgangen werden. Auch gibt es gelegentlich Kreaturen, die dem Frischling schlicht so haushoch überlegen sind, dass Kampf und Spiel nach dem ersten Schlag bereits beendet sind. Dabei geht "Skyrim" nicht in Extreme wie Dark Souls (vgl. Überleben durch Opportunismus). Das Ableben des Charakters ist nicht die Regel, aber jederzeit möglich.

Eine Tugend bereits früherer Elder-Scrolls-Spiele ist die durchgängige Welt. In vielen RPGs kann der Spieler "zonen": Verlässt er eine Höhle oder betritt ein Haus und damit eine eigene Zone, bleiben die Monster üblicherweise zurück. In "Skyrim" folgen die Gegner dem Protagonisten auch dann, wenn die Konsole den neuen Bereich nachlädt. Die Flucht vor Banditen in die Kneipe kann trotzdem hilfreich sein. Zwar schüttelt der Spieler die Übeltäter nicht ab, aber in der Wirtschaft gibt es potenziell helfende Hände, die sich in den Kampf einmischen.

Umgekehrt sind die Bewohner nachtragend, wenn sie den Spielercharakter beim Diebstahl erwischen. Auch dies ist eine der Stärken: Die Nichtspielercharaktere reagieren weitgehend glaubwürdig. In vielen Rollenspielen verkommen die Umstehenden zu Statisten, wenn sie nicht Bestandteil des aktiven Ereignisses sind.

Der Gamer bestimmt, wie detailliert er sich mit den Hintergründen der Welt beschäftigt. Überall findet er Bücher mit historischen Erzählungen, Erklärungen zu den einzelnen Rassen oder einfach unterhaltsame Anekdoten. Dass die Nichtspielercharaktere dem Protagonisten und einander viel zu erzählen haben, schafft das Gefühl einer lebendigen Welt. Die Entscheidungen wirken sich - wie bei den anderen "Elder-Scrolls"-Titeln - auf die gesamte Spielwelt aus. Er darf aussuchen auf wessen Seite er kämpft. Auch gibt es wieder die Möglichkeit sich in einen Vampir oder Werwolf zu verwandeln, was jeweils mit speziellen Vor- und Nachteilen verbunden ist.

Wie viel Zeit der Spieler für Nebenaufgaben verwendet, bleibt ihm überlassen. Im zentralen Handlungsstrang spielen die Drachen eine wichtige Rolle. Diese bringen eine neue Art der Fähigkeit mit sich, die der Charakter im Verlauf des Spiels erlernt. Drachenschreie sind ein mächtiges Instrument, dessen sich der Protagonist bemächtigt und das er durch das Besiegen der fliegenden Kreaturen erweitert. Die Drachenangriffe sind atmosphärisch besser in die Welt einbezogen, als die Portale in Oblivion. Obwohl sie fester Bestandteil des Skripts sind, wirken sie teils willkürlich und geben dem Spieler, den sie auf einem scheinbar harmlosen Quest überraschen, das Gefühl der wachsenden Bedrohung, der die Welt ausgesetzt ist.

Die Steuerung ist deutlich auf Konsolen zugeschnitten. Der Spieler bedient das Menü über ein Gamepad-freundliches Interface. Das geht jedoch selten zu Lasten der Komplexität. Insgesamt gelingt die Anpassung besser als in Biowares Dragon Age 2 (vgl. Drachen-Parallelwelt), dessen Konsolenoptimierung viele PC-Benutzer abschreckte.

Grafisch gesehen ist die PS3-Version sehr gelungen, auch wenn es imposantere Titel gibt. Die wichtigste Entwicklung gegenüber dem Vorgänger ist die Gestaltung der Figuren. Die kruden Gesichter in "Oblivion" störten den grafischen Gesamteindruck merklich. In "Skyrim" passen sie ins grafische Gesamtbild und wirken deutlich realistischer. Allerdings ist die Mimik bei weitem nicht so fein wie bei L.A. Noire (vgl. Bloß nicht blinzeln!) von Rockstar Games und einige Animationen wirken nach wie vor unnatürlich. Der Soundtrack ist extrem gut und unterstreicht die Atmosphäre, passt sich dabei der akuten Umgebung und dem Gefahrenpegel an.

Genau die Atmosphäre ist die wichtigste Stärke von "Skyrim". Die Welt ist groß und stimmig. Die Hauptgeschichte fügt sich mit der Zeit zu einem sinnvollen Bild zusammen. Selbst die Nebenaufgaben sind selten von der Sorte "Ich habe Hunger. Jag fünf Wildschweine!", sondern haben ihre eigenen Erzählungen. Beispielsweise trifft der Protagonist in einem Dorf, das er eigentlich für eine andere Aufgabe besucht, auf eine seltsam zugerichtete Leiche und hilft bei der Aufklärung einer Mordserie. "Skyrim" gehört zu den Spielen, die zu langen Sessions verleiten, weil stets etwas Neues wartet: Ein interessanter Seitenquest, eine neu erlernte Fähigkeit oder endlich das Erz, das der Charakter zum Schmieden der neuen Rüstung braucht. Wer sich die Zeit nimmt in die Welt einzutauchen, wird mit einem der besten westlichen Rollenspiele der letzten Jahre belohnt.

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