Griechenland: Korruption ohne Korrumpierte

Aus dem Kreml in den Knast - die Weihnachtsgeschichte eines Mönches

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An Heiligabend wurde auf dem Gebiet der teilautonomen Mönchsrepublik Athos Ephraim, der Abt des Vatopedio-Klosters, festgenommen. Bürgerlich heißt der Abt und Archimandrit Vasilis Koutsou. Dem seit 1990 amtierenden Abt, der 1956 in Ammochosto auf Zypern geboren wurde, wird einiges zur Last gelegt. Er soll Geldwäsche, Bestechung, Betrug, Urkundenfälschung und Anstiftung zu Straftaten im Rahmen von Grundstücksdeals zu Lasten des griechischen Gemeinwesens auf dem Gewissen haben.

Vatopedion-Klosters. Bild: Asgozzi/CC-Lizenz BY-SA 3.0

Ein Erbe der Karamanlis-Ära

Hintergrund ist ein unter der Regierung Kostas Karamanlis vollzogener Immobiliendeal (Griechische Regierung: Skandale und Bauernopfer). Dabei hatte der "heilige Real Estate Manager" wirklich einen guten Deal gemacht. Er tauschte den aufgrund einer goldenen Bulle dem Kloster Vatopedio gehörenden Teil des nordgriechischen Vistonida-Sees mit Athener Immobilien.

Dabei fiel unter anderem ein Teil des olympischen Dorfes von 2004 an das Mönchskloster. Diese Immobilien konnte der gewitzte Abt besser als die griechische Zivilverwaltung vermarkten. Er konnte einen guten Verkaufspreis erzielen, während die griechische Regierung selbst unter Troikaüberwachung kaum einen lukrativen Verkauf staatlichen Eigentums fertig kriegt, stattdessen verramschen die hellenischen Regierungsstellen ihr Tafelsilber.

Ephraim konnte jedoch nicht nur gut tauschen und verkaufen. Er schaffte es vielmehr, sämtliche zur Erlangung seines Ziels erforderlichen Amtshandlungen in für griechische Verhältnisse atemberaubender Zeit über die Bühne zu bringen. Dabei schaffte er es, gleich mehrere Ministerien des ansonsten eher unkoordiniert agierenden Staatsapparats zur Zusammenarbeit zu bewegen. Wie er dies alles geschafft hat, ist seit 2008 Thema der üblichen hellenischen Skandalgeschichten. Der Vatopedio-Skandal beschleunigte den Fall Karamanlis und den Aufstieg des folgenden Premiers Giorgos Papandreou.

Eine Straftat ohne Schaden…

Besonders bemerkenswert ist jedoch, dass parlamentarische und gerichtliche Untersuchungen zu dem Schluss kamen, dass dem Staat als solches im Vatopediofall kein materieller oder finanzieller Schaden entstanden sein soll.

Schließlich, so die offizielle Lesart, gehöre das Kloster auch zum Staatsbesitz. Eine wie auch immer geartete persönliche Bereicherung war dem Manager-Abt bisher nicht nachweisbar.

… und ohne Täter?

Die involvierten Politiker und Minister verloren zwar unter dem Druck der damaligen öffentlichen Meinung Amt und Würden, sie kamen aber aufgrund des verfassungsmäßig verankerten Amnestiegesetzes für politisch motivierte Straftaten im Amt ohne weitere Blessuren davon. Der entsprechende Verfassungsartikel schützt sie mit einer eingebauten Expressverjährungsfrist vor Strafverfolgung.

Als kurioses Ergebnis bleibt, dass auch aufgrund der nunmehr vom Areopag höchstgerichtlich festgestellten strafrechtlichen Verjährung der mutmaßlichen Amtsvergehen die Nennung der Politikernamen im Zusammenhang mit dem zu untersuchenden Skandal den Straftatbestand der Verleumdung erfüllt.

Zivilrechtlich könnte der griechische Staat jedoch weiterhin gegen sämtliche involvierte Personen vorgehen. Hinsichtlich eines materiellen Schadens für die Allgemeinheit bleiben die strafrechtlich amnestierten Politiker weiterhin haftbar. Nicht nur im vorliegenden Skandal wurde dies geflissentlich unterlassen.

Der russische Ministerpräsident Putin mit dem Archimandrit Ephraim. Bild: premier.gov.ru

Fluchtgefahr für den freiwilligen Rückkehrer?

Ephraim ist jedoch weder Minister noch ein mit Amtsgewalt ausgestatteter Abt. Seinen Titel als Abt darf er zwar weiter führen, die Verwaltung des Klosters musste er jedoch auf Druck des orthodoxen Patriarchats zu Konstantinopel, dem geistigen Oberhaupt der Mönchsrepublik, bereits 2009 bis zur endgültigen Klärung der Immobiliengeschäfte abgeben. Somit ist er nicht befähigt, weiter im Immobilienbusiness tätig zu sein. Trotzdem lautet einer der Festnahmegründe "Gefahr der Wiederholung gleicher Straftaten". Ein weiterer offizieller Grund für die Verhängung der Untersuchungshaft ist die "Fluchtgefahr".

Kritiker der Festnahme bemerken hierzu, dass der Abt bisher zu jeder staatsanwaltschaftlichen Untersuchung pflichtgemäß angetreten sei. Darüber hinaus kam der im Ausland hochgeschätzte Mönch jüngst erst von einem Besuch beim russischen Premierminister Vladimir Putin und dessen Präsidenten, Dmitri Medwedew, wie versprochen zurück.

Bei weiteren aktuellen Fällen, zum Beispiel dem Fall des Millionenschuldners Constantin Giannikos, zeigte sich die griechische Justiz milder. Giannikos, dem wie Dutzenden anderen Geschäftsleuten vorgeworfen wird, dass sie dem griechischen Fiskus insgesamt mehrere Milliarden Euro Steuern vorenthalten, darf unter der Bedingung, dass er sich regelmäßig auf einer Polizeiwache meldet und das Land nicht verlässt, in Freiheit bleiben. Gleiches gilt für alle bisher publikumswirksam festgenommenen Steuersünder.

Diese offensichtliche Ungleichbehandlung des Abtes ermunterte Vertreter der griechischen Politik zu Kritik am Vorgehen der Staatsgewalt. Der greise Exministerpräsident Konstantinos Mitsotakis ging sogar so weit zu sagen, "man darf nie vergessen, dass auch die Urteilenden beizeiten selbst beurteilt werden müssen". Kirchenvertreter sahen im seltsamen Weihnachtsgeschenk für den Abt einen Affront gegen die Religion.

Eine teure PR-Farce

Besonders preiswert war die zeitliche Terminierung und Durchführung von Ephraims Festnahme zudem nicht. Da sich der Abt zum Zeitpunkt des Zugriffs auf dem Gebiet der Mönchsrepublik befand, durften die Polizeikräfte nicht ohne weiteres eingreifen. Sie mussten mit einer Zugangsgenehmigung und in Begleitung eines Staatsanwalts agieren. Darüber hinaus wurde das Seegebiet um die Mönchshalbinsel herum von Polizeibooten abgesperrt. Man hätte alternativ bis zum nächsten, für die Zeit nach den Festtagen angesetzten Termin beim Staatsanwalt in Athen warten können, denn dort wäre der Zugriff mit wenigen Beamten durchführbar gewesen.

Ephraim ist indes offiziell festgenommen und sitzt in einer Zelle. Im Gefängnis ist er dadurch immer noch nicht. Denn aufgrund einer fiebrigen Erkrankung und seiner schlecht eingestellten Diabeteskrankheit bleibt er "bettlägerig im Asyl seiner klösterlichen Zelle". Vor den Zellentüren wachen Polizeibeamte darüber, dass der Mönch seine Zuflucht nicht verlässt.