Beate Zschäpe: eine "sympathische, intelligente und gebildete" Frau

Pflichtverteidiger Heer kritisiert Haftbedingungen, hat Haftbeschwerde eingelegt und erklärt, es gebe bislang keine Beweise, dass Zschäpe etwas mit den Morden ihrer Kameraden Mundlos und Böhnhardt zu tun habe

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Auf den ersten Blick scheint alles daraufhin zu deuten, dass die 36jährige Beate Zschäpe, die zusammen mit Uwe Böhnhardt und Uwe Mundlos 1998 untertauchte, mit diesen seit dieser Zeit zusammen wohnte und gerne einmal in den Urlaub an die Ostsee reiste, auch mit den Mord- und Raubaktivitäten der beiden Neonazi-Terroristen vertraut und eingebunden war. Aber dafür liegen offenbar noch keine Beweise vor. Nach den Pflichtverteidigern von Zschäpe, Wolfgang Heer und Wolfgang Stahl, gehe aus den ihnen vorliegenden Akten, wie Heer dem Spiegel berichtete, kein dringender Tatverdacht wegen Gründung oder Mitgliedschaft in einer terroristischen Vereinigung hervor. Und überhaupt sei sie eine "liebevolle" Person.

Fahndungsplakat des BKA

Die Bundesanwaltschaft hat am 13. 11. einen Haftbefehl gegen Zschäpe "wegen des dringenden Verdachts der Gründung und Mitgliedschaft in einer terroristischen Vereinigung sowie der besonders schweren Brandstiftung" erlassen. Zschäpe hat bekanntlich die WEohnung, in der sie mit ihren Kameraden wohnte, angezündet, nachdem diese tot in dem Wohnmobil aufgefunden worden waren, wo sie sich nach einem Banküberfall versteckt hatten. Vermutet wird, dass sie damit Beweismaterial vernichten wollte, das möglicherweise auch sie selbst belasten könnte. Die genaueren Umstände des Todes von Mundlos und Böhnhardt sind noch nicht geklärt. Zschäpe hat sich der Polizei gestellt und schweigt seitdem.

Heer kritisiert die Haftbedingungen in der JVA Köln, wohin sie vor 6 Wochen in Untersuchungshaft verlegt wurde und dort in Einzelhaft gehalten wird. Die Heizung in der Zelle funktioniere nicht richtig, weswegen Zschäpe sich erkältet habe, vor allem werde sie rund um die Uhr überwacht und brenne dauernd das Licht in der Zelle, weil sie nach den Behörden als selbstmordgefährdet gilt (ähnlich wurde auch der mutmaßliche WikiLeaks-Informant Manning überwacht, was Bürgerrechtsorganisationen kritisierten). Die Überwachung sei "übertrieben und nicht akzeptabel. Nach meiner Einschätzung bestehen keinerlei Anhaltspunkte für eine Suizidalität, meine Mandantin erscheint mir gefasst und stabil", sagte Wolfgang Heer dem Kölner Stadt-Anzeiger.

Beate Zschäpe, die zwar an Neonazi-Protesten teilgenommen und mit den mordenden Mundlos und Böhnhardt zusammen gelebt hat, soll zumindest in den Urlauben mit ihren Freunden "niemals eine extremistische politische Meinung" geäußert haben. Bild: BKA

Wolfgang Heer hat nun einige Interviews gegeben und macht auch sonst den Fall publik. In einer Pressemitteilung gaben die Pflichtverteidiger bekannt, dass sie Haftbeschwerde eingelegt haben. Die Vorwürfe gegenüber der Bundesanwaltschaft sind hart. Auch wenn wohl viele Menschen den Eindruck haben, dass die Verbindung zwischen Zschäpe und ihren Kameraden so eng waren, dass es sich um eine terroristische Vereinigung handelt, deren Mitglied sie war, so monieren die Rechtsanwälte, dass eine terroristische Vereinigung für ihre Existenz mindestens drei Personen benötigt und nicht sicher sei, ob die Frau im juristischen Sinne dazugehörte.

Die Anwälte hätten bislang nur eine "höchst beschränkte Akteneinsicht", ein Einblick in die Mordermittlungen sei ihnen noch gar nicht gewährt worden. Aus den vorliegenden Akten sei weder ein "dringender Tatverdacht wegen Gründung oder Mitgliedschaft in einer terroristischen Vereinigung" ersichtlich, noch sei eine "feste Organisationsstruktur zwischen der Mandantin, Uwe B. und Uwe M. oder weiteren Personen zum Zwecke der Begehung von Tötungsdelikten" oder ein "Organisationswille" nachweisbar. Beweise würden auch nicht vorliegen, dass Zschäpe an den gefundenen Videos mitgewirkt habe, in denen die Täter die Morde feierten. Ein "faires und rechtsstaatliches Verfahren" werde ihr nicht zuteil, so die Rechtsanwälte.

Die Mitteilung gipfelt in dem Satz: "Frau Z. wird von mehreren Zeugen als unauffällige, sympathische und höfliche Person beschrieben, die niemals eine extremistische politische Meinung äußerte." Im Spiegel-Interview wiederholte Heer die Beschreibung, sagte aber auch, dass ihre Kameraden, die schwer bewaffnet und mordend durch die Lande zogen, einen sympathischen Eindruck in der Urlaubszeit gemacht und nie über politische Dinge gesprochen hätten, was die Aussagekraft der Äußerungen über Zschäpe allerdings relativieren sollte - würde man wenigstens meinen:

Frau Zschäpe macht auf mich einen sympathischen, intelligenten und gebildeten Eindruck. Wir unterhalten uns auf hohem Niveau nicht nur über das Verfahren, sondern über viele Dinge, die gerade in Deutschland passieren.

SPIEGEL ONLINE: Wird in diesen Gesprächen ihre politische Gesinnung deutlich?

Heer: Nein, nicht ansatzweise. Im Übrigen: Die Bundesanwaltschaft hat eine Vielzahl von Zeugen vernehmen lassen, die über Jahre hinweg mit Frau Zschäpe, Herrn Böhnhardt und Herrn Mundlos auf einem Campingplatz auf Fehmarn Urlaub gemacht haben. Aus sämtlichen Aussagen geht hervor, dass keiner der drei sich in dieser Zeit politisch geäußert habe. Außerdem hätten alle einen sympathischen Eindruck gemacht, meine Mandantin wird sogar als liebevoll beschrieben.

Das scheint eine gewagte Behauptung zu sein, zumal Heer damit wohl unterstellen will, dass sie an den Terrortaten nicht beteiligt gewesen sein könne. Wer so sympathisch und liebevoll ist, der kann doch nicht kaltblütig morden? Heer jedenfalls weist im Gespräch mit dem Spiegel jede Sympathie zu rechtsextremen Ansichten von sich. Für Zschäpe gelte, so macht er freilich deutlich, bis zu einer möglichen Verurteilung die Unschuldsvermutung.

Beate Zschäpe wird von ihren Pflichtverteidigern als "sympathisches, intelligentes und gebildetes" Unschuldslamm präsentiert. Bild: BKA

Wie er zu dem Auftrag gekommen sei, will er nicht sagen. Seine private Meinung zähle sowieso nicht, er gehe ganz "nüchtern", aber vermutlich nicht ganz der damit verbundenen Aufmerksamkeit abhold, an die Sache heran. Die Öffentlichkeit verstehe seine Haltung, meint er, schließlich verteidige er seine Mandantin gegen "eine Übermacht von mehr als 500 Ermittlern", was wohl den Eindruck suggerieren soll, hier handele es sich um eine Kampf zwischen David und Goliath. Offenbar soll Zschäpe in diesem Fall als David gelten. Man fragt sich, wie das wäre, wenn es sich um einen islamistischen Terrorverdächtigen handeln würde? Weil sie die Schwächere im asymmetrischen Kampf ist, so könne sie berechtigt Sympathie und Schutz genießen, auch wenn die sympathische Person, die angeblich niemals eine extremistische Meinung äußerte, aber Jahre lang in der Neonazi-Szene lebte, keine Anstalten macht, zur Aufklärung beizutragen.

Vorerst werde Zschäpe weiter schweigen, auch das BKA habe sie noch nicht vernehmen können. Sie kann sich über Radio und Fernsehen auch über die Ermittlungen in ihrem Fall informieren. Heer selbst schweigt sich auch darüber aus, was er aus den Gesprächen mit Zschäpe über ihre Beziehung zu Mundlos und Böhnhardt erfahren oder warum sie die gemeinsame Wohnung angezündet hat. Auch über mögliche Beziehungen zum Verfassungsschutz will der Anwalt nicht sprechen. Man wartet also, was die Ermittlung herausfindet, um darauf zu reagieren.