Strafanzeige gegen Evangelikale

Grüne sehen in Erziehungsliteratur mit Prügelempfehlung einen Verstoß gegen § 111 StGB

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Die niedersächsische Landtagsfraktion der Grünen hat Strafanzeige wegen evangelikaler Erziehungsratgeber erstattet. Grund dafür sind Züchtigungsempfehlungen in Vorträgen und Büchern, die nach Ansicht der Fraktionsvorsitzenden Miriam Staudte den Tatbestand des § 111 StGB erfüllen, der die öffentliche Aufforderung zu Straftaten verbietet.

Einer der Auslöser der Anzeige war der Prediger Wilfried Plock. Der Leiter der freikirchlichen Dachorganisation Konferenz für Gemeindegründung (KfG) soll in einem auf Video mitgeschnittenen Vortrag unter anderem gesagt haben, dass es "einen extra von Gott gepolsterten Platz mit vier Buchstaben" gebe, auf dem man "Kinder unter Umständen hinschlagen" könne - und zwar "auch mit einer Rute". Einen Bericht über die wegen der Entwendung von Naschzeug vorgenommenen Züchtigung seiner eigenen Kinder "mit dem Stock" schloss er angeblich mit den Worten: "Das soll wehtun!"

Nachdem der Norddeutsche Rundfunk Plock eine Anfrage dazu stellte, wurde der Videomitschnitt aus dem Netz entfernt. Außerdem meinte der Prediger, er mache seine Zuhörer mittlerweile auf mögliche strafrechtliche Folgen ihres Tuns aufmerksam und "überlasse es dann [ihnen], ob sie an dieser Stelle Gott und dem Wort der Heiligen Schrift mehr gehorchen wollen als den Menschen oder nicht".

Bei einem anderen Vortrag im niedersächsischen Garbsen soll Plock den Erziehungsratgeber Eltern - Hirten der Herzen empfohlen haben, den der amerikanische Pastor Tedd Tripp verfasste und in dem ebenfalls angeregt wird, Kinder zu schlagen. Auf einer Vortrags-CD rät der schnauzbärtige Schulgründer Tripp außerdem dazu, Kindern bei Züchtigungen stets "die Hose auszuziehen".

Auch der evangelikale Autor Lou Priolo widmet der fachgerechten Anwendung der Prügelstrafe in seinem Buch Kinderherzen lehren nicht nur ausgesprochen viel Raum, sondern zeigt sich darüber hinaus der Auffassung, dass die Rute "bei jedem Kind" zur Anwendung kommen solle, damit es Gehorsam gegenüber Gott und den Eltern lernt. Vor dem Verprügeln müsse man einem Kind jedoch mitteilen, "dass es gegen Gottes Gesetz verstoßen hat" und "dass es [deshalb] gezüchtigt werden muss". Dann, so Priolo, könnten Prügel "positiv und aufbauend wirken". Der selben Meinung zeigt sich John MacArthur in seinem Buch Kindererziehung - Wir wollen es besser machen. Ihm zufolge müssen Schläge "schmerzhaft genug sein, um die Folgen der Sünde in ausreichender Weise als scheußlich und unvergesslich darzustellen".

Er und andere evangelikale Ratgeberautoren begründen die angebliche Notwendigkeit der "Rute" mit Bibelstellen wie Sprüche 29:15 ("Rute und Strafe gibt Weisheit; aber ein Knabe, der sich selbst überlassen ist, macht seiner Mutter Schande") und Sprüche 13:24 ("Wer seine Rute schont, der hasst seinen Sohn; wer ihn aber liebhat, der züchtigt ihn bald"). Der Meinung, dass die Bibel deshalb Schläge fordert, schließen sich die deutschen Verleger der Erziehungsratgeber allerdings nur teilweise an.

Auch im deutschen Fernsehsender Bibel TV durfte der US-Prediger Charles Stanley 2009 empfehlen, dass man zum Schlagen von Kindern nicht die Hand, sondern eine Rute nehmen solle. Diese Predigt wurde mittlerweile ebenfalls vom Internetportal des Senders gelöscht. An Bibel TV ist (über die EKD-Media GmbH) auch die Evangelische Kirche beteiligt. Man schätzt, dass etwa die Hälfte der 1,3 Millionen deutschen Evangelikalen nicht in Freikirchen, sondern in evangelischen Landeskirchen Mitglied ist. Deren führende Vertreter verurteilten die nun bekannten Erziehungsratschläge jedoch scharf.

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