Petition gegen Persönlichkeitsrechte für Unternehmen

Bernie Sanders, Lawrence Lessig und die Occupy-Bewegung wollen mit einem Verfassungszusatz die Demokratie retten

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Im letzten Jahr gründete der amerikanische Fernsehkomiker Stephen Colbert ein "Super Political Action Committee". Political Action Committees (PACs) sind Lobbygruppen, mit denen Finanzierungsregeln für Parteien und Kandidaten für politische Ämter umgangen werden. Seit der US Supreme Court im Januar 2010 im Fall Citizens United v. Federal Election Commission entschied, dass Unternehmen sich auf die in der Bill of Rights geschützte Redefreiheit berufen können, dürfen sie unbegrenzt Geld in Super PACs stecken.

Als es Streit darum gab, inwieweit die Republikaner ihre Vorwahlen in Südkarolinien selbst bezahlen müssen und nicht auf den Steuerzahler abwälzen können, bot Colbert an, über sein Super PAC 400.000 Dollar unter zwei Bedingungen bereitzustellen: Zum einen sollte das Ereignis offiziell in "The Colbert Super PAC South Carolina Republican Primary" umbenannt werden und zum anderen sollte den Wählern die Frage gestellt werden, ob Unternehmen Personen sein können, oder ob nur Menschen Personen sind.

Als der Oberste Gerichtshof des Bundesstaats entschied, dass die Verantwortung für die Vorwahlen bei den Counties liegt, ließen die Republikaner ihren Deal mit Colbert platzen. Würde die Wahl nach seinen Vorstellungen durchgeführt, dann würde sich möglicherweise herausstellen, dass auch eine überwiegende Mehrheit der republikanischen Wähler die Meinung, große Unternehmen hätten Persönlichkeitsrechte, für absurd halten und sich weigern, so etwas zu glauben, "bis in Texas ein Unternehmen exekutiert wird".

Eine vom unabhängigen Senator Bernie Sanders ins Leben gerufene Petition fordert, dass der US-Verfassung eine Klarstellung angefügt wird, die der kreativen Rechtsprechung Grenzen setzt und verbietet, dass Firmen Persönlichkeitsrechte geltend machen können. Für dieses Saving American Democracy Amendment unterschrieben bereits mehr als 100.000 Amerikaner. Auch der Occupy-Bewegung und dem Rechtsprofessor Lawrence Lessig gilt diese Forderung als Grundlage dafür, dass Unternehmen nicht länger an Super PACs spenden können, wodurch Politiker und Parteien unabhängiger von Lobbyisten werden.

Lessig prangert diesen Fluss von "Corporate Money" an die Politik in seinem neuen Buch Republic, Lost als Grundursache der derzeitigen Misere an, die dazu führte, dass dem Kongress Umfragen zufolge nur noch 11 Prozent der Amerikaner vertrauen - deutlich weniger, als bei der Revolution von 1776 treu zum britischen König George standen. Der Harvard-Jurist will einen Verfassungszusatz, der dies unterbindet, über Parlamentsbeschlüsse oder Volksabstimmungen in mindestens 34 Bundesstaaten und eine daraus folgende Nationalversammlung nach Artikel 5 der US-Verfassung durchsetzen.

Unternehmenskritisch: Thomas Jefferson

Die Bill of Rights, die das Recht auf freie Meinungsäußerung enthält, sollte laut dem Willen ihrer Schöpfer Individuen Abwehrrechte gegen einen sonst zur Übermacht neigenden Staat gewähren. Der Gedanke, dass dies auch für Firmen gelten solle, lag den Gründervätern Thomas Jefferson und James Madison allerdings fern.

Ganz im Gegenteil: Sie forderten sogar einen 11. Verfassungszusatz, der Handelsmonopole ebenso wie den Besitz von Firmen durch Firmen verbieten sollte. Damit nicht genug, sollte das Amendment auch jede finanzielle Einflussnahme auf die Politik unter Strafe stellen und sowohl das Betätigungsfeld als auch die Lebensdauer von Unternehmen begrenzen - letztere auf unter 40 Jahre. Zu guter Letzt wollten die beiden noch verankern, dass Firmen in erster Linie dem "öffentlichen Wohl" zu dienen hätten. Der Verfassungszusatz wurde jedoch nicht in die Bill of Rights aufgenommen, weil ihn viele für überflüssig hielten.

Die Idee, dass nicht nur Individuen, sondern auch Firmen als "Personen" gelten können, blieb dem amerikanischen Recht noch lange fremd und fand nur durch einen Trick Eingang in die Rechtsprechung: 1886 schmuggelte ein ehemaliger Bahnangestellter in einem Kommentar zum Fall Santa Clara County vs. Southern Pacific Railroad ganz nebenbei die Formulierung ein, dass die Eisenbahngesellschaft eine "Person" sei und als solche den Schutz des ersten Verfassungszusatzes genieße. Obwohl diese Einstufung für den Fall irrelevant war und der Oberste Richter Waite in einer Pressenotiz sogar ausdrücklich darauf hinwies, hier keine Entscheidung getroffen zu haben, diente der Kommentar daraufhin nicht nur Firmenanwälten, sondern auch Richtern als bequeme Belegstelle.

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