Anonymer Scheck und fehlende Grundbuchschuld

Die FAS zweifelt am Darlehenscharakter der 500.000-Euro-Zahlung an Wulff

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Die Äffäre Wulff hat durch den vor einigen Tagen bekannt gewordenen Drohanruf bei Kai Diekmann und die daraus folgende Debatte um die Pressefreiheit mittlerweile eine dialektische Wendung genommen, die dazu führte, dass sich Volker Zastrow etwas traut, was sonst häufig an Justiziaren und Abmahnanwälten scheitert: Er rätselt in der Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung (FAS) öffentlich darüber, warum man für einen Kredit "der als solcher zunächst nirgendwo kenntlich war" eine "doppelte 'Firewall'" in Form eines anonymen Bundesbankschecks und des Verzichts auf eine Grundbuchschuld errichtet. Und er fragt sich, ob es angesichts solcher Umstände wirklich um ein "Darlehen" ging.

Ob das so ist oder nicht, wird die Öffentlichkeit möglicherweise nie erfahren. Das weiß auch der FAS-Autor, der in diesem Zusammenhang an die "Schubladenaffäre" von 1993 erinnert. Damals hatte Björn Engholms Stellvertreter Günther Jansen behauptet, er habe Uwe Barschels ehemaligem Medienreferenten Rainer Pfeiffer, der im "Waterkantgate"-Skandal eine zentrale Rolle spielte, lediglich aus Gutmenschentum 50.000 DM in bar übergeben. "Was wirklich dahintersteckte, ist", so Zastrow, "nie herausgekommen" - und zwar, "weil alle, die es wissen mussten, schwiegen und weil es weitere Beweise nicht gab."

Christian Wulff mit Ehefrau Bettina. Foto: Franz Richter. Lizenz: CC BY-SA 3.0.

SPD-Generalsekretärin Andrea Nahles versucht unterdessen, den für ihre Partei uninteressanten (aber wahrscheinlicher werdenden) Wulff-Rücktritt mit der Forderung nach einem Rücktritt der Bundesregierung zu verbinden: Der Bild am Sonntag sagte die Politikerin, die eine Bundespräsidenten-Jahresrente ein Höhe von 199.000 Euro zuzüglich Büro und Fahrer für angemessen hält, wenn "nach Horst Köhler noch einmal ein Bundespräsident zurücktr[ete], müsste es Neuwahlen geben". Kurz darauf wurde die Generalsekretärin allerdings von ihrem Vorsitzenden Sigmar Gabriel zurückgepfiffen, der meinte, seine Partei fordere gar keine Neuwahlen und stehe einem Konsenskandidaten für die Wulff-Nachfolge offen gegenüber.

Von einer expliziten Rücktrittsforderung sahen Nahles und Gabriel jedoch ebenso ab wie der Grünen-Vorsitzende Cem Özdemir, der meinte, man würde "damit das Amt vielleicht nachhaltig […] beschädigen". Der gelernte Sozialpädagoge tscherkessischer Abstammung musste sich 2002 zeitweise aus der Politik verabschieden, nachdem herauskam, dass er einen billigen Kredit des 2008 wegen uneidlicher Falschaussage verurteilten PR-Unternehmers Moritz Hunzinger angenommen und dienstlich erworbene Bonus-Meilen privat verflogen hatte.

Weniger einfühlsam gab sich der parteilose Bundestagsabgeordnete Wolfgang Nešković, der in der Linksfraktion mitarbeitet. Er erläuterte der Presse den Ablauf eines Amtsenthebungsverfahrens, für dessen Einleitung nach Artikel 61 des Grundgesetzes mindestens ein Viertel der Bundestagsabgeordneten oder der Bundesratsmitglieder stimmen muss.

Weiter notwendig ist für einen solchen Antrag der Verdacht, dass Wulff vorsätzlich ein Bundesgesetz verletzt hat. Dieser wäre Nešković zufolge dann gegeben, wenn Wulff mit seinem Anruf bei Kai Diekmann keine falschen Tatsachenbehauptungen oder Eindruckserweckungen verhindern, sondern rechtswidrig und durch Drohung mit einem empfindlichen Übel auf eine Unterlassung hinwirken wollte, was den Tatbestand der versuchten Nötigung erfüllen würde. Zur Überweisung solch eines Vorwurfs an das dafür zuständige Bundesverfassungsgericht ist eine Zweidrittelmehrheit im Bundestag oder im Bundesrat nötig. Für die Klärung der Vorwürfe hält Nešković allerdings auch einen Untersuchungsausschuss für eine gangbare Lösung.

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