Von Kostenexplosion keine Spur

Die Energie- und Klimawochenschau: Solarkosten werden übertrieben, Texas-Dürre hält an und in den USA werden die Ethanol-Subventionen gestrichen

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Während hierzulande die Kampagne gegen die erneuerbaren Energieträger immer schriller wird, haben selbst reaktionäre saudi-arabische Monarchisten begriffen, was die Stunde geschlagen hat. Dort werden derzeit mehrere Fabriken für Solarzellen und -module sowie für Polysilizium gebaut. 2020 soll die Fotovoltaik bereits zehn Prozent des Strombedarfs decken, berichtet The Saudi Gazette.

Hierzulande geht die Kampagne gegen die Solarenergie indes munter weiter, von der auf Telepolis in den letzten Wochen wiederholt berichtet wurde (siehe zum Beispiel Deckel für Solarenergie? oder Rohrkrepierer). Sehr beliebt ist dabei die Behauptung, durch den raschen Ausbau der Fotovoltaik würden die Kosten für die Solarstrom-Förderung "explodieren".

Der Spiegel schrieb zu Beispiel letzte Woche, bei durchschnittlichen 27 Cent pro Kilowattstunde (ct/kWh) für Solarstrom seien 2011 insgesamt acht Milliarden Euro an Kosten angefallen, die der Verbraucher zu tragen habe. Hört sich gewaltig an, aber kann das stimmen? Nach einer Schätzung des Bundesverbandes der Solarwirtschaft haben Solaranlagen 2011 18,6 Milliarden kWh Strom geliefert. Multipliziert mit 27 Cent ergibt das fünf Milliarden Euro. Fragt sich also, wie der Spiegel auf acht Milliarden Euro kommt.

Zumal ja fairerweise nicht die vollen 27 Cent - so dieser Mittelwert denn überhaupt stimmt - als Mehrkosten angenommen werden können, sondern mindestens die Gestehungskosten von Kohlestrom abgezogen werden müssen. Nach einer Studie des Forums Ökologisch-Sozialer Marktwirtschaft (FÖS) betrugen diese 2007 für Steinkohle 4,5 und für Braunkohle 3,5 ct/kWh. Gehen wir von durchschnittlich vier Cent aus, dann bleiben für den Solarstrom 23 ct/kWh Mehrkosten oder für 2011 noch 4,28 Milliarden Euro, nur noch etwas mehr als die Hälfte der vom Spiegel behaupteten Summe.

Die wahren Kosten der Fossilen

Aber die genannten Beträge für Braun- und Steinkohle machen natürlich nur einen Teil der Kosten dieser Energieträger aus. Hinzu kommen die Subventionen, die auch diese Industriezweige beziehen, sowie die Umweltkosten. Letztere versucht man mit sogenannten CO2-Emissionszertifikaten abzubilden. Diese Zertifikate werden den Kraftwerksbetreibern zwar geschenkt, von diesen aber den Stromkunden in Rechnung gestellt (Siehe Geschenke für die Energiekonzerne). Sie machen je nach aktuellem Preis etwa 1 bis 3 ct/kWh aus, die zu den Kosten des Kohlestroms hinzukommen.

Und was die Subventionen angeht, so heißt es in einer (im Auftrag der Organisation Germanwatch erstellten und im Mai 2011 veröffentlichen) Metastudie über die Kosten der erneuerbaren Energieträger:

Zwischen 1970 und 2010 subventionierte der Staat die Atomenergie mit 196 Mrd. Euro und Stein- und Braunkohle mit 288 bzw. mit 67 Mrd. Euro. Erneuerbare Energien wurden bislang dagegen nur mit 39 Mrd. Euro gefördert. Der wahre Strompreis unter Berücksichtigung von staatlichen Unterstützungen und Umweltschäden liegt beim fossilen Mix über 12 ct/kWh.

Damit betrüge die Differenz zum vom Spiegel angenommenen mittleren Preis für Solarstrom nur noch 15 ct/kWh, also insgesamt für 2011 noch 2,8 Milliarden Euro. Das wäre lediglich ein gutes Drittel der behaupteten Kosten.

Aber ...

Alles schön und gut, könnte man an dieser Stelle einwenden. Die Mehrkosten sind zwar kleiner, aber sie steigen doch von Jahr zu Jahr erheblich, wenn weiter so viel zugebaut wird. Das stimmt nicht ganz, denn die Vergütungssätze für Neuanlagen wurden erst zum 1. Januar erneut abgesenkt, und zwar um 15 Prozent.

Strom aus Solaranlagen, die zwischen Januar und Juni 2012 ans Netz gehen, wird demnach für die nächsten 20 Jahre nur noch mit 17,94 bis 24,43 ct/kWh vergütet. Die nächste Absenkung erfolgt bereits zum 1.Juli.

Welche jährlichen Stromkosten hätte das zur Folge? Nehmen wir an, dass in den kommenden sechs Monaten Solaranlagen mit einer Leistung von 3500 MW installiert werden, was am oberen Ende des zu Erwartenden läge. Nehmen wir weiter für diese 950 Volllaststunden pro Jahr und einen mittleren Preis von 23 ct/kWh an. Dann ergibt das einen Jahresertrag der im ersten Halbjahr 2012 errichteten Anlagen von 3,325 Milliarden kWh, für die eine Vergütung von rund 765 Millionen Euro bezahlt wird. Wenn man nur die 11 ct/kWh, das heißt, Differenz zum Kohlestrom betrachtet, dann ergeben sich reale Mehrkosten von rund 366 Millionen jährlich für die nächsten 20 Jahre.

Vergütungen schmelzen dahin

Das hört sich nicht unbedingt nach einer Kostenexplosion an. Darüber hinaus wird aber der Vergütungssatz für die jeweiligen Neuanlagen schon am 1. Juli erneut gesenkt werden. Die Höhe der Absenkung ist von der Menge der Neuinstallationen im letzten Quartal 2011 und dem 1. Quartal 2012 abhängig. Nach Angaben des Brancheninformationsdienstes IWR reicht schon der jetzige Abbau für eine Absenkung - Degression im Fachjargon - von 12 Prozent aus. Kommen in den nächsten Monaten weitere 225 MW an Fotovoltaik-Leistung hinzu - wovon auszugehen ist -, dann wird die Vergütung für Neuanlagen ab dem Sommer um 15 Prozent niedriger ausfallen.

Damit würde dann nur noch zwischen etwa 15,3 und 19,8 ct/kWh gezahlt werden. Also wäre die Solarenergie dann schon billiger als die von der Bundesregierung so geliebten Offshore-Windparks. Der Abstand zum Kohlestrom betrüge nur noch 3,3 bis 6,8 ct/kWh und für Hausbesitzer würde es immer attraktiver, sich ein paar leistungsfähige Akkus anzuschaffen und ganz auf Selbstversorgung umzustellen.

Setzt man auch für das zweite Halbjahr einen Zubau von 3500 MW und einen mittleren Preis von 18 ct/kWh an, dann ergeben sich jährliche effektive Mehrkosten gegenüber dem aus fossilen Brennstoffen erzeugten Strom von knapp 200 Millionen Euro. Die tatsächlichen Kosten nehmen als rasch ab. Und sie werden die Gesellschaft maximal 20 Jahre belasten. Bis dahin werden Wind, Sonne und andere erneuerbare Energieträger längst zu billigeren Alternativen herangereift sein, während insbesondere die Steinkohle und Erdgaspreise deutlich steigen werden.

Differenzkosten

Eine ganz andere Frage ist freilich, was den Stromkunden in Rechnung gestellt wird. Die EEG-Umlage, die die Mehrkosten der geförderten erneuerbaren Energieträger von den Verbrauchern eintreiben soll, setzt sich aus den sogenannten Differenzkosten und einer Rücklage zusammen, die die Versorgungsunternehmen seit Neuestem aus den Einnahmen bilden dürfen.

Die Differenzkosten werden aus der im EEG festgelegten Vergütung, die das Gesetz für 20 Jahre garantiert, und dem jeweils aktuellen Strompreis an der Leipziger Börse gebildet. Und an dieser Stelle offenbart sich, wie segensreich unflexible Grundlastkraftwerke für die beteiligten Unternehmen sein können.

Weil diese nämlich auch in Zeiten mit viel Wind oder Sonne nicht runtergefahren werden, kommt es an der Leipziger Börse mitunter zu einem Überangebot - zuletzt vorige Woche in der Nacht von Mittwoch auf Donnerstag, als Orkan "Andrea" aufzog. Da kann es denn schon mal passieren, dass Großkunden Geld gezahlt wird, damit sie deutschen Strom abnehmen. Bezahlt wird das letztlich von den privaten Stromkunden über die EEG-Umlage, denn die negativen Börsenpreise treiben die Differenzkosten in die Höhe.

Dürre hält an

Derweil gibt es auch vom Klima wenig Gutes zu berichten. In den USA ist es nun amtlich, dass die bereits seit dem Herbst 2010 anhaltende Dürre im US-Bundesstaat Texas das bisher schwerste Ereignis dieser Art für diesen Staat ist. Medienberichten zufolge war 2011 sogar das niederschlagsärmste Jahr seit dem Beginn der Aufzeichnungen.

Zugleich war das Jahr aber auch eines der wärmsten. 19,56 Grad betrug die Temperatur im Jahresdurchschnitt. Das hört sich auf den ersten Blick nicht nach viel an, aber man muss bedenken, dass dieser Wert über Tag und Nacht und das ganze Jahr gemittelt ist. Es verbergen sich hinter ihm also zahllose Tage mit extremer Hitze, die den wenigen Niederschlag schneller verdunsten ließ. 1917 hingegen, als es fast genauso wenig geregnet hat, war es mit 18,27 Grad Celsius um immerhin 1,3 Grad kühler, wie die Daten der US-Wetterfrösche zeigen.

Die Kosten der Dürre gehen in die Milliarden. Nach Angaben der Zeitung The Statesman wurden sie im Sommer letzten Jahres auf 8,2 Milliarden US-Dollar für die ganze Zeit der Dürre geschätzt. Mais- und Weizenanbau sowie Rinderzucht leiden dramatisch unter der Trockenheit, deren Ende noch lange nicht in Sicht ist.

Aus für Ethanol-Subventionen

Und zu guter Letzt die gute Nachricht der Woche: Der US-Kongress hat die Subventionen für Ethanol aufgehoben, berichtet die New York Times. Jenseits des Atlantiks wird der aggressive Benzinersatz im großen Maßstab aus Mais gewonnen. Nach den Daten der US Energy Information Agency wurden zuletzt 2010 316,6 Millionen Barrel Ethanol produziert. Im Jahre 2000 waren es erst knapp 40 Millionen Barrel jährlich gewesen und besonders in den letzten Jahren ist die Jahresproduktion rasant angestiegen. 2011 dürfte sie noch einmal über dem Vorjahreswert gelegen haben.

Ethanol wird für gewöhnlich dem Benzin in unterschiedlichen Verhältnissen beigemischt. Seine Befürworter behaupten, seine Verbrennung würde weniger Treibhausgasemissionen verursachen als der Einsatz fossiler Treibstoffe. Das ist allerdings umstritten, denn bei der Bearbeitung der Böden sowie der Ernte werden Dieselmaschinen eingesetzt, die mit fossilen Brennstoffen betrieben werden. Außerdem können durch die Düngung, insbesondere wenn sie unsachgemäß geschieht, signifikante Mengen des hochwirksamen Treibhausgases N2O freigesetzt werden. Schließlich wird für die großtechnische Herstellung von Ethanol relativ viel elektrische Energie benötigt. Falls diese aus Kohlekraftwerken stammt, wie es in den USA besonders wahrscheinlich ist, verschlechtert dies die Klimabilanz des Treibstoffs zusätzlich.

Insofern ist es bedauerlich, dass auch nach dem Wegfall der Subventionen von jährlich etwa fünf bis sechs Milliarden US-Dollar der Anreiz für die Ethanolproduktion nicht gänzlich wegfällt. Zum einen gibt es in den USA weiterhin eine Beimischungspflicht für die Mineralölkonzerne. Zum anderen wird die heimische Produktion durch neu eingeführte Importzölle geschützt, die sich gegen die günstigere brasilianische Konkurrenz richten.

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