Chicago Boys im hellenischen Chicago

Der skeptisch aufs Prinzip Hoffnung setzende EU-Task-Force-Chef Horst Reichenbach. Bild: W. Aswestopoulos

In Griechenland kommen mafiöse Strukturen, die in die Politik und die Finanz- und Sicherheitsbehörden reichen, ans Licht

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Trotz offensichtlichen Scheiterns der bisherigen Pläne soll Griechenland weiterhin streng nach der ökonomischen Theorie der Chicagoer Schule gerettet werden. Wie man in einem Pleiteland trotzdem noch viel Geld verdienen kann, das haben derweil im nordgriechischen Thessaloniki einige Anhänger eines anderen berühmten Einwohners Chicagos bewiesen. Ebenso wie ihr großes Vorbild Al Capone haben sie sich jedoch auch erwischen lassen. Dass Griechenland weiterhin für die Verzögerung der offiziellen Pleiteverkündung kämpft ist dank vielfältiger Wiederholung der Beschreibung des ewigen Chaos schon fast keine Nachricht mehr. Aber dass sich in der Pleite die wahren Machenschaften der Mächtigen zeigen, gibt genügend Material für Kriminalgeschichten und eventuell sogar Drehbuchvorlagen.

In Griechenland wird mit den Privatinvestorenvertretern um Charles Dallara über den dringend notwendigen Schuldenschnitt, das so genannte PSI, verhandelt. Immer wieder werden dabei die Verhandlungen abgebrochen. Tatsächlich handeln jedoch nicht die griechischen Regierungsvertreter. Vielmehr weigert sich die IWF-EZB-EU-Troika, den seitens der Privatinvestoren geforderten Bedingungen ihren Segen zu geben.

Die Troikaführung ist im Lande und gibt in allen Bereichen mit ihren Forderungen den Takt an. Über die gemäß den im November beschlossenen Koalitionsvereinbarungen für den 19. Februar 2012 angesetzten Wahlen wird kaum mehr diskutiert. Es scheint, als habe man sich mit einer Verschiebung in den Herbst abgefunden.

Auch der von der EU zur Rettung des Landes entsandte Task-Force-Chef Horst Reichenbach setzt immer mehr auf das Prinzip Hoffnung. Er hat erkannt, dass die Belastungen der Bürger Griechenlands bereits jetzt, verglichen mit den übrigen Krisenländern, um ein Vielfaches höher sind. Mit diesem von der Regierung immer noch eingehaltenen Kurs sieht er keinen Spielraum für Investitionen.

Mani pulite Thessaloniki

Hohe Zinssätze und Investitionen anderer Art beschäftigen derweil die griechische Öffentlichkeit. Ein politischer Witz besagt, dass die PSI-Verhandlungen ein ums andere Mal scheitern, weil die Privatinvestoren Wind davon bekommen haben, wie viel Geld und Zinsen man den Hellenen abknöpfen könnte.

Mindestens eine Milliarde Euro soll laut Anklage ein mafiöser Geldverleiherring in Nordgriechenland erwirtschaftet haben. Die in vier Untergruppen aufgeteilten Gauner handelten mit Griechenlands knappster Ware: Geld. Sie verlangten von ihren Opfern für ihre Kredite Zinsen zwischen zehn und teilweise mehr als achtzig Prozent pro Jahr. Dabei schreckten sie natürlich auch nicht vor massiver Gewaltanwendung zurück.

Einem Opfer, einer Dame mittleren Alters, kündigte Karamperis persönlich für den Fall des Nichtbegleichens der Rechnung den "Einakter vonThukydides" an. Der berühmte Athener Geschichtsschreiber und Periklesbiograph hatte jedoch nie ein Theaterstück geschrieben. Dies wusste die Angerufene und fragte nach. "Weißt Du, Odysseus war viele Jahre weg und während dieser Zeit sind siebzehn Farbige über seine Penelope hergefallen und haben sie mehrfach vergewaltigt, so dass sie zahlreiche kleine Farbige geboren hatte", war die knappe, eindeutig drohende Antwort, die eben so wie 3.500 weitere Gespräche von Fahndern auf Band aufgezeichnet wurde.

Die meisten Opfer gerieten aufgrund der Wirtschaftskrise in die Fänge der Wucherer. Denn sofort nach Bekanntwerden der misslichen Lage des griechischen Staatshaushalts drehten die Banken der Privatwirtschaft im Gegensatz zu den weiter munter mit Krediten versehenen Parteien den Geldhahn zu. Deshalb versuchten einige den, wie sie annahmen, kurzfristigen finanziellen Engpass mit einem Privatkredit zu überbrücken. Anderen wurde zum Verhängnis, dass ein Großteil der griechischen Inlandsgeschäfte über Wechsel abläuft. Gerät so ein ausgegebener Wechsel in falsche Hände und besteht zum Beispiel auf Grund des Zahlungsausfalls eines Kunden ein Engpass, dann schnappt die Falle zu.