Für einen FDP-Bundestagsabgeordneten ist die Medienhetze Schuld am Zustand der Partei

Der Politiker ruft die Anhänger der auf 2-3 Prozent geschrumpften Partei zur Medienabstinenz auf, um dem Positiven Geltung zu verschaffen

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Von Politikern hört man gerne immer wieder die Behauptung, wenn sie Niederlagen erleiden, sie hätten eigentlich alles gut gemacht, es sei nur nicht richtig kommuniziert worden. Das wird dann auch gerne den Medien in die Schuhe geschoben. Gerne wird von "Unschuldigen" und ihren Verteidigern auch von Medienkampagnen oder -hetzen gesprochen. Das war so etwa bei Guttenberg oder Wulff, aber auch bei den Liberalen.

Nun hat sich der sächsische Bundestagsabgeordnete Joachim Günther, der die FDP, die alles richtig macht, durch die Medien verunglimpft sieht, entschlossen aufgemacht, um das zu ändern. Dazu hat er einen Aufruf unter dem Titel "Medienhetze ignorieren? Ich bin so frei" auf seiner Webseite veröffentlicht. Das wird dem Liberalen persönlich einmal Aufmerksamkeit bringen, vermutlich aber wieder nur in dem Sinne, den der Abgeordnete als "Medienhetze" bezeichnet. Veröffentlicht wurde der Text bereits am 11. Januar, allerdings ist erst jetzt die offenbar viel beachtete Webseite in den Blick der Sächsischen Zeitung geraten - und damit auch die Medienschelte des unglücklichen Liberalen.

Günther versteckt sich zunächst einmal hinter Bundespräsident Wulff, "den die Journalistenmeute wie einen räudigen Fuchs über sämtliche Titelblätter und durch alle Fernsehsendungen hetzt, weil er Vergünstigungen in Anspruch genommen haben soll". Das würde doch auch sonst alle machen, Journalisten eingeschlossen. Mit Interesse liest man, dass die "Medien mit linksgrüner Hysterie-Berichterstattung immer mehr zur 1. Gewalt im Staat" würden. Da ist man dann von Wulff, der auch in der linksgrünen Springer-Presse angegangen wurde, irgendwie zu der Behauptung vorgedrungen, die Medien hätten "uns vorübergehend suggerieren (können), dass man in Deutschland nicht einmal mehr einen neuen, modernen Bahnhof bauen darf. Von verschiedensten Brücken-, Straßen-, Stromtrassen-Bauvorhaben ganz zu schweigen."

Da ist dann offenbar auch die FDP mit unter die Räder gekommen. Günther lamentiert, die Medien würden die Politik der Liberalen etwa bei der Finanztransaktionssteuer oder der Vorratsdatenspeicherung falsch darstellen, wobei hier Medien durchaus unterschiedliche Positionen haben können. Aber der Liberale wittert anderes, man könnte fast schon vermuten, er hänge einer liberalen Verschwörungstheorie an, die den bedauernswerten Zustand der FDP auf den konzertierten Angriff der Medien zurückführt, die zudem, ein ganz neuer Vorwurf, nur immer das Negative verfolgen, anstatt über das Gute zu berichten, das die FDP den Deutschen gebracht hat:

Wer stoppt diesen Kampagnen-Wahnsinn? Solange wir als Zeitungsleser, Radiohörer und Fernsehzuschauer uns weiter so an der Nase herumführen lassen, wird sich nichts ändern. Solange werden uns weiter in der Hauptsache Negativschlagenzeilen vorgesetzt und Berichte, die den Hauch eines Skandals haben - aus der Welt- und Bundespolitik übrigens ebenso wie aus dem lokalen Geschehen.

Joachim Günther

Und dann hat der Abgeordnete aus der Partei, die gegenwärtig nach den Umfragen noch einen den Medienkampagnen geschuldeten Rückhalt bei 2-3 Prozent der Wähler hat, eine kreative und äußerst realistische Idee, um Deutschland wieder mit der FDP an der Spitze zum "Dichter- und Denkerland, dem Land des Fortschritts und der Entwicklung" zurückzuführen:

Nun kann man unmoralische und unfähige Journalisten nicht einfach zum Rücktritt auffordern. Wohl aber kann man Zeitungen abbestellen, Radio- und Fernsehsender nicht mehr einschalten. Ich bin sicher, dann würde sich einiges ändern im medialen Bereich. Das erfordert aber Einigkeit unter den Konsumenten und ein gewisses Maß an Werten. Aus meiner Sicht geht es um Humanität, Demokratie und Selbstachtung.

Joachim Günther

Man wird also gespannt sein, ob Günther unter den wenigen noch verbliebenen Anhängern der werteorientierten FDP eine Massenbewegung einleiten kann, die Medienverzicht übt. Das wäre sicher vorteilhaft für die FDP, weil dann das Negative nicht mehr zur Kenntnis genommen würde. Allerdings würde sich dann auch das von der FDP gelieferte Gut nicht verbreiten, wenn denn die Liberalen nicht ihre eigenen Medien einrichten, die "das Positive, das wir in unserer Gesellschaft haben, wieder mehr in den Vordergrund" rücken. Ob die Kollegen des innovativen Abgeordneten sich über den neuen Vorschlag aus der FDP-Bundestagsfaktion freuen werden und sich die FDP damit wieder besser darstellt, darf bezweifelt werden.