Verschärfte Sanktionen gegen Iran

Keine neuen Ölverträge, Ausschluß der iranischen Zentralbank von Geschäften: Kommt der Westen damit weiter?

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Die Außenminister der EU-Staaten haben sich offenbar auf ein Ölembargo gegen Iran geeinigt. Altverträge sollen am 1.Juli enden, neue Verträge soll es nicht geben. Darüberhinaus einigte man sich auf Sanktionen gegen die iranische Zentralbank. Bis Anfang Mai will man die Auswirkungen der Sanktionen auf EU-Mitgliedstaaten überprüfen.

Die EU-Außenminister versprechen sich von ihrer Entscheidung ein starkes Signal an die iranische Führung. Die Entscheidung, die seit Wochen vorbereitet wird, verschafft den Außenministern Aufmerksamkeit, gute Fototermine und zitierfähige Aussagen, die Klarheit und Bestimmtheit in einer Situation vortäuschen, die genau durch das Gegenteil gekennzeichnet ist: durch Vermutungen und Spiele mit doppeltem Boden. Der britische Außenminister Hague spricht von "beispiellosen" Sanktionen und Guido Westerwelle gibt sich weltpolitisch besorgt als Mann der Tat:

Es geht darum, dass wir nicht akzeptieren können, dass der Iran nach der Atombombe greift. (...)Und das ist nicht nur eine Frage der Sicherheit für die Region, das ist eine Frage der Sicherheit für die gesamte Welt. Und deswegen müssen wir beherzt reagieren, das macht niemand gerne.

Ob aber die Sanktionen, die laut FAZ zum ersten Mal nicht auf den Nuklearsektor zielen, "sondern auf die Wirtschaftskraft Irans", tatsächlich der "Sicherheit der Welt" dienen?

Es ist nicht zwangsläufig so, dass sich die iranische Führung durch die Reihe von schärferen Sanktionen, zum gewünschten Einlenken bewegen lässt. Zumal sie als eine Art Wirtschaftskrieg verstanden werden können, was nicht unbedingt zu entgegenkommenden Schritten auffordert. Sucht der Westen tatsächlich, wie immerzu betont wird, Kooperation? Oder doch, wie sich seit Monaten zeigt, ganz im Gegenteil vor allem Konfrontation?

Was die Bereitschaft zu Gesprächen anbelangt, so hat Iran dies bereits zu erkennen gegeben und in den letzten Tagen erneut betont, wie dies in der Nachrichtenagentur Fars nachzulesen war. Anscheinend wird dies aber von westlicher Seite nicht ernst genommen. Man erwartet mehr: die Einwilligung Irans über heikle Punkte des Nuklearprogramms zu reden. Doch wird die Frage, ob Iran an Atomsprengköpfen arbeitet, vermutlich von iranischer Seite zu keinem absehbaren Zeitpunkt auf eine für den Westen befriedigenden Weise beantwortet werden. Selbst wenn sich iranische Vertreter darauf einließen, den Fragenkatalog zum letzten IAEA-Bericht zu beantworten, so würde aller Wahrscheinlichkeit nach das Misstrauen auf westlicher Seite bleiben.

Es gibt immer Lücken. Und es gibt Grenzen des Einlenkens: Wie könnte Irans Führung, die immer - mit Berufung auf die religiöse Grundlagen des Staates - betont hat, dass das Nuklearprogramm nur auf zivile Nutzung ausgerichtet ist, gegenüber der iranischen Öffentlichkeit Zweifel an diesen Bekundungen, die immerhin von der höchsten geistlichen Autorität ausgesprochen wurden, aufkommen lassen?

Latente Amtommacht?

Möglich ist, dass Iran eine sogenannte latente Atommacht sein will, dass man dazu imstande sein will, sich jederzeit atomar zu bewaffnen. Annahmen des israelischen Geheimdienstes, die kürzlich veröffentlicht wurden, deuten darauf hin:

The intelligence assessment Israeli officials will present later this week to Dempsey indicates that Iran has not yet decided whether to make a nuclear bomb. The Israeli view is that while Iran continues to improve its nuclear capabilities, it has not yet decided whether to translate these capabilities into a nuclear weapon - or, more specifically, a nuclear warhead mounted atop a missile. Nor is it clear when Iran might make such a decision.

Der Druck aus dem Westen, die Unsicherheit, das Gefühl der Bedrohung, das durch ständige öffentliche Äußerungen zu einem möglicherweise bevorstehenden Luftangriffs auf Iran (aktuellstes Beispiel: Netanyahu: Israel will not give US warning before strike on Iran) genährt wird - und das Beispiel des vorsichtigen Umgangs mit dem atomar bewaffneten Nordkorea - liefern den militärisch gesinnten Nationalisten in Iran viele Gründe, um tatsächlich an einem heimlichen Atomwaffenprogramm zu arbeiten.

Wenn dem so wäre, eindeutige Beweis dafür stehen noch aus, so sollten die westlichen Verbündeten alles versuchen, um dieses Programm zu bremsen - auch dieses Argument ist öfter zu lesen. Der Iran müsse spüren, wie teuer ihm solche Aktivitäten kämen. Das soll der iranischen Führung auch mit Hintergrundmanövern - Stuxnet, Explosionen in Militäranlagen, Anschläge auf Wissenschaftlern - verdeutlicht werden, mit Einschüchterungen - US-Flugzeugträger im persischen Golf - und mit immer schärferen Sanktionen. Die allerdings nicht so leicht durchzusetzen sind und auch Türen für Hintergrundmanöver offenhalten, da, zumindest bislang, nur Staaten betroffen sind und nicht private Unternehmen.

Schwer umzusetzende Sanktionen - Wahlkampf

5,8% des EU-Ölbedarfs stammen aus dem Iran, heißt es. Und Länder, die besonders von Öleinfuhren aus Iran abhängen, wie Griechenland, Italien oder Spanien geht es wirtschaftlich sehr schlecht. Das Öl-Embargo trifft sie besonders; Ausweichmanöver sind vorprogrammiert. Wie auch, was das von USA initiierte Ölembargo betrifft, bei Südkorea und Japan (vgl. dazu auch Ein schwer umzusetzendes Embargo).

Man wird den Eindruck nicht los, dass anstehende Wahlen bei der Angelegenheit eine große Rolle spielen. Obama will sich im Wahlkampf als durchsetzungsfähiger Politiker präsentieren, der es sich gegen Gingrich oder Romney nicht leisten kann, in Zusammenhang mit Iran nochmals von einer ausgestreckten Hand zu reden. Und in Iran stehen dieses Jahr ebenfalls Wahlen an - und irgendwie scheint man in politischen Kreisen in Washington die Annahme zu hegen, die iranische Führung ließe sich rechtzeitig destabilisieren.