Indonesischem Atheisten drohen fünf Jahre Haft für Gottesleugnung

Grundlage der von den Ulema-Religionswächtern erhobenen Vorwürfe ist ein Facebook-Posting

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Der 31-jährige Alexander A. arbeitet bei der lokalen Entwicklungsplanungsbehörde Bappeda im indonesischen Pulau Punjung im Westen der Insel Sumatra. In seiner Freizeit moderierte die von ihm gegründete Facebook-Seite Ateis Minang (Minang-Atheist), auf der er unlängst die für europäische Verhältnisse seit Ludwig Feuerbach nicht weiter bemerkenswerte Meldung "Gott existiert nicht" postete.

Nun befindet er sich in Gewahrsam der Polizei des Bezirks Dharmasraya. Diese meint zwar, die Maßnahme diene vor allem dem Schutz A.s (der nach eigenen Angaben in seinem Büro von einem religiösen Mob körperlich angegriffen wurde), gesteht aber auch ein, dass gegen ihn auch wegen einer Übertretung des Blasphemieverbots in Artikel 156 a des indonesischen Strafgesetzbuchs ermittelt wird. Dort heißt es, dass mit bis zu fünf Jahren Gefängnis bestraft wird, wer in der Öffentlichkeit eine Meinung äußert oder eine Tat vollbringt, die "Hass schürt" oder eine anerkannte Religion "entwürdigt".

Religionen in Indonesien. Karte: Telepolis.

Die durch das Pancasila-Prinzip eingeschränkte Glaubensfreiheit erlaubt in Indonesien nur monotheistische Religionen, wozu pragmatischerweise auch Hinduismus und Buddhismus gerechnet werden. Viele Dayak, Papua und andere Minderheiten führt man offiziell als Christen oder Moslems, auch wenn sie in ihren Vorstellungen und Gebräuchen eher dem jeweiligen Volksglauben anhängen. Darüber hinaus nahm auch ein beträchtlicher Teil der Han-Atheisten, die vor allem in den Städten siedeln, formal den Status von Christen an. Alexander A. gehört jedoch (trotz seines Vornamens) nicht dieser Gruppe an, sondern den Minang, einem etwa sieben Millionen Menschen zählenden Bergvolk aus Westsumatra, das den Islam annahm, aber Bräuche wie ein matrilineares Erbrecht beibehielt.

Polizeikommandant Chairul Aziz teilte dem Jakarta Globe auf Anfrage mit, der Tatbestand der Blasphemie sei im Fall Alexander A.s möglicherweise deshalb erfüllt, weil der Atheist versucht habe, seine Aussage in der mittlerweile nicht mehr zugänglichen Meldung mit Zitaten aus dem Koran zu belegen, wodurch er den Islam "entwürdigt" habe. Hinter den Anschuldigungen stehen Aziz zufolge der Ulema-Religionsgelehrtenrat (Majelis Ulama Indonesia - MUI) und andere islamische Organisationen. Man wolle nun Empfehlungen des indonesischen Religionsministeriums und der Religionsbehörde von Westsumatra abwarten und dann entscheiden, ob A. offiziell angeklagt wird oder nicht.

Ifdhal Kasim, der Vorsitzende der indonesischen Menschenrechtskommission Komnas HAM, machte darauf aufmerksam, dass der Ulema-Rat keine staatliche Einrichtung ist und appellierte an die Polizei, neutral zu bleiben und das Gesetz nicht subjektiv auszulegen. Im indonesischen Web ist die Meinung dagegen geteilt: Auf der einen Seite fordern säkulare Indonesier dazu auf, sich öffentlich zum Nichtglauben zu bekennen, weil die Behörden schließlich nicht alle einsperren könnten, auf der anderen sammelt die Facebook-Seite Gerakan 10,000 Urang Minang Memblokir Ateis Minang religiöse Unterstützer im Halbmondzug gegen den Inhaftierten.

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