ZDF-Umfrage: Deutsche wollen Geheimdienst-Morde zur Gefahrenabwehr

Besonders junge Deutsche sprechen sich für gezielte Tötungen aus

Der folgende Beitrag ist vor 2021 erschienen. Unsere Redaktion hat seither ein neues Leitbild und redaktionelle Standards. Weitere Informationen finden Sie hier.

Eine repräsentative Telefonumfrage des ZDF, die die Forschungsgruppe Wahlen vom 2. bis zum 8. November des vergangenen Jahres durchführte, bringt eine ebenso erstaunliche wie erschreckende Erkenntnis über die Einstellung der Deutschen zu ihren Geheimdiensten zu Tage. Laut der Umfrage möchte die Mehrheit der Deutschen, nämlich 54 Prozent, dass deutsche Geheimdienstagenten zur Gefahrenabwehr töten dürfen.

Die Fragestellung der Umfrage, die Telepolis vorliegt, lautet dabei: "Sollten deutsche Geheimagenten zur Abwendung von großen Gefahren, z.B. Terroranschlägen, töten dürfen oder sollten sie das nicht?" Durchgeführt wurde sie für die morgige Folge der Dokureihe ZDFzeit, die sich unter dem Titel Der Spion, den ich liebte mit "Klischees und Wirklichkeit" der Geheimdienste auseinandersetzen will.

Das Umfrageergebnis zeigt, wie stark die Angst vor dem Terrorismus, die auch von eifrigen Innenpolitikern immer wieder gern geschürt wird, um neue Sicherheitsgesetze und Einschränkungen der bürgerlichen Grundrechte zu begründen, das Denken der Bevölkerung prägt: Insbesondere junge Menschen, die seit dem 11. September mit den ständigen Terrorwarnungen konfrontiert wurden, haben offenbar keine Bedenken den Geheimdiensten eine Lizenz zum Töten auszustellen.

70 Prozent der Befragten bis zu 24 Jahren sprechen sich klar für ein Recht der Agenten zum Töten aus, lediglich ein Viertel von ihnen lehnt dies ab. Die geringste Zustimmung erhalten Geheimdienstmorde durch die Generation der 24-29-Jährigen. Zwar wollen auch in dieser Altersgruppe 47 Prozent der Befragten den Agenten das Morden erlauben, allerdings ist die Ablehnung mit immerhin 48 Prozent in dieser Altersgruppe auch am größten. Die größte Gleichgültigkeit hat sich offenbar in der Altersgruppe der 29-39-Jährigen breitgemacht. Dort haben 17 Prozent der Befragten keine klare Meinung zu dieser Frage.

Auffallend ist, dass besonders Männer Tötungen durch Geheimdienstagenten befürworten. 62 Prozent stimmen der Frage des ZDF zu. Nur 27 Prozent der Männer lehnen Tötungen ab. Bei den Frauen sind immerhin 41 Prozent gegen derartige Tötungen, trotzdem ist die Zustimmungsrate mit 47 Prozent sehr hoch.

Einen bedeutenden Unterschied zwischen dem Osten und dem Westen gibt es der Umfrage zufolge nicht. Sowohl die Zustimmung (West: 54 Prozent, Ost: 57%) sowie die Ablehnung (West: 35 Prozent, Ost: 31 Prozent) liegen dicht beieinander. Zu beachten ist auch, dass im Osten insgesamt lediglich 199 Menschen befragt wurden, so dass die Differenz hier möglicherweise mit Vorsicht zu betrachten ist.

Bessere Bildung führt der Umfrage zufolge nicht zu Kritik an rechtsstaatlich fragwürdigen Methoden wie Geheimdienstmorden. So wünschen sich 52 Prozent der Hauptschulabsolventen tötende Agenten, Hochschulabgänger befürworten Geheimdienstmorde zu 50 Prozent.

75 Prozent der Deutschen sind der Ansicht, dass Deutschland einen Geheimdienst bräuchte. Die Umfrage leitet daraus fälschlicherweise ab, dass diese 75 Prozent den BND für notwendig halten, ohne zu berücksichtigen, dass Deutschland auch weitere Geheimdienste wie den Militärischen Abschirmdienst (MAD) und den Verfassungsschutz unterhält. Doch selbst die Hälfte jener, die einen Nachrichtendienst für nicht notwendig halten, wollen, dass seine Agenten im Einsatz auch töten dürfen. Ein Geheimdienst, der nicht einmal morden darf, scheint den Deutschen offenbar wenig wert zu sein.

Als Arbeitgeber allerdings scheint der BND nicht sonderlich attraktiv zu sein: Nur 15 Prozent können sich vorstellen für den Dienst zu arbeiten. 82 Prozent lehnen das ab. Allerdings sind junge Menschen deutlich eher bereit, Agent zu werden. Rund jeder Vierte der bis zu 29-Jährigen kann sich das vorstellen. Wer aber beim BND arbeiten will, der wünscht sich auch das Recht zu töten - immerhin 71 Prozent des potentiellen BND-Nachwuchses setzen sich dafür ein.

Die Umfrage, die vor dem Auffliegen der NSU durchgeführt wurde, zeigt: Wenn es um abstrakte Gefahren wie Terrorismus geht, sind viele Deutsche offenbar gern bereit, selbst grobe Verletzungen der Menschenrechte und des Rechtsstaatsprinzips klaglos über Bord zu werfen.