Solarstrom: Viel zu viel Intervention

2100 kWh Solarstrom pro kW-Peak pro Jahr, davon kann man hierzulande nur träumen. Die direkte Einstrahlung im Süden macht zudem, im Gegensatz zu unseren Breiten, auch den Betrieb von solarthermischen Konzentratorkraftwerken möglich. Trotz dieser idealen Voraussetzungen für die Nutzung der Sonnenenergie schaltet die spanische Regierung jetzt ab. Bild: Europäische Kommission

Die Energie und Klimawochenschau: Feilschen um die weitere Demontage des EEG bei uns, totaler Solarstopp in Spanien, britische Kürzungen werden vor Gericht wieder revidiert und die WTO gibt der Diskussion um Solarprotektionismus eine unerwartete Wendung

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Der Solarstrom-Poker geht weiter. Mit seinem kompletten Halt für Photovoltaik- und Solarthermieanlagen führt Spanien vor, wie man es nicht machen sollte. Die britische Regierung unterliegt derweil mit ihren teils rückwirkenden Kürzungen vor Gericht und in Kanada streiten World Trade Organization (WTO) und Solarindustrie exemplarisch, wie die Wertschöpfung der Solarbranche möglichst im eigenen Land bleibt, ohne das Tabu des Freihandels zu brechen.

Bei uns wird seit letzter Woche gefeilscht, wie weit das Erneuerbare-Energien-Gesetz für Photovoltaikanlagen deformiert oder gar ganz abgeschafft werden soll. Währenddessen führt die spanische Regierung vor, wie schlechte Energiepolitik maximalen Schaden anrichten kann.

Die neue Regierung stoppt nämlich die Vergütung für Solarstrom komplett, egal ob aus Photovoltaik- oder solarthermischen Kraftwerken. Dabei hat das Land mit einem jährlichen Solarangebot von bis zu 2.500 kWh/m² sehr gute Bedingungen für die Sonnenenergienutzung, doch von Anfang an übersteuerte die Politik mit wenig durchdachten Eingriffen. Zu Beginn mit außerordentlich hohen Vergütungssätzen, jetzt plötzlich wieder mit einem völligen Stopp der Vergütung von Solarstrom.

Dabei sah auch das spanische Einspeisegesetz ursprünglich vor, dass die Degression im Einklang mit den sinkenden Anlagenpreisen stattfinden und so kontinuierlich um bis zu 10% pro Jahr abgesenkt werden soll. Doch die neue, seit November amtierende Regierung hat jetzt mit frischem Elan die Vergütung für Solarstrom aus neuen Anlagen ganz gestoppt - wen erinnert das nicht an das Szenario in Deutschland?

Die damals hohe spanische Einspeisevergütung hatte 2006 zu einem Zubau von 2,6 GW geführt, aber sowohl das extremen Wachstum, als auch die abrupten, teils auch rückwirkenden Tarifänderungen sind Beispiele dafür, wie Vergütung nicht gestaltet werden sollte. Mit dem aktuellen Moratorium kommt nun nicht nur der Ausbau der Photovoltaik, sondern auch der solarthermischen Stromerzeugung (Concentrating Solar Power, CSP) zum Erliegen. Dabei hatte Spanien gerade erst die größte CSP-Kapazität der Welt erreicht und ist zu einem Vorzeigeland auch für weitergehende Projekte wie Desertec geworden.

José Manuel Soria, Minister für Industrie, Tourismus und Handel (MITyC), teilte mit, dass Strom aus neuen Photovoltaik- und solarthermischeen Kraftwerken bis auf weiteres nicht mehr vergütet wird. Nur Anlagen, die bereits in Bau oder am Netz sind, seien vom Vergütungsstopp ausgenommen. Wohl in der Hoffnung, den Schaden, der durch diese Entscheidung eintreten wird, etwas zu mildern, sagte Soria, die Entscheidung habe keinen endgültigen Charakter, man wolle lediglich "ein staatliches Defizit im Energiesektor" verhindern und die Zeit des Moratoriums nutzen, um den Strommarkt zu reformieren. Außerdem gefährde doch die Maßnahme weder die Versorgungssicherheit Spaniens noch das Erreichen der EU-weiten Ziele für erneuerbare Energien - eine ambitionierte Energiepolitik sieht anders aus.

Großbritannien - Gerichte korrigieren die schlechte Energiepolitik

Auch die britische Regierung hatte im Dezember die Einspeisetarife im Eilverfahren teilweise um die Hälfte gekürzt. Dagegen haben mehrere Unternehmen geklagt und bisher in zwei Instanzen Recht bekommen. Doch die britische Regierung will ihren Fehler nicht eingestehen und plant, Einspruch gegen die Entscheidung einzulegen. Gleichzeitig bereitet sie ein Gesetz vor, mit dem auch im Fall einer erneuten Niederlage die gewünschten Kürzungen durchgesetzt werden sollen.

Die britische Regierung unterlag jetzt zum zweiten Mal, diesmal in der Berufungsinstanz vor dem "Court of Appeal", der damit die Entscheidung des obersten Gerichts bestätigte, nach der die umstrittenen Kürzung der Einspeisetarife zum 12. Dezember 2011 in Großbritannien unrechtmäßig war. Die Regierung hatte die Tarife im Dezember teilweise um 50 Prozent gekürzt. Das oberste Gericht des Landes hatte diese Entscheidung gestoppt, weil die Kürzung noch vor dem Ende der laufenden Beratungsfrist über das entsprechende Gesetz in Kraft treten sollte.

Geklagt hatten Solarcentury, Friends of the Earth und HomeSun. Jeremy Leggett von Solarcentury sagte, das die Gerichtsentscheide der Solarindustrie zumindest eine Gnadenfrist geben und die alten Einspeisetarife für kleine gebäudeintegrierte PV-Anlagen von 43,3 Pence so zumindest noch bis zum 3. März 2012 gelten können. Man hätte lieber mit der Regierung zusammengearbeitet, aber der Energieminister hätte ihnen im Oktober 2011 mit dem Setzen einer nur sechs Wochen dauernden Frist keine Vorlaufzeit gelassen, bestehende Verträge mit Solarkunden hätten so nicht eingehalten werden können und das Vertrauen in die Solarunternehmen wäre zerstört worden. Allerdings mussten die klagenden Unternehmen sich selbst durchsetzen. Vom britischen Photovoltaikverband British Photovoltaic Association (BPVA) bekamen sie keine Unterstützung. Stattdessen hatte der Verband das britische Ministerium für Energie und Klimawandel (DECC) im Streit um die Einspeisetarife unterstützt. Solarcentury zieht aus diesem Verhalten des BPVA jetzt Konsequenzen und tritt aus dem Verband aus. (

Die britische Regierung wollte die Einspeisevergütung im Eilverfahren um jeweils rund 50% verringern. Die Entscheidung wurde jetzt zum zweiten Mal hintereinander vom Gericht gekippt. Die Gnadenfrist läuft aber nur bis März. Hintergrundbild von der Demo vor dem High Court: Friends of the Earth. Grafik: M. Brake

Kanada - WTO will mitmischen

Auch die Diskussion um nationalen Protektionismus und Dumpingpreise bei Solarkomponenten nimmt jetzt eine neue unerwartete Wendung. Während Deutschland und die USA asiatischen Herstellern staatlich subventionierte Billigpreise vorwerfen, hat nun nach Italien, das bereits Anlagen mit "Made in EU"-Komponenten vergütungsmäßig besserstellt, nun auch der Bundesstaat Ontario "kanadische" Solaranlagen bessergestellt als importierte. Ontario fördert den Ausbau der Photovoltaik mit höheren Einspeisetarifen - vorausgesetzt, ein Großteil der Wertschöpfung bleibt in der Region.

Eigentlich ist das genau das, was in Europa und den USA auch geplant wird. Dennoch sind es jetzt nicht chinesische Hersteller, sondern Japan und die EU, die gegen den kanadischen Protektionismus klagen. Die Welthandelsorganisation (WTO) will jetzt die beiden Beschwerden bei der Verhandlung vor ihrer Schiedsstelle zusammenlegen. Die Entscheidung wird Auswirkungen auch auf die Pläne nach mehr Protektionismus auch bei uns haben.

Der US-amerikanische Modulherstellerverband Coalition for American Solar Manufacturing (CASM) hat sich bereits festgelegt und das US-Handelsministerium aufgerufen, rückwirkend zum 15. November Zölle auf chinesische Solarprodukte einzuführen. Als Begründung wird auf die steigenden Importe aus China hingewiesen. Als Beispiel nennt die Organisation Importe von Wuxi Suntech Power, die im November um 76 Prozent zugelegt hätten. CASM hat jetzt bei der US-Regierung eine Petition gegen die "Dumpingpraxis chinesischer Hersteller" eingereicht. Interessant dabei ist, dass eines der Gründungsmitglieder des CASM die US-Tochter der deutschen Solarworld AG ist.

Deutschland - Vergütungseinschnitt kommt zum 1. April

Bei den laufenden Verhandlungen in Deutschland ist bisher nur klar, dass der nächste Vergütungsschnitt um 3 Monate vorgezogen und nun zum 1. April 2012 kommen wird. Was darüber hinaus den Koalitionären noch einfällt, ist unklar. Vom ersten Verhandlungstag wurde berichtet, dass die geplanten Kürzungen zwischen 10 und 40 Prozent liegen - also völlig willkürlich ausgehandelt werden sollen. Norbert Röttgen lehnt eine starre Begrenzung des Zubaus auf 1.000 Megawatt pro Jahr ab. Ein fester Deckel würde die Solarwirtschaft in Deutschland abwürgen. Das Regierungsziel von jährlich 2,5 bis 3,5 GW mehr Solarleistung bis 2020 und bis dahin einer installierten Gesamtleistung von 52 GW gelte weiter. Rösler will einen neuen Gesetzentwurf vorlegen, der ein Ende der Solarförderung im Jahr 2020 bei einer installierten Leistung von 33 GW vorsieht.

Die Arbeitsgruppe Wirtschaft und Technologie der Unionsfraktion im Bundestag möchte dagegen sogar den Vorschlag von Rösler nach einer jährlichen 1-GW-Zubaugrenze um 200 MW unterbieten. Irgendwelche Sachgründe geschweige denn Berechnungen legte keiner vor, das Ganze macht eher den Eindruck einer Profilneurose - leider zu Lasten der Solarenergie. Außerdem soll das EEG um eine Verordnung erweitert werden, mit der Fördersätze künftig ohne ein komplettes Gesetzesverfahren geändert werden könnten. Auf diese Weise lässt sich der Bundesrat ausschalten.

Bisher galt der 1. Juli 2012 als Termin für den nächsten Degressionsschritt um 15%. Jetzt soll noch eine Kürzung zum 1. April um 10 - 40 Prozent vorgeschaltetet werden. Außerdem enthält die Büchse der Pandora der Koalition noch eine Verordnung zur zukünftig vereinfachten Kürzung, einen fixen Zubau-Deckel und eine Ende der EEG Vergütung für Solarstrom ab 2020. Grafik: M. Brake

Röttgen erklärte, dass er besonders bei Solaranlagen auf Freiflächen Änderungsbedarf sieht. Seine Begründung: je größer die Solarleistung, desto größer sei auch die Netzbelastung. Dem widerspricht Philippe Welter von Photon. Photovoltaikanlagen entlasten vielmehr in aller Regel die Netze, in die sie einspeisen. Dabei spiele es keine Rolle, ob eine große oder mehrere kleine Anlagen errichtet werden, lediglich die Gesamtleistung in einem Netzabschnitt sei relevant. In den meisten Fällen müsse das Stromnetz für den Transport von Solarstrom nicht verstärkt werden, denn der Solarstrom mache zunächst den sonst notwendigen Transport konventionellen Stroms von einem zentralen Großkraftwerk zum Verbraucher überflüssig. Dadurch entlasten Solarstromanlagen das Netz, die Netzverluste sinken und damit auch die Kosten für die Stromverbraucher, so Welter.

Der Grünen-Energiexperte Hans-Josef Fell sprach nach dem sogenannten "Solargipfel" von zusätzlicher Verunsicherung von Investoren und nicht zu haltenden Terminen. Der unrealistische Zeitplan, Ende Februar einen Gesetzentwurf vorzulegen und das Gesetz schon am 1. April in Kraft treten zu lassen, sei ein vorgezogener Aprilscherz.