Frankreich: Scientology wegen "organisierten Betrugs" verurteilt

Die Organisation will die Berufungsentscheidung anfechten den Weg durch die Instanzen gehen

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Letzte Woche bestätigte ein Pariser Berufungsgericht ein Urteil gegen Scientology – eine umstrittene Organisation, die sich selbst als Religion sieht, aber von Kritikern häufig als Unternehmen betrachtet wird. Der noch nicht rechtskräftigen Entscheidung nach muss Scientology 600.000 Euro Strafe zahlen, weil es das Gericht als erwiesen ansieht, dass zwei Scientology-Unterorganisationen eine Frau unter Einsatz verbotener Mittel dazu brachten, über 21.000 Euro für Scientology-Bücher, Scientology-Kurse und andere "Lebenshilfen" auszugeben.

In der französischen Presse ist von einer möglicherweise "historischen Entscheidung" die Rede, weil das Gericht nicht nur Bewährungs- und Geldstrafen gegen Mitarbeiter verhängte, sondern auch die Organisation belangte. Dafür war nicht nur ausschlaggebend, dass die verurteilten natürlichen Personen Mitglieder von Scientology waren, sondern auch, dass sie der Ansicht des Gerichts nach in Übereinstimmung mit den Vorschriften der Organisation handelten. Scientology kündigte unmittelbar nach der aus ihrer Sicht "völlig verzerrten und ungerechten" Entscheidung an, den Instanzenweg weiterzuklagen.

Die "Church of Scientology" wurde 1953 vom Science-Fiction-Autor L. Ron Hubbard ins Leben gerufen. Seit Aussteiger in den 1990er Jahren vorher nur einem engen inneren Kreis zugängliche Bestandteile der bizarren Mythologie der Organisation im Internet veröffentlichten, macht die Gruppe mit Zensuranstrengungen von sich Reden. In der Gegnerschaft dazu entstand unter anderem die Mode des Tragens von Guy-Fawkes-Masken, die mittlerweile die Occupy- und ACTA-Demonstrationen dominieren.

Für ihre Zensurversuche griff Scientology häufig auf das Immaterialgüterrecht zurück und bezeichnete Kritiker, die die Organisation mit Zitaten aus ihren geheimen Schriften der Lächerlichkeit preisgaben, als "Copyright-Terroristen". 1999 nutzte die "Kirche" beispielsweise die damals ganz frischen Verbotsbefugnisse des Digital Millennium Copyright Act (DMCA), um AT&T Worldnet dazu zu zwingen, den Klarnamen eines Kunden herauszugeben, der sie im Usenet kritisiert hatte.

Anonymous-Demonstration gegen Scientology am 10. Februar 2008. Foto: David Shankbone. Lizenz: CC BY-SA 3.0.

2001 erzwangen Scientology-Anwälte vom amerikanischen Online-Magazin Slashdot mit dem Immaterialgüterrecht die Löschung von Exzerpten aus dem Geheimdokument OT III und ein Jahr später vom Internet Archive und von Google die von Verweisen auf die Kritikerseite Operation Clambake. Der Suchmaschinenanbieter nahm diesen Vorfall allerdings zum Anlass, solche Informationen an das Chilling-Effects-Archiv weiterzugeben, mit der Zensur sichtbar gemacht wird.

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