Showdown in Athen?

Merkel und Sarkozy fordern von Griechenland die Erfüllung der Troika-Bedingungen, um die Pleite zu vermeiden

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In den Verhandlungen mit Griechenland wird der Druck immer größer, die Forderungen der Troika aus EU-Kommission, der Europäischen Zentralbank (EZB) und dem Internationalen Währungsfonds (IWF) umzusetzen. Sonst würden neue Nothilfe-Milliarden blockiert, drohten derweil Merkel und Sarkozy. Sie wollen nun keinen Sparkommissar mehr, vielmehr sollen die gesamten Staatseinnahmen des Landes über ein neues Sonderkonto laufen, damit in jedem Fall die Zinsen bezahlt werden, womit Griechenland ebenfalls die Souveränität praktisch abgeben würde. Die komplizierten Verhandlungen, die auch den Schuldenschnitt vorsehen, werden damit noch komplizierter (Viele Köche verderben den Brei). In Griechenland streiken derweil sogar Arbeitgeber gegen das Spardiktat.

Die Griechen haben die Nase von weiteren Einschnitten gestrichen voll. Denn nicht nur die Löhne sollen in der Privatwirtschaft und im öffentlichen Dienst empfindlich gesenkt werden, bis 2015 sollen nun sogar 150.000 Beschäftigte im öffentlichen Sektor entlassen werden. Als zentrales Moment schält sich in den Verhandlungen die Debatte um die Kürzung des Mindestlohns heraus. Aus den Verhandlungen ist zu vernehmen, dass die Streichung des Urlaubs- und Weihnachtsgelds abgewendet worden sei. Der Mindestlohn soll dagegen von 750 auf etwa 600 Euro sinken, um die Wettbewerbsfähigkeit des Landes zu erhöhen, wird argumentiert. Dieser Mindestlohn wäre damit sogar noch niedriger als der in Spanien und würde nur in Portugal mit 485 Euro monatlich noch deutlich unterboten. Doch obwohl das Land ein niedrigeres Lohnniveau als Griechenland hat, ist es ebenfalls längst auf dem griechischen Weg.

Immer deutlicher wird der Widerstand in immer größeren Teilen der griechischen Gesellschaft. Denn über den harten Sparkurs wird das Land inzwischen von der Rezession schon in die Depression gedrückt. Sogar der griechische Arbeitgeberverband spricht angesichts der Troika-Forderungen von einem "Sargnagel" für die griechische Wirtschaft. Auch der Einzelhandelsverband (ESEE) wendet sich gegen die geplante Senkung des Mindestlohns, weil mit dem sinkenden Lebensstandard auch der Konsum noch weiter einbrechen werde. Viele Geschäfte blieben deshalb heute geschlossen. Der eigentlich als reformfreudig geltende ESEE-Vorsitzende Vassilis Korkidis fand zudem deutliche Worte zu den Sparplänen. Er sprach von einer Kriegserklärung an das eigene Volk, sein Verband sieht das Überleben der griechischen Wirtschaft in Gefahr. Korkidis spricht vom "Versagen" der Regierung und von "tragischen Fehlern".

Somit verfangen die Drohungen immer weniger, dass Griechenland ohne die harten Sparpläne demnächst in die Pleite abrutscht. Finanzminister Evangelos Venizelos hatte von einer "unvorstellbaren Alternative" gesprochen. Wenn Renten und Löhne nicht gekürzt würden, erhalte das Land keine neuen Kredite. Die Pleite stünde schon im März an und dann habe niemand mehr Arbeit, drohte der Finanzminister.

Bei der Wahlkampfhilfe, die Bundeskanzlerin Angela Merkel dem angeschlagenen Franzosen Nicolas Sarkozy großzügig am Montag gewährte, warf der französische Präsident im gemeinsamen Interview einen weiteren Vorschlag in die Debatte. In dem Gespräch, das in Frankreich und Deutschland ausgestrahlt wurde, schlug Sarkozy ein Sonderkonto vor. Im Gegenzug für die weitere Nothilfen müsse ein Sperrkonto eingerichtet werden, auf die sämtliche griechischen Einnahmen eingezahlt und aus dem die Zinsen bedient werden sollen. Die Bundeskanzlerin hat damit den Ball dem kleinen Franzosen vor den Wahlen im April geschickt zugespielt. Denn es handelt sich in Wahrheit um einen Vorschlag aus ihrem Finanzministerium unter Wolfgang Schäuble. Denn das Sonderkonto tauchte schon in dem Papier auf, mit dem den Griechen vor dem letzten EU-Gipfel sogar ein Sparkommissar vor die Nase gesetzt werden sollte (EU-Gipfel stolpert erneut über Griechenland).

Angesichts des Widerstands und der Empörung über die Tatsache, dass Griechenland über die Budgetkontrolle praktisch seine Souveränität an die EU-Kommission abgeben sollte, ruderte Merkel zwar zurück, aber sonderlich weit nicht. Denn letztlich wird über das Sonderkonto ein ähnlicher Effekt erreicht und quasi der Sparkommissar durch die Hintertür eingeführt. Man fragt sich, was dieser neue Vorstoß zu diesem Zeitpunkt soll, an dem die Verhandlungen über den Schuldenschnitt in Griechenland schon weit gediehen waren und durch derlei Querschüsse weiter kompliziert werden. Auch deshalb steigt aus den Verhandlungen in Athen noch immer kein weißer Rauch auf.

Nur die nächste Bankenrettung?

So fragen sich angesichts des Vorgehens immer mehr Menschen, ob hinter dem Vorgehen eine versteckte Agenda steckt. Auch in Telepolis wurde schon vermutet, dass das Berliner Vorgehen eher darauf ausgerichtet sein könnte, Griechenland loszuwerden, auch wenn gebetsmühlenhaft erklärt wird, dass die Euro-Zone als Ganzes mit Griechenland stabilisiert werden soll (Mögliche Griechenland-Pleite sorgt für Panik). Detlef Drews fragt im Mainkurier und anderen Zeitungen am Dienstag. "Da die Währungsunion kein Mitglied ausschließen kann, muss man einen Wackelkandidaten so lange mobben, bis er freiwillig geht" und führt dafür auch das Nachdenken über einen Bankrott an, das nun sogar der Euro-Gruppen-Chef Jean-Claude Juncker angestimmt hat.

In Merkels Union wird ohnehin verstärkt über einen Ausschluss Griechenlands nachgedacht. So erklärte der bayrische Finanzminister Markus Söder (CSU) im Deutschlandfunk, dass es "am Ende eben einen entsprechenden Bankrott Griechenlands" geben müsse. "Vielleicht ist diese Insolvenz auch eine Chance. Man muss eben nur sehen, dass eine Pleite Griechenlands keine Pleite des Euro und Europas werden darf." Söder meint, es könne nicht sein, dass "Deutschland dauerhaft oder Europa dauerhaft zahlt und zahlt", sich aber letztlich bei den Griechen nichts bewege.

Söder sagt allerdings nicht, für wen hier eigentlich gezahlt und gezahlt wird. Bei Griechenlands Bürgern kommt das Geld jedenfalls nicht an. Das ist auch nicht vorgesehen, denn über das Sperrkonto soll abgesichert werden, dass vor allem die Zinsen an die Gläubiger bezahlt werden. Also ist auch die zweite Nothilfe, die nach neueren Angaben nun im Bereich von 145 Milliarden Euro liegen soll, erneut eine Bankenrettung. Dass mit dem damit verbundenen Schuldenschnitt die Pleite der Hellenen verhindert wird, sollte man nun wirklich nicht glauben.

Denn über die Umschuldung soll die Verschuldung des Landes ohnehin nur auf sehr hohe 120% des Bruttosozialprodukts (BIP) bis 2020 gesenkt werden. Doch damit ist nichts gewonnen, denn diese Staatschulden sind weiter nicht beherrschbar. Hätte man den Schuldenschnitt schon Anfang 2010 durchgeführt, als das Land letztlich durch steigende Zinslasten in den noch nicht vorhandenen Rettungsschirm getrieben wurde, hätte man den Schuldenstand deutlich senken können, der Ende 2009 auf 129% angeschwollen ist. Doch sprachen sich Merkel und ihr Koalitionspartner FDP damals sogar gegen jegliche Hilfe für das Land aus (Die hektische Eile nach der langen Weile).

Mit einem frühzeitigen Schuldenschnitt, gepaart mit den nötigen Sparmaßnahmen und gezielten Reformen, hätte dem Land vermutlich auf die Beine geholfen werden können. Griechenland und seinen Bewohnern wäre viel erspart worden und auch für die deutschen Steuerzahler wäre dieser Weg deutlich billiger gekommen. Doch den hat vor allem die schwarz-gelbe Regierung mit ihrem Schlingerkurs verhindert. Mit dem einseitigen Sparkurs und dem Fiskalpakt von Merkel werden die Probleme Griechenlands aber nicht gelöst.

Sparkurs verstärkt die Staatsverschuldung Portugals

Sicherlich werden damit aber die Probleme Portugals verschlimmert. An diesem Land dürfte sich bald das wiederholen, was in Griechenland gerade durchexerziert wird. Denn auch Portugal rutscht durch die Sparprogramme von der Rezession längst in die Depression ab. Weil sich Portugal streng an die Auflagen der Troika hält, wird erwartet, dass seine Wirtschaft im laufenden Jahr um 3% und damit sogar noch stärker als die Griechenlands schrumpfen wird. Doch anders als behauptet, bekommt das Land mit dem Sparkurs seine Verschuldung ebenfalls nicht in den Griff.

Nur mit einem Griff in private Rentenkassen wurde noch das Defizit 2011 aufgehübscht, weil die vereinbarten Defizitziele sonst deutlich verpasst worden wären. Am Montag hat nun aber Eurostat neueste Zahlen vorgelegt. Demnach ist die Staatsverschuldung Portugals nun auf 110,1% der Wirtschaftsleistung angeschwollen. Lag das Land Ende 2010 noch vor Deutschland mit 93,3% an fünfter Stelle im Euroraum, hat es wegen und nicht trotz des harten Sparkurses nun auch Belgien und Irland überholt und ist hinter Griechenland und Italien auf den dritten Platz vorgerückt.

Ein Lerneffekt stellt sich in Berlin, Paris und Brüssel aber nicht ein. Nun wird auch Belgien auf den Sparkurs geschickt, wogegen dort heftig mit Generalstreiks geantwortet wird. Weil das Land lange keine Regierung hatte, wurden auch keine Sparprogramme beschlossen. Belgien verzeichnete ein Wirtschaftswachstum, die Arbeitslosigkeit sank und die Verschuldung stieg 2011 kaum an. Lag sie schon Ende 2010 bei 96,2% ist sie bis Ende 2011 nur auf 98,5 Prozent gestiegen. Der nun eingeleitete Sparkurs wird dazu führen, dass die Verschuldung 2012 auch in Belgien deutlicher ansteigt, selbst wenn die staatliche Förderung von Baumaßnahmen gestrichen wird. Die sollten auch dazu beitragen, die Klimaziele einzuhalten, weswegen unter anderem die Wärmedämmung von Häusern und Photovoltaik-Anlagen gefördert wurden.

Immer deutlicher wird, dass es in Griechenland zum Showdown kommt, weil der Druck auf das Land ansteigt. Anscheinend sind Merkel und Sarkozy gewillt, das Land tatsächlich in eine Staatspleite abrutschen zu lassen, um es zum Verlassen der Euro-Zone zu bringen. Deshalb mahnte Merkel, die Zeit dränge. Eine Einigung könne es nur geben, wenn die Vorschläge der Troika umgesetzt würden. Sarkozy legte nach und erklärte populistisch: " Das Problem Griechenlands muss ein für alle Mal geregelt werden." Da er sich im Wahlkampf befindet, sollte man das nicht sonderlich ernst nehmen. Denn daran glaubt auch er nicht und dafür sind die angestrebten Maßnahmen auch gar nicht geeignet.