Die Troika inszeniert einen langsamen, qualvollen Tod

Der Wirtschaftsjournalist Stelios Chrysostomidis über Möglichkeiten, Griechenland zu retten

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Um mit dem vorliegenden Rezept der Troika gerettet zu werden, müsste Griechenland Schuldenschnitt hin oder her innerhalb kürzester Zeit ein über dem Zinssatz der Kredite liegendes Wirtschaftswachstum generieren. Dies erscheint bei der aktuellen Rezession, die im Bereich von sieben Prozent liegt, utopisch.

Der TV-Journalist Stelios Chrysostomidis. Chrysostomidis betreute als federführender Moderator und Experte viele Jahre Börsen- und Wirtschaftssendungen im griechischen TV. Er äußerte gegenüber Telepolis unkonventionelle Lösungsvorschläge.

Was denken Sie über die aktuellen Spar- und Strukturmaßnahmen?

Stelios Chrysostomidis: Eher geht die Sonne morgen im Westen auf, als dass solche Maßnahmen eine angeschlagene Wirtschaft retten können. Darüber würde ich mich mit jedem Wirtschaftsexperten, der das Gegenteil behauptet, gerne in einen wirtschaftlichen Disput einlassen. Das, was die Troika hier veranstaltet, ist nur eine Insolvenzverschleppung, ein langsamer, qualvoller Tod.

Wessen Rezept wird denn seit 2010 angewandt? Das der Troika und deren - man kann sie nur so bezeichnen - lokalen Angestellten, die hier in der Regierung sitzen. Das sind wirklich nur Angestellte, denn sie verhandeln nicht für das Land, sondern nur für sich und ihre Getreuen. Alles, was bisher geschah, hat nur die Inflation getrieben und die Rezession verschärft. Ende 2008 hatten wir gemäß offiziellen Daten der EU-Kommission ein BIP von 233 Milliarden Euro bei 263 Milliarden Euro Schulden, 2009 begann Papandreou mit dem IWF zu verhandeln und nun sehen wir Ende 2011 ein auf 218 Milliarden Euro gesunkenes BIP, aber auf 355 Milliarden Euro angestiegene Schulden. Statt einer Verschuldungsquote von 113 Prozent waren wir Ende 2011 bereits bei 163 Prozent. Na, bravo! Eine solche Stagflation hätten wir auch ohne fremde Hilfe, aber erheblich preiswerter hingekriegt. Was will die Troika noch? Einen Volksaufstand bei dem Blut fließt?

Kann es bei aller Troikakritik nicht auch an der international monierten fehlenden Reformbereitschaft der Politik liegen?

Stelios Chrysostomidis: Wann immer die Troika etwas fordert, beeilen sich die hiesigen Politiker mit ihrer Zustimmung. Dann werden Gesetze verabschiedet, aber irgendwie wird alles halbherzig und vor allem falsch umgesetzt. Dabei ist die Lösung sehr simpel. Man sollte alles, man muss wirklich alles, was die Troika sagt, sehr intensiv studieren und analysieren, denn die Diagnosen sind richtig und treffen immer in den Kern eines Problems.

Was aber hier wie in allen IWF-betreuten Ländern immer falsch ist, sind die vorgeschlagenen Lösungen. Denn Länder wie die Türkei, Argentinien, Brasilien und Uruguay kamen nur aus der Krise, als sie das Troika-Rezept dazu benutzten, immer genau das Gegenteil des Geforderten zu machen. Das ist Fakt. Schließlich hat das Troikarezept auch hier bisher die Schulden vergrößert und die Wirtschaft gedrosselt.

Was würden Sie konkret vorschlagen?

Stelios Chrysostomidis: Schauen Sie, viel Geld ging in der Korruption und den Schmiergeldern verloren. Das waren Unsummen, Milliarden. Die griechische Politik versteckt sich nun hinter eigens dafür geschaffenen Amnestiegesetzen. An im europäischen Ausland sitzende, an der Korruption beteiligte Firmen kommen wir nicht dran. Wäre es nicht endlich mal an der Zeit, dass die in alles andere und besonders in die Bürgerrechte und Steuerschrauben eingreifende EU hier mal zugreift? Schließlich könnte man, wenn man wollte, die zu Unrecht dem Staatssäckel entzogenen Gelder und Kapitalanlagen sehr leicht konfiszieren, wenn man nur den Willen dazu hätte.