Interpol wäscht Hände in Unschuld

Die internationale kriminalpolizeiliche Organisation bestreitet eine Beteiligung an der Rückführung des Mohammed-Twitterers Hamsa Kaschgari nach Saudi-Arabien, wo ihm die Todesstrafe droht

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Am 4. Februar versandte der 23-jährige saudische Journalist Hamsa Kaschgari zum Mawlid an-Nabi, dem Geburtstagsfest des islamischen Propheten Mohammed, drei Tweets, die sein Leben veränderten und möglicherweise stark verkürzen werden. Übersetzt lautete der Inhalt der drei Kurzmitteilungen angeblich wie folgt:

An Deinem Geburtstag werde ich sage, dass ich den Rebellen in Dir geliebt habe, dass Du für mich immer eine Quelle der Inspiration warst - und dass ich die Heiligenscheine der Göttlichkeit um Dich herum nicht mag. Ich werde nicht für Dich beten.

An Deinem Geburtstag finde ich Dich, wo immer ich mich hinwende. Ich werde sagen, dass ich Aspekte von Dir geliebt und andere gehasst habe. Und viele weitere konnte ich nicht verstehen.

An Deinem Geburtstag werde ich mich nicht vor Dir verbeugen. Ich werde nicht Deine Hand küssen. Vielmehr werde ich sie schütteln, wie einander Gleiche es tun, und Dir zulächeln, so wie Du mir zulächelst. Ich werde mit Dir als Freund sprechen und als nichts anderes.

Diese drei Tweets lösten in Saudi-Arabien eine Empörung aus, die die Frage aufwirft, ob der wahabitische Islam tatsächlich so monotheistisch ist, wie er sich selbst gerne darstellt: Auf Facebook forderte ein religiöser Online-Mob Kaschgaris Hinrichtung und Scheich Nasser al-Omar verlangte vom saudischen König Abdullah unter Einsatz seiner Tränendrüsen, ihn als ersten Schritt dazu wenigstens einmal wegen Abfalls vom Islam vor Gericht zu stellen. Nachdem darauf hin ein Haftbefehl erlassen wurde, flüchtete Kaschgari in die malaysische Hauptstadt Kuala Lumpur, von wo aus er Medienberichten zufolge nach Neuseeland weiterreisen und dort um Asyl ersuchen wollte.

Hamsa Kaschgari

Doch die Behörden in dem moslemischen Land machten dem Journalisten einen Strich durch die Rechnung und nahmen ihn am Donnerstag am Flughafen fest. Am Sonntag folgte seine Rückführung in die Wahabitenmonarchie im Gewahrsam saudischer Beamter. Fair Trials International und andere Organisationen brachten das Gerücht auf, Kaschgari sei durch eine "rote" Interpol-Mitteilung nach Saudi-Arabien ausgeliefert worden. Die internationale kriminalpolizeiliche Organisation kennzeichnet ihre Mitteilungen mit sechs Farbcodes: Rot steht für eine Festnahme mit dem Ziel der Auslieferung, Blau für das Sammeln von Informationen über eine Person, Grün für eine Warnung vor weiteren Straftaten, Gelb für eine Vermisstenmeldung, Schwarz für die Identifizierung einer Leiche und Orange für eine Gefahr für die Sicherheitskräfte.

Im Falle einer roten Mitteilung prüft die unabhängige Commission for the Control of Interpol's Files (CCF), ob das Ersuchen nicht gegen das Nichteinmischungsgebot in politische und religiöse Fragen verstößt. Trotzdem kommt es immer wieder zu Vorwürfen, dass sich die Organisation zum Handlanger für die Verfolgung politischer Gegner machen lässt. Zuletzt erregte der Fall des indonesischen Papua-Separatisten Benny Wenda Aufsehen, nach dem mit einer roten Mitteilung gefahndet wurde, obwohl er in Großbritannien politisches Asyl erhalten hatte. Nachdem die Interpol-Pressestelle aus dem Wochenende zurück war, wies man den Vorwurf, eine rote Mitteilung hätte bei der Rückführung Kaschgaris nach Saudi-Arabien eine Rolle gespielt, weit von sich.

Dazu passt, dass die malaysischen Behörden am Montag nicht von einer Auslieferung, sondern von einer Abschiebung Kaschgaris sprachen. Diese versuchte der malaysische Innenminister Datuk Seri Panglima Hishammuddin bin Tun Hussein durch die Einbringung eines Reizbegriffs international zu rechtfertigen: Malaysia, so Hussein, sei nämlich "kein sicherer Zufluchtsort für Terroristen und Personen, nach denen in ihrer Heimat gefahndet wird". Die Vorwürfe von Menschenrechtsorganisation wie Human Rights Watch seien "lächerlich", weil Saudi-Arabien ein international respektiertes Land sei. Human Rights Watch hatte die malaysische Regierung am Freitag dazu aufgefordert, sich nicht durch eine Auslieferung an der Hinrichtung Kaschgaris mit schuldig zu machen, die in Saudi-Arabien bereits beschlossene Sache sei.

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