"Plumpe Propaganda der alten Energiewirtschaft"

Die Energie- und Klimawochenschau: Über Probleme mit der Gasversorgung, koalitionsinterne Streitereien um die Solarförderung und die kostensenkenden Wirkungen des Solarstroms

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Wer nach Merkels Kehrtwende und den energiepolitischen Beschlüssen vom letzten Frühjahr gedacht hatte, die Energiewende sei nun in trockenen Tüchern, der dürfte sich spätestens in diesen Tagen getäuscht sehen, in denen mal wieder so richtig Stimmung gegen Sonne, Wind & Co. gemacht wird.

RWE-Manager starten mit Unterstützung des Springer-Konzerns eine Kampagne, die das Vertrauen in die Klimawissenschaften unterminieren soll (Braunkohlefreunde erklären uns das Klima) und der hiesige Atomausstieg und Sonnenstrom wird für Frankreichs Versorgungsengpässe verantwortlich gemacht (Siehe: Warten auf den Blackout in Frankreich und Ein schöner Extraprofit).

Der Focus raunte am Dienstag gar, das Bundeswirtschaftsministerium habe wegen womöglich drohender Engpässe in der Strom- und Gasversorgung einen Krisenstab einberufen. Der lasse sich täglich von der Bundesnetzagentur und den Energieversorgern informieren, aber die Berichte würden als vertraulich gelten. Allerbeste Voraussetzungen also für eine offene und ehrliche Debatte über den Stand der Energiewende.

Ein näheres Hinsehen ergibt jedenfalls auch beim Gas keinerlei Grund zur Panik. In Süddeutschland hatte es vorübergehend Probleme mit der Versorgung gegeben. In Karlsruhe musste zum Beispiel nach einem Agenturbericht kurzzeitig ein Gaskraftwerk heruntergefahren werden. Die russischen Exporteure hatten das Kontingent für Süddeutschland auf das vertragliche Minimum abgesenkt, aber das war nur bedingt Ursache des Problems, das eher hausgemacht zu sein scheint. Nach Regierungsangaben sorgten Engpässe im Pipelinenetz zwischen Nord- nach Süddeutschland dafür, dass nicht ausreichend Ersatz herbeigeschafft werden konnte. Eigentlich gibt es hierzulande nämlich ausreichend Gasspeicher, die die Versorgung über viele Wochen sicherstellen könnten.

Gaspipelines nach Europa. Gestrichelt die Route der durch die Ostsee laufenden Nord-Stream-Pipeline, die im vergangenen November in Betrieb genommen wurde. In ihrem westlichen Ende ist die Trasse allerdings nicht korrekt dargestellt. Die Anlandung ist in Lubmin in der Nähe von Greifswald. Bild: Library of the University of Texas

Im Übrigen ist Russland zwar der größte Lieferant, aber Deutschland bezieht deutlich weniger als die Hälfte seines Bedarfs von dort. 2010 stammten nach Angaben des Bundeswirtschaftsministeriums 13 Prozent des Verbrauchs aus heimischer Produktion. Die Importe kamen zu 39,2 Prozent aus Russland, zu 35 Prozent aus Norwegen und zu 21,5 Prozent aus den Niederlanden. 4,2 Prozent entfielen auf sonstige Länder, unter denen unter anderem auch Dänemark ist. Die inländische Produktion ist allerdings rückläufig, weil die Lagerstätten sich erschöpfen.

Bleibt die Frage, welche Schlussfolgerungen aus den vorübergehenden Problemen in Süddeutschland zu ziehen wären? Mehr Speicher vor Ort? Ausbau der innerdeutschen Leitungskapazitäten? Sinnvoll wäre auf jeden Fall, den Biogas-Wildwuchs zu beenden und mehr Anreize für dessen Aufbereitung und Einspeisung ins Erdgasnetz zu schaffen. Außerdem sollte der Aufbau sogenannter Windgasprojekte vorangetrieben werden, die an windreichen Tagen überschüssigen Strom für die Produktion von Wasserstoff oder später auch Methan nutzen und ebenfalls ins Netz einspeisen (das Erdgas kann im deutschen Netz neben Methan bis zu fünf Prozent Wasserstoff enthalten).

Weiter Streit um Fotovoltaik

Derweil werden die Ausfälle des liberalen Wirtschaftsminister Philipp Rösler gegen die Solarenergie immer abstruser. Neueste Variante: Nur noch für einen Teil des pro Anlage produzierten Stromes soll eine garantierte Vergütung bezahlt, sodass die Anwendung besonders fortgeschrittener Technik und die Nutzung der besten Standorte bestraft wird (siehe: Erzwungene Energie-Ineffizienz). Sein Parteikollege, der niedersächsische Umweltminister Stefan Birkner ist immerhin noch etwas flexibler und setzt sich dafür ein, den Zubau nicht mit einem starren Deckel zu begrenzen, wie es ebenfalls in der Diskussion ist. Er will den Zubau stufenweise zurückfahren.

Sollte die Solarenergie tatsächlich ausgebremst werden, dürfte jedenfalls die niedersächsische Landesregierung, in der Birkner sitzt, Probleme bekommen, ihr Anfang des Monats beschlossenes Energiekonzept umzusetzen. Bis 2020 sollen 90 Prozent des zwischen Ems und Elbe verbrauchten Stroms von den erneuerbaren Energieträgern gestellt werden. Derzeit sind es 33 Prozent. Allerdings hofft Birkner vor allem auf den Ausbau der Offshore-Windparks, doch dessen Geschichte der letzten zwölf Jahre ist vor allem eine Geschichte der Verzögerungen. Ohne die Fotovoltaik wird er sein ehrgeiziges Ziel wohl kaum erreichen können.

Auch in der CDU regt sich Widerstand gegen den von Rösler und dem CDU-Wirtschaftsrat gewollten Kahlschlag. Die schwarz-roten, bzw. schwarz-gelben Landesregierungen Sachsens, Thüringens und Sachsen-Anhalts, die den Gros der deutschen Solarindustrie beherbergen, sind nicht besonders erfreut über die Pläne. Thüringens CDU-Ministerpräsidentin Christine Lieberknecht forderte, die Kürzungen erträglich zu halten. Andernfalls werde es eine Blockade der drei Länder geben.

Doch Schwarz-Gelb hat sowieso keine Mehrheit mehr im Bundesrat und dürfte schon deshalb Schwierigkeiten haben, dort eine EEG-Novelle mit allzu drastischen Kürzungen für die Solarbranche durchzusetzen.

Nahaufnahme Solarstrom-Module. Bild: BSW-Solar/Upmann

Solarstrom wird immer günstiger

Unterdessen warnt der Bundesverband der Solarwirtschaft (BSW) vor dem massiven Verlust von Arbeitsplätzen. Der Verband verweist darauf, dass die Vergütung erst am 1. Januar abgesenkt wurde. Zusammen mit dem für den 1. Juli im EEG in seiner jetzigen Form vorgesehenen nächsten Schritt ergibt das eine Verminderung von 28 Prozent.

Schon im nächsten Jahr werde im derzeitigen Tempo die Vergütung für Sonnenstrom auf dem Niveau des Offshore-Windes ankommen. Dadurch mache sich der weitere Zubau kaum noch im Strompreis bemerkbar. Würde der Solarstrom-Anteil an der Deckung des Verbrauchs von derzeit vier Prozent auf 6,8 Prozent in 2016 steigen, so würde sich der Strompreis nur um knapp zwei Prozent erhöhen.

Das bezieht sich im Übrigen auf die derzeit übliche Berechnung der EEG-Umlage, die aus der Differenz zwischen den gezahlten Vergütungen und den Börsenpreisen am jeweiligen Tag gebildet wird. Nun haben aber Wind- und Solarstrom die Eigenschaft, den Börsenpreis zu drücken, worauf jüngst der Bundesverband Erneuerbare Energie (BEE) erneut hinwies. Dadurch wird einerseits die Umlage erhöht, ohne dass real zusätzliche Kosten entstünden. Man könnte die Umlage natürlich genauso aus der Differenz zu einem fixen Preis bilden, der somit zum Zielwert würde.

Die Börsenstrompreise sind anders als vielfach behauptet durch das endgültige Abschalten von acht Atomkraftwerken und dem energiepolitischen Kurswechsel der Regierung nicht gestiegen. Im Gegenteil: Wind- und Solarenergie senken an der Strombörse die Preise.

BEE-Präsident Dietmar Schütz

Deutschland sei nach der Abschaltung acht Reaktoren - von denen zwei ohnehin bereits seit mehreren Jahren stillstanden - zur Sicherung seiner Versorgung nicht auf dauerhafte Importe aus den Nachbarländern angewiesen. Anders lautende Behauptungen entpuppten sich als "plumpe Propaganda der alten Energiewirtschaft und ihrer Verbündeten", so der Verband in einer Presseerklärung. Auch die Kontrakte für Stromlieferungen in den nächsten drei Jahren (Futures) würden sinken. Mit anderen Worten: Die Stromhändler erwarten eine sichere und günstige Stromversorgung.

Kosten-Killer

Im Dezember haben vor allem die vielen Stürme für die Drosselung des Börsenpreises gesorgt. Am Spotmarkt, so der BEE, also dort, wo kurzfristige Stromlieferungen für den laufenden oder den Folgetag gehandelt werden, habe der Preis maximal um 50 Euro pro Megawattstunde (fünf Cent pro Kilowattstunde) gelegen und sei damit rund 15 Euro günstiger gewesen als in den Vormonaten.

Der BSW hatte die Auswirkungen des Solarstroms auf den Börsenpreis in einer Studie untersuchen lassen. Ergebnis: Durchschnittlich hat der Solarstrom den Börsenstrom 2011 um zehn Prozent, zu Spitzenzeiten auch um bis zu 40 Prozent gesenkt. Ein wesentlicher Grund dafür ist, dass er zur Hauptnachfragezeit am späten Vormittag und um Mittag herum am reichlichsten anfällt.

Laut Studie haben die Börsenkunden, natürlich meist größere Unternehmen, 2011 zwischen 520 bis 840 Millionen Euro gespart. Das entspräche einer Preisminderung von vier bis sechs Euro pro Megawattstunde. "Es wird viel über die Kosten des Solarstroms geredet", meint BSW-Hauptgeschäftsführer Carsten Körnig. "Die IZES-Studie zeigt, dass Solarstrom bereits heute auch entlastende Preiseffekte hat." Von denen, so ist anzufügen, beim Verbraucher nichts ankommt, aber das ist wohl kaum den Erneuerbaren anzulasten.