Bahrain: Ruhe vor dem Sturm?

Die Protestbewegung ist noch lebendig

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Es ist still geworden um Bahrain. Man muss schon eine Weile suchen, um Nachrichten zu finden, die sich mit aktuellen Protesten in dem von den Angehörigen der al-Khalifa beherrschten Golfstaat beschäftigen, so zum Beispiel ein BBC-Video. Dort sieht man dann auch gleich ein bekanntes Gesicht: Zaynab al-Khawaja, aka Angry Arabia, die Tochter des bekannten Menschenrechtlers Abdulhadi Abdulla Hubail Alkhawaja, auf dessen Freilassung die Opposition seit längerem wartet.

Das Interesse an einer tiefgründigeren Berichterstattung über Bahrain wird nicht gerade gefördert; Proteste werden ignoriert oder kleingeredet; tatsächlich wird Nebensächliches zu Hauptsächlichem gemacht. Als exemplarisch dafür mag die Äußerung von Formel-1-Mann Bernie Ecclestone gelten, der die Demonstranten als eine "a lot of Kids" abtut, weil ihm wichtig ist, dass das Rennen dieses Jahr stattfindet - eine frohe Botschaft, die dann letztlich auch im deutschen Nachrichtenzirkus Top-Erwähnung findet.

Die Stille in Bahrain könnte die Ruhe vor dem Sturm sein, warnt die Opposition. Die Protestbewegung sei längst nicht tot, schreibt die Aktivistin Ala'a Shebabi. Paradoxerweise habe der symbolische Akt des Abrisses des Pearl-Monuments an dem Platz, den die Demonstranten vor einem Jahr zum Schauplatz der Proteste gemacht, um damit die Erinnerung daran auszulöschen, dazu geführt, dass die Protestbewegung ein Symbol gefunden hat. Auch die Financial Times macht darauf aufmerksam, dass man möglicherweise in Bahrain kurzsichtig gehandelt habe, indem man versuchte, alles über die Schiiten- versus Sunni-Karte zu spielen.

Die Aktivistin Ala'a Shebabi gehört wie die oben erwähnten Vater und Tochter Alkhawaja den Schiiten an. Wie es im letzten Jahr lange Zeit so aussah, war deren Kritik an den Verhältnissen in Bahrain dadurch schon entwertet - nicht nur für die Kräfte, welche die Öffentlichkeit in Bahrain dominierten, sondern auch für die große Teile der westlichen Öffentlichkeit. Die "Falkenfraktion" im Haus der Khalifas verstand es hervorragend, mithilfe von großen PR-Häusern in den USA und kleineren fleißigen Helfern in kleineren westlichen Ländern ein einfaches Märchenbild von den Protesten zu vermitteln und als Wahrheit zu verkaufen. Demnach war der Protest eine rein schiitische Angelegenheit, von einer Minderheit getragen, maßgeblich vom Ausland, insbesondere von Iran, angezettelt und radikalisiert.

Auch ein Jahr nach den Protesten bekräftigt der Kommandeur der bahrainischen Streitkräfte die Lesart, dass es sich um einen versuchten Coup handelte, hinter dem vor allem ausländische Kräfte steckten - zu den Komplotteuren im weiteren Sinne zählt Field Marshal Shaikh Khalifa Bin Ahmad Al Khalifa übrigens auch Deutschland. Dass sich unter den Demonstranten auch viele Sunniten befanden und dass die Kritik der Schiiten an den Herrschaftsverhältnissen in Bahrain sich nicht an religiösen, sondern vorrangig an wirtschaftlichen und politischen Ungerechtigkeiten entzündete, wird völlig ausgeblendet. Diese Ungerechtigkeiten gibt es seit der Herrschaft der al-Khalifas, um dies zu wissen, brauchen die bahrainischen Schiiten gewiss keine Aufkläsrung aus Iran.

Doch war die größere politische Konstellation für die Demonstranten schlecht. Saudi-Arabien fürchtet Aufstände unter den Schiiten zuhause, wie sehr zeigte sich erst kürzlich. Gleiches gilt für andere Golfstaaten. Dazu kommt die Konfrontation mit Iran, die für die USA die Interpretationsleitlinie bei diesen Aufständen in einem arabischen Land vorgab: zuerst zögerliche Vermittlungsversuche im Hintergrund, dann Schweigen nach der von den Falken im Herrscherhaus beschlossenen Niederschlagung der Proteste. Die USA wollten keinesfalls das Risiko eingehen, den Bündnispartner zu verlieren. Sie haben dort bekanntlich eine Marinebasis, ganz in der Nähe zu Iran. Dass von Bahrain hauptsächlich gute Nachrichten oder gar keine übermittelt werden, ist ein Zeichen dafür, wie mächtig auch in der internationalen Politik die Arbeit von PR-Agenturen sein kann, vor allem wenn sie in Washington an entscheidenden Stellen tätig sein können.

Wie es um die Lage im Land tatsächlich steht, darauf geben solche Good-News-Verlautbarungen keine relevante Antwort. Dass es weiter gärt und die Reformen nur vorankommen wie Schnecken, äußern selbst königstreue Blogger wie Suhail al-Gosaibi, der kürzlich einen Medienpreis den Social Media Award 2012 gewann. Ausgehändigt wurde er ihm vom Präsidenten der Information Affairs Authority (IAA), der heißt Scheich Fawaz bin Mohammed al-Khalifa.