"Bei 5 Mark pro Liter lassen sie das Auto stehen!"

Steuerliche Anreizsysteme im Test

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Es war im Bundestagswahlkampf 1998, als die Grünen eine geniale Idee in ihr Wahlkampfprogramm aufnahmen: Innerhalb von zehn Jahren sollte der Benzinpreis auf fünf Mark je Liter steigen. 1998 kostete der Liter Diesel 1 Mark und 18 Pfennig. Die Erhöhung sollte gleich mehrere heilsame Wirkungen haben. Unnötige Autofahrten, so die Theorie der Umweltökonomen, würden prohibitiv vermieden. Die Steuer wiederum spülte Geld zur Entwicklung regenerativer Energien in die Staatskasse. Schließlich würde der Verbrauch des kostbaren Erdöls gesenkt, das ja für chemische Produkte viel effektiver eingesetzt werde als zum Verheizen in Viertaktern. Wie wir heute wissen, trat keine der drei Annahmen ein.

Seit es Wirtschaftspolitik gibt, versteht sich diese in erster Linie als Stimulanz mit Anreizsystemen. Die Arbeitslosigkeit ist zu hoch? Wir senken die Löhne und schaffen den Kündigungsschutz ab. Die Unternehmen investieren zu wenig? Wir senken die Unternehmenssteuern und die Zinsen der Zentralbank. Das deutsche Steuersystem ist in Wirklichkeit ein Museum vergangener Anreizpathologien. Hier die wichtigsten Anreizsysteme und die mit ihnen verbundenen Hoffnungen:

Blickt man auf diese Beispiele, so muss man nüchtern feststellen, dass die Hoffnungen sich nur ganz selten und nur im kleinen Bereich erfüllt haben, nämlich bei der Stimulation von Autokauf, Handwerk und Minijobs. Warum gerade dort? Die durch die Anreizsysteme geförderten Güter können vom Verbraucher günstiger erworben werden. Da es sich um attraktive Güter und Dienste handelt, die man gerne einkauft, reagiert man auf den Anreiz.

Selbsttest: Die T-Com hat mir gerade das neue I-Phone 4 angeboten, wenn ich für 24 Monate verlängere. Natürlich habe ich unterschrieben - und dafür keine Videokamera gekauft. Die ist nämlich im I-Phone ebenso drin wie ein Navi und eine Digitalkamera.

Höhere oder niedrigere Steuersätze auf Einnahmen und Einkommen, auf Produkte und Leistungen dagegen bewirken kaum etwas. Beispiel Zinsabschlagssteuer: Wer tatsächlich aus 20 Millionen Euro 500.000 Euro, also 2,5 Zins pro Jahr bezieht, für den sind 25% besser als 42%. Wer aber aus 50.000 Euro 2.500 Euro, also erstaunliche 5% jährlich bezieht, die damit über dem Freibetrag von 801 Euro liegen, der wird für seine risikoreiche Investition in Aktien oder Staatsanleihen bestraft. Der Erfolg: Die Zahl der Aktionäre in Deutschland hat sich in den letzten zehn Jahren fast halbiert.

Da man allerdings bei einem Vermögen von 20 Millionen Euro auch völlig auf Einnahmen verzichten kann, sind selbst die 25% nicht so attraktiv wie völlig unbesteuerte, eigengenutzte Immobilien und Firmenanteile ohne Gewinne.

Steuerliche Anreizsysteme, so das Fazit, sind nicht immer und generell falsch. Sie funktionieren allerdings nur dann, wenn die erhoffte Handlung auch wirklich attraktiv ist. Da Steuern zahlen aber generell unattraktiv ist - der Staat unternimmt ja nichts, um das zu ändern -, funktionieren steuerliche Anreize nicht so wie die Abwrackprämie.

Es läge an der Politik, Steuern bezahlen ebenso hip zu machen, wie Autofahren, Renovieren und Gärtnern.