Syrien: Erste Hilfe vom Roten Halbmond für Homs...

...und andersartige "Hilfsangebote" von außen, die der Protestbewegung so wenig nützen wie die Reformen Baschar al-Assads

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Die Verhandlungen des Internationalen Komitees vom Roten Kreuz (IKRK) mit der syrischen Regierung zeigen erste Erfolge: Helfer des Roten Halbmonds konnten gestern Verletzte aus Bab Amr, dem umkämpften Stadteil von Homs, in dem syrische Verbände ohne Rücksicht auf Verluste unter der Zivilbevölkerung nach offizieller Darstellung gegen "bewaffnete Gruppen" vorgehen, herausbringen. Außerdem wurden Frauen und Kinder evakuiert. Ob die vom IKRK geforderte Waffenruhe von zwei Stunden täglich auch akzeptiert wird, ist noch offen.

Auch Russland soll die Forderungen nach einer solchen Waffenruhe unterstützen, wurde gestern im Rahmen der Berichterstattung über das Treffen der "Freunde Syriens" in Tunis bekannt; möglicherweise hat die Unterstützung Russlands bereits bei den Verhandlungen mit den syrischen Verantwortlichen geholfen. Dass die Mitarbeiter des Roten Halbmonds so schnell nach Homs gelassen wurden, war jedenfalls etwas überraschend. Russland versucht allem Anschein nach einen Spagat, bei dem man einerseits in der internationalen Öffentlichkeit nicht weiter der blinden Unterstützung der Greueltaten durch die syrischen Shabbiha-Truppen und auch der Soldaten bezichtigt werden will und Baschar Grenzen zeigt.

Anderseits verfolgt Russland, das eine Einladung zum Treffen der "Freunde Syriens" ausgeschlagen hat, eigene diplomatische Anstrengungen und Wege - über Bagdad, Riad und Teheran. Dabei geht es Russland dabei darum, eine Intervention in Syrien zu verhindern und Syrien vor einem Auseinanderfallen zu bewahren. Praktisch heißt das auch Baschar al-Aassad an der Macht zu halten. Geopolitisch versucht sich Russland an einer regionalen Allianz mit Irak und Iran, die als Gegengewicht zu den aktuell hörbar öfter auftauchenden Interventionsgedanken aus westlichen und petroarabischen Staaten fungieren.

Saudi-Arabien: Für einen Regime-Wechsel in Syrien und zuhause mit "eiserner Faust" gegen Proteste

In Saudi-Arabien soll der russische Präsident Medwedew bei seiner Telefondiplomatie, die von Asia-Times wiedergegeben wird, auf taube Ohren gestoßen sein. König Abdullah soll laut der staatlichen Presseagentur klargemacht haben, dass die Zeiten für einen Dialog vorbei seien. Das Haus der Sauds will einen Regierungswechsel in Syrien und plädiert für die Bewaffnung der Freien Syrischen Armee:

The Saudi foreign minister, Prince Saud al-Faisal, described the arming of the Free Syria Army as an "excellent idea" at an inaugural meeting in Tunisia of an anti-Assad group - the Friends of Syria.

Von manchen wird dies auch als Signal dafür aufgefasst, dass sich Riad einer Intervention von außen, wie sie etwa der katarische Außenminister vorschlägt, nicht unbedingt in den Weg stellen würde. Scheich Hamad Bin Jassim al-Thani hat sich erneut für die Schaffung einer arabischen Armee ausgesprochen, die "einen Hilfskorridor" öffnen sollte.

Dass solche Vorschläge in erster Linie nicht am Wohl der syrischen Bevölkerung und derer, welche die Protestbewegung gegen Baschar al-Aassad unterstützen - und das ist wahrscheinlich keine Minderheit mehr - orientiert sind, wird allein am Umgang Saudi-Arabien mit eigenen Aufständen sichtbar, wo man mit "eiserner Faust" durchgreift.

Gift für die syrische Protestbewegung

Das Problematische an der Einmischung von außen ist, dass man den meisten, die mit entsprechenden Vorschlägen vorpreschen, zu allererst eigene Machtinteressen unterstellen muss - dazu auf Seiten der USA eine gehörige Geschichtsblindheit gegenüber den Ergebnissen, welche die Intervention im Irak gebracht hat. Für die syrische Protestbewegung, die man ja eigentlich unterstützen will - so zumindest die Bekundungen - wäre eine solche Intervention ein Bärendienst, Gift. Denn es geht den Nachbarn, den arabischen Nationen, den Regional - und Großmächten und den regionalen Gruppierungen wie den Muslimbrüdern auch und vor allem um eigene Interessen und Wünsche, die man mit dem Regimewechsel verbindet.

Der Protestbewegung aber muss es um einen Systemwechsel im Land gehen, darum dass dort bessere Verhältnisse herrschen - und nicht eine Familie und Herrschaftsclique, die jahrzehntelang alles an sich gerissen hat und die Pfründe so gut verteilt hat, dass sie sich mit Abhängigkeiten und Angst an der Macht halten kann. Dies würde auch nach den Reformen, über die man jetzt anhand eines neuen Verfassungsentwurfs am Sonntag abstimmt, so bleiben, allen anderslautenden Versprechungen zum Trotz. Die neue Verfassung würde Baschar al-Assad faktisch weitere 14 Jahre an der Macht einräumen.

Bemerkenwert ist, wie es die Führung Syriens geschafft hat, die Darstellung der Vorgänge in Syreien so zu drehen, dass nicht mehr wahrgenommen wird, dass es sich um eine Protestbewegung handelt, die lange Zeit große Bevölkerungsschichten aus allen Gruppierungen und Ethnien, Sunniten, wie Christen, Drusen und auch Alewiten vereinigen konnte, sondern dass nun vor allem mögliche Risse und Risiken zu sehen sind. Die Spaltungen in der Bevölkerung werden von Baschar betont, die Angst vor einem Bürgerkrieg nützt vor allem dem Autokraten. Dass die syrische Protestbewegung solche Spaltungen überwinden kann, hat sich schon bewiesen. Aufhalten lässt sich die Bewegung, die aufzeigt, wie überholt des syrische Herrschaftssystem ist, auf Dauer kaum, das dürfte auch Baschar klar sein. Das Drohen mit Interventionen allerdings verlängert, wie es aussieht, eher seine Macht.