Interessanter Einblick in das Innenleben einer rechten Denkfabrik

Klimawandel-Skeptiker vom Heartland Institute hatten gehackte E-Mails genutzt, um Widersacher zu diskreditieren. Jetzt offenbaren interne Dokumente eine peinliche Abhängigkeit des Instituts von der Industrie

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Das Heartland Institute war nie zimperlich. Jene große Phalanx von Wissenschaftlern, die vor einer massiven Klimaveränderung durch Abgase und Partikel von Industrie, Verkehr und Landwirtschaft warnen, wurde von jener kleinen kampflustigen Denkfabrik aus Chicago angeklagt: Die Diagnostiker des Klimawandels seien hysterische Alarmisten. Sie wollten die Wirtschaft mit "sozialistischen" Regulierungen in die Knie zwingen. Sie wollten die Öko-Diktatur, um interessierten Kreisen aus der regenerativen Energiebranche wirtschaftliche Vorteile zu verschaffen. Um materielle Vorteile zu ergattern, hätten die "Klima-Alarmisten" Statistiken verfälscht und unklare Befunde allzu eindeutig interpretiert.

Screenshot der Website des Heartland Institute

So mancher der vom Heartland-Institute Gescholtenen wird Genugtuung empfunden haben, als auf einer Blog-Seite am 14. Februar acht als intern eingestufte Dokumente eben dieser Denkfabrik Heartland Institute ans Licht gelangten. Die sodann von der britischen Tageszeitung Guardian in die ganz große Öffentlichkeit gehebelten Dokumente sind für eine Vorstandssitzung des Instituts am 17. Januar dieses Jahres bestimmt gewesen.

Strategien und illustre Spender

Zwei Dinge interessieren an diesen acht Dokumenten ganz besonders: Erstens, die dort erörterten Strategien, mit denen Klimawandel-Theorien im Schulunterricht an den Rand gedrückt werden sollen. Natürlich wissen die Heartländer, dass an den Schulen ein anderer Geist weht, wie folgender Auszug aus den geleakten Dokumenten zeigt:

Das Heartland Institute hat versucht, Lehrern Material zur Verfügung zu stellen, aber mit mäßigem Erfolg. Schuldirektoren und Lehrer neigen sehr stark der Klima-Alarmisten-Perspektive zu.

Und weil das so ist, sollen 100.000 Dollar in ein Projekt gesteckt werden, den allgemeinen Konsens über die Gefahren anthropogener Klimaveränderung in Frage zu stellen. Die Botschaft für Lehrer und Schüler soll heißen:

Die Frage der Klimaveränderung ist umstritten und ungewiss - zwei Schlüsselargumente, um Lehrer davon abzubringen, diese Wissenschaft zu unterrichten.

Zweitens geben die enthüllten Dokumente Aufschluss darüber, wer dem Heartland Institute das benötigte Geld zukommen lässt. Das Heartland Institute wurde 1984 in Chicago gegründet. Als Denkfabrik im rechtskonservativen, marktradikalen Milieu bekommt das Institut von der Industrie Aufträge, Gutachten bei Wissenschaftlern zu bestellen, und die Ergebnisse dann wirksam in den Medien zu streuen.

So fand Heartland für die Zigarettenfirma Philip Morris heraus, dass passives Rauchen gar nicht so gefährlich sei wie angenommen. Dass staatliche Kontrolle der Gesundheitsindustrie nur schaden könne, gehörte ebenso zum Leistungsumfang der Chicagoer Denkschmiede wie die Privatisierung staatlicher Dienstleistungen. Es ist also nicht weiter erstaunlich, dass das Heartland Institute von den entsprechenden Branchengrößen Altria (früher Philip Morris), Reynolds American, den Pharmariesen GlaxoSmithKline, Pfizer und Eli Lilly Sponsorengelder bezieht.

Als nicht-profitorientierte Organisation ist das Heartland Institute von Steuerabgaben befreit. In den enthüllten Dokumenten tritt auch ein ungenannter Wohltäter auf, der 2008 4,6 Millionen Dollar gespendet, sich dann aber zurückgezogen haben soll. Seit 2011 sitzt er aber wieder mit 979.000 Dollar mit im Heartland-Boot. Der Ölmilliardär Charles G. Koch war ebenfalls 2011 wieder mit 200.000 Dollar dabei. Microsoft beteiligte sich im letzten Jahr mit 59.908 Dollar. Das erstaunt. Denn Microsoft-Gründer Bill Gates hat sich stets als Förderer der Klimawandel-Theoretiker profiliert.

Befremdlich für viele Amerikaner ist auch das Auftreten des angeschlagenen Autogiganten General Motors unter den Spendern. Schließlich ist der Detroiter Konzern mit öffentlichen Geldern vor dem Konkurs bewahrt worden und sollte sich mit politischen Stellungnahmen eher zurückhalten, so argumentieren die Initiatoren einer Unterschriftenliste.

Ein Strategiepapier des Heartland Institute offenbart die Absicht des Vorstandes, die Spendengelder für 2012 drastisch zu verstärken. Dazu soll die Public Relationsfirma Griswold&Griswold, die ansonsten das Fundraising für den Wahlkampf der Republikaner organisiert, die Zahl der Spender von 1.800 auf 18.000 glatt verzehnfachen.

Diese Projektierung könnte nach den Enthüllungen in weite Ferne gerückt sein. Vorbei sind nun möglicherweise die opulenten Kongresse in New York, auf denen so prominente Persönlichkeiten wie Tschechiens derzeitiger Präsident Vaclav Klaus im Jahre 2009 die Klimawandel-Theorie als "Öko-Terrorismus" bezeichnen konnten. Denn nichts schadet einem steuerbefreiten Thinktank mehr, als dass seine Gönner an das Licht der Öffentlichkeit gezerrt werden könnten.

"Belästigung durch bekloppte Umweltschützern oder Occupy Wall Street-Schlägertypen"

Und so reagierte Heartland-Präsident Joseph Bast rasch mit einer Rundmail an seine Sponsoren. Vielleicht zu rasch, denn Bast hatte noch viel Adrenalin im Blut, als er zur Tastatur griff. Seine Rundmail als Antwort auf die Leaks wurde ebenfalls geleakt, und so ergibt sich für die Öffentlichkeit ein interessanter Einblick in das mentale Innenleben einer rechten Denkfabrik.

Bast betont zunächst, er habe noch keine Zeit gefunden, alle acht Dokumente zu lesen. Er beklagt:

Massen von Bloggern und linken Aktivisten und ihre Kuscheltiere (pets) aus den Lahmarsch-Medien ("lamestream-media", eine Wortschöpfung von Bast ) veröffentlichen und zitieren die "geleakten" Dokumente.

Ein Dokument sei jedoch definitiv eine Fälschung. Eine unbekannte Person "…fälschte ein Strategie-Memorandum, das unsere Ziele und Taktik falsch darstellt und es zu den gestohlenen Dokumenten hinzufügte, um es dann an viele dieser Blogger und Hassgruppen zu schicken, die die Blogosphäre besetzt halten".

Anschließend bittet Bast seine Wohltäter, jetzt verstärkt zu spenden, denn die strafrechtliche Verfolgung der Internet-Besetzer koste einen Haufen Geld. Nachdem er sich für die Entblößung seiner Sponsoren entschuldigt hat, betont Bast:

Wir versprechen Anonymität für viele unserer Spender, denn niemand möchte das Risiko eingehen, von bekloppten Umweltschützern oder Occupy-Wall-Street-Schlägertypen ständig belästigt zu werden. Wir wissen, dass die Privatsphäre für Sie wichtig ist … Wenn den Linken die Argumente und Fakten ausgehen, was normalerweise sehr schnell der Fall ist, dann gehen sie dazu über, unsere Spender anzugreifen.

Auftritt und erzwungener Abtritt des "Whistleblowers"

Es blieb also Mitte Februar zunächst die Frage offen: Sind die Dokumente echt? Oder sind sie gefälscht? Oder hat der Überbringer der Interna an die Öffentlichkeit einige Passagen "frisiert", um sie medientauglicher zu machen? Die Frage könnte in Kürze nur der "Whistleblower" selber beantworten. Er müsste sich zu diesem Zweck outen. Was mit persönlichen Opfern verbunden wäre.

Tatsächlich meldete sich am Montag, dem 20. Februar, der angesehene Meeresforscher Peter Gleick bei der Huffington Post mit einer persönlichen Erklärung. Er, Peter Gleick, habe unter falscher Identität Kopien der Emails beim Heartland Institute angefordert. Und auch erhalten. Und so sind die - nunmehr als echt erwiesenen Dokumente - an die Öffentlichkeit geraten. Er hatte ein internes Dokument von einem Unbekannten zugespielt bekommen. Das hatte seine Neugier geweckt. Die Neugier war gemischt mit Unmut über die Praktiken der Klimawandel-Skeptiker "…die öffentliche Erörterung über Klimawissenschaft und Politik in den Dreck ziehen". In der Huffington Post entschuldigte er sich nun für sein Vorgehen:

Meine Urteilsfähigkeit wurde beeinträchtigt durch meine Frustration über die endlosen Anstrengungen, häufig anonym, gut bezahlt und koordiniert die Klimawissenschaft anzugreifen.

Die Opfer, die Peter Gleick mit seiner schnellen Authentifizierung der Dokumente in Kauf genommen hat, sind beträchtlich. Gleick ist Gründer und Vorstandsmitglied des Pacific Institute, einer Organisation, die sich für eine gerechte Nutzung der Wasser-Ressourcen auf diesem Globus einsetzt. Am 21. Februar 2012 bekundete der Vorstand des Pacific Institute noch den Schulterschluss mit ihrem bedrängten Kollegen: "Dr. Gleick war und bleibt ein integraler Teil unseres Teams".

So war es auf der Webseite noch am 23. Februar um 17 Uhr MEZ zu lesen. Um 19 Uhr MEZ verschwand diese Erklärung vom Schirm. Stattdessen liest der Besucher, das Pacific Institute sei "tief besorgt" über das Verhalten ihres Präsidenten Gleick. Eine Überprüfung wird angekündigt. Soll das Institut von Geldgebern unter Druck gesetzt werden?

Eine Nachfrage der britischen Tageszeitung Guardian bei der Conrad N. Hilton Foundation, die das Pacific Institute mit 130.000 Dollar pro Jahr sponsert, ergab eine tiefe Verstimmung über Gleick seitens der Geldgeber. Zudem war Gleick bis zum 16. Februar Vorsitzender einer Arbeitsgruppe zum Thema: Ethik in der Wissenschaft in der American Geophysical Union. Von diesem Posten ist er zurückgetreten, wie die Webseite der AGU nun bekannt gibt. Die Tageszeitung San Francisco Chronicle entfernte Peter Gleick aus der Liste ihrer Kolumnisten.

Die rasche Entfernung des Whistleblowers Peter Gleick aus der Öffentlichkeit demonstriert den nicht zu übersehenden Machtunterschied zwischen der Fraktion der Klimawandeltheoretiker und der Fraktion der Klimawandelskeptiker. Letztere sind lediglich eine Minisekte, während die Klima-"Alarmisten" in der überwältigenden Mehrheit sind. Dennoch werden für beide in den Medien jeweils ganz andere Maßstäbe angelegt. Peter Gleick sieht seiner vollständigen Ächtung in der Wissenschaftsgemeinde entgegen. Er ist der Angeklagte.

Ganz anders war der mediale Zungenschlag, als die Klimawandelskeptiker interne Dokumente angesehener Klimawandel-Theoretiker illegal an die Öffentlichkeit brachten. Als nämlich im November 2009 1.000 Emails und 2.000 Dokumente aus dem Bestand der Umweltforschungsabteilung der britischen East Anglia Universität entwendet wurden, fanden sich die dadurch entblößten Wissenschaftler auf der medial zurechtgezimmerten Anklagebank wieder (Von Climategate, Klimalüge und dem Wissenschaftsbetrieb). Aus den vorgefundenen Schriften und Konversationen meinten die Medien, ein Manipulationskomplott herauszulesen. Sofort war von "Climategate" zu lesen und zu hören. Dass die illegale Beschaffung interner Korrespondenzen einen massiven Rechtsbruch darstellte, war damals kein Thema.

Ablenkungsmanöver "Fakegate"

Als dann auch noch das International Panel on Climate Change Berichte vorlegte, in denen sich peinliche Fehler finden ließen, triumphierten die Klimawandelskeptiker. In den Medien wurde der Eindruck erweckt, das IPCC sei eine Mafia von Manipulateuren und Schwarz-Weiß-Malern.

Als Ablenkungsmanöver versucht das Heartland Institute nunmehr, die Medien mit dem Reizwort "Fakegate" anzufüttern, um Peter Gleick ins Abseits zu befördern und damit ein abschreckendes Exempel zu statuieren. Es bleibt abzuwarten, ob folgende Tatsachen jetzt von den Medien beiseite gedrückt werden, die durch die halsbrecherischen Recherchen von Peter Gleick an die Öffentlichkeit gebracht worden sind:

Die geleakten Heartland-Dokumente belegen, dass die Stimmungsmache gegen die Erforschung anthropogener Erderwärmung massiv mit Geld von Konzernen geschmiert worden ist.

Da steht zum Beispiel ein Mitarbeiter des US-Umweltministeriums, Indur Goklany, auf der Gehaltsliste des Heartland Instituts. Für 1.000 Dollar im Monat soll der Regierungsbeamte für die Denkfabrik Recherchen anstellen. Der demokratische Kongressabgeordnete Raul Grijalva hat deswegen eine Anhörung im Natural Resources Committee beantragt, um klarstellen zu lassen, dass Regierungsbeamte keine Nebenjobs bei weltanschaulich geprägten Denkfabriken annehmen dürfen. Auch David Wojick aus dem Umweltministerium steht mit 25.000 Dollar alle drei Monate auf der Gehaltsliste der Heartländer.

Bei einigen profilierten Klimawandel-Skeptikern ist es nicht ganz so überraschend, dass sie auf der Gehaltsliste des Chicagoer Instituts stehen: Der Agrarwissenschaftler Craig Idso erhält laut Leaks 11.600 Dollar pro Monat vom Heartland Institute. Der Klimaforscher Fred Singer verdient 5.000 Dollar pro Monat zu seiner Pension als Professor hinzu, plus Spesen. Der Australier Robert Carter kann sich auf ein Zubrot von 1.667 Dollar monatlich freuen. Die drei Herren sollen eine Generalabrechnung mit den Umweltberichten des International Panel on Climate Change anfertigen.

Der Geist des Gegenpanels zum IPCC

Der IPCC beliefert die Weltöffentlichkeit regelmäßig mit sogenannten Sachstandsberichten. In diesen Berichten wird der Fortgang der von Menschen gemachten Klimaveränderung dokumentiert. Die organisierten Skeptiker des menschengemachten Klimawandels rund um das Heartland Institute haben ein Gegen-Panel gegründet, das recht unkreativ "Nongovernmental International Panel on Climate Change" (NIPCC) genannt wird. Soll also ganz im neoliberalen Sinne heißen: Hier sitzen unabhängige Forscher zusammen, die nicht von alarmistisch gestimmten Regierungen gekürt wurden.

Und dieses Panel, das eher einem Familienunternehmen gleicht als einer repräsentativen Auswahl der kompetentesten Wissenschaftler, veröffentlicht Gegen-Gutachten zu den IPCC-Papieren. Diese Papiere heißen dann: Climate Change Reconsidered, also: "Klimawandel, neu überdacht". Es gab bislang einen Bericht für 2009, und jetzt aktuell für 2011. Diesen Bericht haben wieder Craig Idso, Fred Singer und Robert Carter verfasst.

Federführend ist die Familie Idso: Vater Sherwood Idso und seine Söhne Craig und Keith Idso. Die Idsos betreiben in Eigenregie ein Center for the Study of Carbon Dioxide and Global Change. Die Hauptbefunde dieser Familienfirma: Die Zuwachsrate an CO2 in der Atmosphäre ist nur zu einem unbedeutenden Anteil von Menschen verursacht. Der Hauptanteil ist natürlichen Ursprungs. Und so liest man auch in dem Bericht des NIPCC, gesponsert vom Heartland Institute, folgendes:

Noch einmal: wir legen Wert darauf festzustellen, dass wir nicht behaupten, von Menschen verursachte Treibhausgase würden in der Vergangenheit oder in der Gegenwart keine Erwärmung erzeugen. Unsere Schlussfolgerung ist: Beweise untermauern, dass sie keine entscheidende Rolle spielen … die neueste Forschung zeigt, dass eine wärmere Welt eine sicherere und gesündere Welt für Mensch und Wildnis gleichermaßen ist … der Netto-Effekt einer fortgesetzten Erwärmung und zunehmender CO2-Konzentrationen in der Atmosphäre wird sich höchstwahrscheinlich wohltuend auf Menschen, Pflanzen und unberührte Natur auswirken.

Auch höhere Ernte-Erträge werden der Menschheit als frohe Botschaft in Aussicht gestellt. Die geschickte linguistische Suggestion, die in dem netten Wort "Erderwärmung" mitschwingt, wird von der Familie Idso und ihrem überschaubaren Freundeskreis auf diese Weise absolut auf die Spitze getrieben. Freuen wir kälte- und regengebeutelten Mitteleuropäer uns also auf baldige üppige Ananas-Ernten im heimischen Garten.