Hausbesitzern ein Bein gestellt

Die Energie- und Klimawochenschau: Vom deutschen Solarstreit, dem in Kaliningrad geplanten russischen AKW und chinesischem Wüstenstrom

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Die Auseinandersetzung um den geplanten Kahlschlag (Fotovoltaik ausgebremst?) bei der Vergütung für Solarstrom geht weiter. Am Montag demonstrierten am frühen Nachmittag nach Veranstalterangaben rund 11.000 Menschen im Berliner Regierungsviertel gegen das Vorhaben der Bundesregierung.

Auch rote und grüne Politprominenz war anwesend. Bild: BSW-Solar/Langrock

Diese hatte vergangene Wochen quasi den Entwurf einer Novelle des Erneuerbare-Energien-Gesetzes (EEG) beschlossen, nur dass der Text nicht Gesetzentwurf, sondern Formulierungshilfe heißen soll (Kabinett beschließt Kahlschlag). Dahinter verbirgt sich ein kleiner Verfahrenstrick. Wird der Entwurf nämlich formell durch die Fraktionen von Union und FDP ins Parlament eingebracht, dann kann er dort schneller verabschiedet werden. Bisher ist geplant, die 2. und 3. Lesung bereits am 30. März abzuhalten und dann über den Entwurf abzustimmen.

Die Bundeskanzlerin will versuchen, noch vor der Abstimmung im Bundestag die Mehrheit unter den Bundesländern zu sichern, um eine mehrmonatige Hängepartie wegen Einsprüchen des Bundesrats zu vermeiden. Ohne Zugeständnisse wird das kaum möglich sein, denn auch christdemokratische Ministerpräsidentinnen und -präsidenten haben erhebliche Bedenken angemeldet. Insbesondere im "Solar Valley", das heißt in Sachsen, Thüringen und Sachsen-Anhalt, ist man wenig begeistert. Dort ist die Konzentration der Solarindustrie besonders groß und diese oft der einzige Lichtblick inmitten industrieller Ödnis.

Auch aus der Unionsfraktion könnte es noch Widerstand geben. Dort stößt einigen Abgeordneten insbesondere auf, dass das Parlament Einfluss abgeben soll. Die Bundesregierung will nämlich über künftige Änderungen der Vergütungssätze auf dem Verordnungswege im Wirtschafts- und im Umweltministerium entscheiden lassen. Bisher werden diese jedoch vom Parlament ins Gesetz geschrieben.

Der grüne Bundestagsabgeordnete Hans-Josef Fell weist unterdessen darauf hin, dass die Absenkung für kleine Aufdachanlagen zwischen zehn und 30 Kilowatt Leistung besonders drastisch ausfällt. Die Bundesregierung vermittelt in ihrer Darstellung, die Vergütungssätze würden um 20 bis 30 Prozent abgesenkt. Tatsächlich sind es für kleinere Anlagen aber bis zu 37 Prozent. Das heißt, vor allem Hausbesitzern soll mit der neuen Regelung ein Bein gestellt werden.

Versteckt wird dieser Effekt hinter der Umstellung der Anlagenklassen. Nach den seit dem 1. Januar geltenden Sätzen gibt es für Anlagen mit einer Leistung bis maximal 30 Kilowatt 24,23 ct/kWh, für 30 bis 100 kW 23,23 ct/kWK und für 100 bis 1000 kW 21,98 ct/kWh (Tabelle). Je größer die Anlage, desto geringer die Vergütung, entsprechend der Tatsache, dass bei großen Anlagen die spezifischen Investitionen, das heißt, das pro Watt eingesetzte Kapital geringer ausfällt. So weit, so gut.

Nun will aber die Bundesregierung mit der Neuregelung auch Abstufungen abschaffen. Den günstigsten Tarif gibt es nur noch für Anlagen bis zehn kW. Für Anlagen zwischen zehn und 30 kW soll die Vergütung von 24,23 auf 16,5 ct/kWh abgesenkt werden. Das macht 32 Prozent weniger ab dem 9. März. Bis zum Jahresende soll es in Monatsschritten noch einmal auf 15,15 runtergehen. Das wären dann rund 37,5 Prozent (Tabelle).

Die Absenkungen gelten wie auch die bisherigen Degressionen jeweils für Neuanlagen. Die Vergütungssätze sind jeweils für 20 Jahre in gleichbleibender Höhe garantiert. Diese hängt vom Datum der Inbetriebnahme der Anlage ab. Eine sehr umstrittene Maßnahme wäre es daher, die Absenkung rückwirkend vom 9. März an gelten zu lassen, wie es die bisherige Planung der Bundesregierung vorsieht. Bis zur Verabschiedung der EEG-Novelle und deren Inkrafttreten, was mit Sicherheit nicht mehr im März der Fall sein wird, gelten nämlich die alten Sätze der derzeitigen EEG-Fassung. Besitzer, die ihre Anlagen nach dem 9. März in Betrieb nehmen, könnten auf Vertrauensschutz klagen und Anspruch auf die derzeit geltenden Vergütungssätze erheben.

Kritik unerwünscht?

Szenenwechsel. Polen denkt über den Bau von Atomkraftwerken nach, was beiderseits der gemeinsamen Grenze auf Protest stößt. Der in Berlin lebende polnische Publizist Andrzej Stach beschwert sich in einem Gastbeitrag im Tagesspiegel über Kritik aus der deutschen Bevölkerung an polnischen Plänen (AKW-Bau in Polen mobilisiert). Während in Polen die potenziell betroffene Menschen wenig begeistert sind (Ergebnis der Volksabstimmung zum AKW-Neubau in Polen), so hat man bei der Lektüre des Kommentars das Gefühl, dass der Protest der hiesigen Bevölkerung mit dem Ausspielen der nationalistischen Karte madig gemacht werden soll.

So ganz redlich ist Stachs Argumentation nicht, denn das EU-Recht sieht ausdrücklich vor, dass es bei entsprechenden Großprojekten auch ein grenzüberschreitendes Widerspruchsrecht gibt. So musste das Genehmigungsverfahren für das ursprünglich vom dänischen Staatskonzern Dong Energy in Lubmin bei Greifswald geplante und 2009 aufgegebene Kohlekraftwerk (Kohlekraftwerk im Touristenparadies) seinerzeit extra verlängert werden, um noch polnischen Gemeinden und Bürgern die Möglichkeit zur Einflussnahme zu geben. Den Bürgerinitiativen vor Ort war das ganz recht, genauso wie auch in Dörpen an der niederländischen Grenze die dortigen Umweltschützer gern und erfolgreich mit holländischen Gruppen gegen ein Kohlekraftwerk auf der deutschen Seite zusammen gearbeitet haben.

AKW in Enklave

In der Anti-AKW-Bewegung hat die internationale Kooperation insbesondere in Westeuropa eine lange Tradition. An den großen und legendären Demonstrationen gegen das AKW Brokdorf an der Unterelbe in Schleswig-Holstein haben stets auch dänische Atomkraftgegner teilgenommen. Die heute weltweit bekannte Anti-Atom-Sonne war zunächst Symbol der dänischen Anti-AKW-Bewegung. Und auch im Südwesten, im Dreiländereck Schweiz, Frankreich und Deutschland, ist der gemeinsame Protest gegen Atomanlagen auf allen Seiten der Grenzen seit den 1970ern Tradition.

In einem Punkt hat Stach allerdings Recht. Er kritisiert, dass es hierzulande bisher keine Aufmerksamkeit für den im letzten Jahr begonnenen Bau eines neuen russischen AKWs in der Nähe Kaliningrads gibt. Das ist zwar nicht gerade unmittelbare deutsche Nachbarschaft, aber immerhin auch nicht weiter von Berlin entfernt als das bayerischen AKW Gundremmingen. Außerdem könnte der dort produzierte Strom hierzulande seine Abnehmer finden.

Zwei Blöcke sollen in der russischen Enklave entstehen, am ersten wird bereits gebaut, am zweiten soll im April begonnen werden, berichtet Kaliningrad Aktuell. Ursprünglich sollte der erste Block 2016 den Probebetrieb aufnehmen, aber inzwischen ist bereits von Verzögerungen von einem Jahr wegen der nötigen Lizenzen die Rede. Das nötige Personal scheint der Betreiber auch noch nicht zu haben.

Ausstieg ins Grundgesetz?

Der Bau, der für den Bedarf der Enklave überdimensioniert ist, soll nicht zuletzt dem Stromexport nach Europa dienen. Polen soll allerdings schon dankend abgelehnt haben, und auch die litauischen Nachbarn wollen lieber ein eigenes AKW bauen, als sich von russischen Lieferungen abhängig zu machen. Vermutlich werden die Betreiber daher vor allem in Deutschland nach Abnehmern suchen, was für die Anti-AKW-Bewegung die Frage aufwirft, ob der Atomausstieg nicht tatsächlich, wie von der Linkspartei gefordert, ins Grundgesetz geschrieben werden sollte, damit Unternehmen der Bezug von Atomstrom aus dem Ausland verboten werden kann.

Eine verfassungsrechtliche Fixierung des Atomausstiegs wäre sicherlich auch ein gutes Instrument, um gegen die Förderung von ausländischen AKW-Bauten vorzugehen, die die Bundesregierung nach wie vor betreibt. Darauf hat am vergangenen Wochenende Greenpeace mit Aktionen in 66 Städten aufmerksam gemacht. Deutschland vergibt nach wie vor Bürgschaften für Kredite, die dem Bau von Atomkraftwerken zum Beispiel in Brasilien dienen.

Dort wird bereits seit 1984 an dem Meiler Angra III gebaut. Derzeit liegt nach Greenpeace-Angaben bei der Bundesregierung für dieses Projekt eine Anfrage vor, für 1,3 Milliarden Euro zu bürgen. Die Umweltschützer halten den Bau für gefährlich und veraltet. "Mit der Bürgschaft unterstützt die schwarz-gelbe Bundesregierung den Bau eines gefährlichen und veralteten Atomkraftwerkes an einem ungeeigneten Standort. Merkel muss diesen nuklearen Wahnsinn sofort stoppen", meint Tobias Riedl, der bei Greenpeace Deutschland als Atomexperte arbeitet.

Strom aus der Wüste

Und zu guter Letzt die gute Nachricht der Woche: In Chinas westlicher Provinz Qinghai sind inzwischen Solarparks mit einer Leistung von rund einem Gigawatt aufgebaut worden. In der dünnbesiedelten Wüstengegend ist die Sonneneinstrahlung so intensiv, dass ein GW Solarleistung zirka 1,8 Milliarden KWh Strom im Jahr liefern kann, berichtet der Fachnachrichtendienst REVE. In Deutschland wäre der Ertrag nur etwa halb so groß.

Die Entwicklung in Qinghai steht allerdings erst am Anfang, und verglichen mit den bisherigen deutschen Ausbauzahlen ist ein GW noch nicht besonders beeindruckend. Andererseits wird in China der Bau von Solaranlagen erst seit dem letzten Jahr gefördert und sich daher mit einiger Sicherheit in den nächsten Jahren gewaltig beschleunigen, allein schon deswegen, um die gewaltigen Überkapazitäten der chinesischen Produzenten abzusetzen, deren Förderung die Regierung erklärtermaßen als eine strategische Aufgabe sieht. Während hierzulande einige Hersteller diese Unterstützung kritisieren und als nach den Regeln der Welthandelsorganisation WTO unerlaubte Subventionen eingestuft sehen wollen, ist der damit verbundene Preisverfall und massive Ausbau in China sicherlich eine gute Nachricht für das Klima.

In Qinghai wird unterdessen neben der Fotovoltaik wird auch auf solarthermische Anlagen gesetzt, die das Sonnenlicht mittels Spiegel konzentrieren. Mit der so eingefangenen Wärmeenergie wird Wasserdampf erzeugt, der wiederum eine Turbine antreibt. Qinghai und einige andere Provinzen in Chinas Westen haben neben viel Land auch hohe Sonnenscheindauer zu bieten, was sie zu idealen Standorten für derlei Anlagen macht.