Erleichterung nach geglücktem Schuldenschnitt in Griechenland

Doch Spanien rückt angesichts der Zweifel am Sparwillen nun wieder deutlicher ins Rampenlicht

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Wieder einmal gibt es ein Aufatmen im Rahmen der unendlichen Griechenland-Nothilfe, nachdem sich ausreichend private Gläubiger an dem geplanten Schuldenschnitt beteiligt haben. Das griechische Finanzministerium hat mitgeteilt, dass sich 85,8% der privaten Gläubiger daran beteiligt hätten, die griechische Anleihen im Wert von 172 Milliarden Euro hielten. Daher kann Griechenland nun auch nachträglich eingeführte Umschuldungsklauseln (CAC) aktivieren. Das Land erhofft, dass es die Teilnahme damit deutlich erhöhen kann und damit seine Verbindlichkeiten um die erwarteten 107 Milliarden Euro sinken können. So sollen die Anforderungen des EU-Gipfels erfüllt werden, damit Griechenland mit der zweiten Nothilfe über 130 Milliarden Euro dann 2020 auf den immer noch enormen Schuldenstand von 120% des Bruttosozialprodukts (BIP) kommt.

Eigentlich geht aber niemand ernsthaft davon aus, dass die Milchmädchenrechnung des Gipfels aufgeht. Deshalb schließt niemand ein drittes Milliardenpaket aus (Auch ein drittes Milliardenpaket wird nicht ausgeschlossen). Einige Anleger gehen davon aus, dass dieser "freiwillige Zwang" für einen Teil der Anleger nun dazu führen wird, dass die sich noch stärker zurückhalten, in griechische Anleihen zu investieren. Der Analyst Robert Halver meint, "es wird nicht der letzte Schuldenschnitt" für Griechenland gewesen sein. Er ist der Meinung, dass die Griechen im Sommer aus dem Euro austreten werden: "Und dann ist der Schuldenschnitt der erste Schritt, der gemacht werden muss, damit die Probleme langsam aber sicher abgearbeitet werden."

Tatsächlich ist weiterhin völlig unklar, wie Griechenland auf dem bisherigen Weg wieder auf die Beine kommen könnte. Die Wirtschaft wurde bereits in die Depression gespart. Sie ist im vergangenen mit 7% sogar noch stärker geschrumpft ist als im Vorjahr. Die Arbeitslosigkeit ist nun schon auf den Rekordwert von 21% gestiegen, womit das Land langsam zu Spanien aufschließt. Dass aber auch 120% Staatsverschuldung untragbar sind, ist daran klar geworden, dass das Land bei etwa diesem Schuldenstand die Nothilfe beantragen musste. Deshalb geht auch der "Wirtschaftsweise" Peter Bofinger davon aus, dass die Hellenen in den nächsten zwölf Monaten einen "echten Schuldenerlass" brauchen.

Man hat sich nun erneut teuer Zeit erkauft, eine Pleite wurde nur für März ausgeschlossen, denn die Finanzminister der Eurogruppe haben am Nachmittag zumindest schon einmal 35,5 Milliarden Euro freigegeben, über den Rest der insgesamt 130 Millionen soll nächste Woche entschieden werden. Unklar ist aber nun noch, ob durch die zwangsweise Einbindung einiger Anbieter auch sogenannte Kreditausfallversicherung (CDS) fällig werden, womit es neue Verwerfungen an den Finanzmärkten geben könnte. Dazu kommt aber, dass auch die Lage anderer Länder prekär ist.

Da Portugal ebenfalls in die Depression gespart wird, werden bald auch für das zweite Land unter dem Rettungsschirm neue Notmaßnahmen nötig. Die Bundesregierung hat dem Land schon eine "Anpassung" der Programme versprochen. Allgemein wird auch ein Schuldenschnitt für Portugal erwartet.

Zweifel am Kurs der spanischen Regierung

Zunächst wurde aber an den meisten Börsen heute aufgeatmet. Nachdem Zweifel daran aufgekommen waren, ob sich am Schuldenschnitt für Griechenland 50% der Gläubiger beteiligen würden, waren am Dienstag die Börsen eingebrochen. Der Frankfurter Leitindex Dax verzeichnete dabei seinen größten Jahresverlust. Am Freitag starteten die Börsen in Europa meist freundlich. Während Dax im frühen Handel Gewinne verzeichnete, ging der Madrider Ibex erneut deutlich in den Keller. Dieses spezielle Verhalten der Madrider Börse war in dieser Woche keine Ausnahme. Hatten alle europäischen Börsen zum Beispiel am Mittwoch Gewinne verzeichnet, schloss nur der Ibex im Minus. Denn die Zweifel daran, wie es mit Spanien weitergeht, sind wieder deutlich gewachsen. Dass auch die beiden großen Gewerkschaften angesichts der aggressiven Arbeitsmarktreform heute den Generalstreik für den 29. März ausgerufen haben, drückt ebenfalls die Stimmung. Die Regierung hatte Verhandlungen ausgeschlagen und das Dekret gestern im Parlament bestätigt.

Die Zweifel am Kurs der neuen konservativen Regierung zeigen sich vor allem an den Risikoaufschlägen für spanische Staatsanleihen. Erstmals seit dem vergangenen August rentieren in dieser Woche die zehnjährigen spanischen Anleihen wieder deutlich über italienischen Papieren. Im vergangenen August hatte Italien erstmals Spanien überholt und seitdem lagen die Zinsaufschläge für Rom zum Teil deutlich über denen für Madrid. Dieser Trend dreht sich nun um. Der Aufschlag für spanische Papiere gegenüber Bundesanleihen stieg am Mittwoch sogar wieder auf 340 Basispunkte. Spanische Anleihen wurden wieder mit einem Zinssatz von 5,2% gehandelt. Die Renditen sanken zwar wieder, doch der Abstand zu Italien ist sogar gewachsen. Italienische Anleihen werden nun für knapp 4,8% gehandelt, spanische liegen weiter über 5%.

Nach Ansicht der Investoren haben steigende Renditen und fallende Kurse in Madrid damit zu tun, dass der konservative Ministerpräsident Mariano Rajoy vor einer Woche auf dem EU-Gipfel Zweifel am Sparwillen zeigte. Zwar unterzeichnete Rajoy den Fiskalpakt, mit dem die Mitgliedsstaaten zur Haushaltsdisziplin verpflichtet werden, doch danach kündigte er eigenmächtig an, Spanien werde sein Haushaltsdefizit 2012 nur auf 5,8% senken. Versprochen hatte Madrid 4,4%. Die "souveräne Entscheidung" habe er mit niemandem abgestimmt, fügte er an und weckte Begehrlichkeiten in spanischen Regionen geweckt. Wie Andalusien fordern einige offen, auch ihre Sparvorgaben zu lockern. Die Regionen waren 2011 dafür verantwortlich, dass das Haushaltsdefizit nicht wie geplant auf etwa 6% gesenkt werden konnte.

Spanien droht nun auch ein Sanktionsverfahren der EU-Kommission. Sie Inspekteure nach Madrid geschickt hat, um sich ein Bild über die Finanzen zu machen. Brüssel ist verärgert darüber, dass Rajoy keinen Haushalt vorgelegt hat. Deshalb ist unklar, ob seine Angabe stimmt, 2011 habe das Defizit 8,5% betragen. Rajoy will vor den Regionalwahlen am 25. März in Andalusien und Asturien keine Zahlen nennen, weil er neue unpopuläre Maßnahmen ankündigen müsste. Dazu dürfte auch eine Erhöhung der Mehrwertsteuer gehören, nachdem er gegen alle Versprechen nach seinem Wahlsieg im November schon Einkommenssteuer und Grundsteuer erhöht hat. An der Börse wird auch negativ bewertet, dass Madrid prognostiziert, die Wirtschaft werde 2012 sogar um 1,7% schrumpfen, weil öffentliche Ausgaben gegenüber dem Vorjahr sogar um 40% zurückgefahren werden sollen. Die Regierung rechnet damit, dass erneut 630.000 Arbeitsplätze verloren gehen. Dabei sind schon jetzt mit einer Quote von 23,3% weit mehr als fünf Millionen Menschen ohne Job.

Schlechte Nachrichten kamen auch vom angeschlagene Bau- und Immobiliensektor. Nachdem die Immobilienblase geplatzt ist, ging der Sektor 2011 weiter in die Knie, der einst ein Drittel zur Wirtschaftsleistung beigetrug. Mit knapp 350.000 Wohnungen wurden fast 30% weniger verkauft als im Vorjahr. Fallende Preise haben den Absturz ebenso wenig verhindert wie die Tatsache, dass die Regierung den Verkauf neuer Wohnungen mit einem auf 4% reduzierten Mehrwertsteuersatz zu fördern versucht.

So setzt sich allmählich die Ansicht durch, dass Spanien doch anfälliger als Italien ist. Zwar ist Italien mit mehr als 120% der Wirtschaftsleistung noch deutlich höher verschuldet als Spanien, doch Rom konnte das Defizit 2011 sogar auf 3,9% und damit stärker als erwartet senken. Zudem halten italienischen Staatsanleihen, anders als spanische, vor allem einheimische Sparer. Deshalb ist Rom den Launen internationaler Finanzmärkte weniger stark ausgesetzt. Rajoy verspiele mit seinem Vorgehen das zurückgewonnene Vertrauen, kommentieren Anleger, während die neue italienische Regierung unter Mario Monti nach dem Abgang von Silvio Berlusconi offensichtlich Vertrauen zurückgewinnt.