"Soziale Verantwortung ist sehr wichtig"

Der dänische Unternehmer Lars Brunso sieht die Entwicklungen in der deutschen Wirtschafts- und Sozialpolitik skeptisch

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Der dänische Unternehmer Lars Brunso, 53, gründete mit 22 Jahren sein Unternehmen Akva Waterbeds. In seiner Marktnische hat er Erfolg. Er verkauft nach ganz Europa, seine Produktionsanlage im dänischen Ry gehört zu den modernsten der Welt. Dass er diesen Erfolg zu weiten Teilen vor allem auch seinen Mitarbeitern zu verdanken hat, hat er nicht vergessen. Für ihn gibt es keine "Human Resources", sondern nur Menschen. Den deutschen Radikalkapitalismus betrachtet er mit Sorge. Denn das kleine Dänemark zeigt, dass es auch anders geht. Die Steuern sind hoch, die Löhne auch, die Arbeitslosigkeit ist niedrig, Langzeitarbeitslosigkeit kein Problemthema. Einen immer weiter wuchernden Dumpinglohn-Arbeitsmarkt wie in Deutschland gibt es in Dänemark nicht. Unternehmerische Verantwortung ist für Brunso oberstes Gebot.

Herr Brunso, in Deutschland klafft die Schere zwischen arm und reich immer weiter auseinander. Zwar ist der Arbeitsmarkt stabil, neue Jobs entstehen aber vor allem in einem politisch gewollten Dumpinglohnsektor – Minijobs und Zeitarbeit florieren, ein flächendeckender Mindestlohn wird im Bundestag blockiert, Millionen Menschen verdienen so wenig, dass sie mit Hartz IV ihren Lohn "aufstocken" müssen. Das ist an sich nichts weiter als ein Mitnahmeeffekt der deutschen Wirtschaft – statt den Lohn selber zu zahlen, überlässt man das dem Steuerzahler. Es wird Rendite gemacht auf Kosten der arbeitenden Bevölkerung, und wer arbeitslos ist, muss mit insgesamt unter 800 Euro im Monat klarkommen. Wer über 50 ist, hat kaum mehr eine Chance auf eine Stelle, ältere Arbeitnehmer werden zunehmend aus den Unternehmen gedrängt, zugleich wird das Renteneinstiegsalter erhöht, was eine faktische Rentenkürzung bedeutet. Laut offizieller Statistik hat Deutschland ca. 3 Millionen Arbeitslose, insgesamt beziehen aber über 8 Millionen Menschen staatliche Leistungen. Die Zahlen werden mit viel Aufwand geschönt. Wie ist zum Vergleich die Situation in Dänemark?

Lars Brunso: Wir haben in Dänemark etwa 166.000 Arbeitslose bei rund 5,5 Millionen Einwohnern. Das sind rund 6,2 Prozent. Inwiefern diese Zahlen geschönt sind, weiß ich nicht. Aber viele davon sind arbeitslos gemeldet, weil sie sich weiterbilden und daher kurzfristig dem Arbeitsmarkt nicht zur Verfügung stehen. Vielleicht 50.000 Arbeitslose erhalten monatlich 13.000 Dänische Kronen (ca. 1750 Euro) brutto. Davon gehen 35 Prozent Steuern ab.

Auch in Dänemark haben viele, die älter als 55 sind, Schwierigkeiten, eine Stelle zu finden. Mir persönlich ist es aber wichtig, dass in meinem Unternehmen alle Altersgruppen beschäftigt sind. Unser jüngster Mitarbeiter ist 22, der älteste 63. Dieser Schnitt ist in Dänemark nicht ungewöhnlich. In den nächsten fünf bis zehn Jahren kommen die geburtenschwachen Jahrgänge auf den Arbeitsmarkt, und dann werden wir ältere Arbeitnehmer mehr denn je brauchen. Ein Unternehmen kann aber immer von älteren Mitarbeitern profitieren, aufgrund ihrer Erfahrung und ihres Wissens, das sie dann an die jüngeren weitergeben können. Unsere ältesten Mitarbeiter gehören zu den besten, und unsere Produktionsanlage ist so ausgerichtet, dass sie auch von Menschen über 60 bedient werden kann. Es wird also auf die sich ändernden physischen Gegebenheiten im Alter Rücksicht genommen.

Was ist Ihr Verständnis von Unternehmertum?

Lars Brunso: Man braucht Ausdauer. Es ist mir wichtig, meine persönlichen Werte ins Unternehmen mitzubringen. Freiheit, Wissen und Ganzheit. Die Summe ist wohl aber, dass es mir gut geht, wenn so viele Menschen wie möglich in unserer kleinen Welt ein vernünftiges, gutes Leben haben. Wenn man Veränderung will, muss man immer bei sich selbst beginnen. Das will ich vermitteln. Unsere Händler sehen wir weniger als Kunden, vielmehr als Partner. Wir machen keine seitenlangen Verträge. Unsere Geschäfte werden seit 30 Jahren per Handschlag besiegelt. Ein Wort ist ein Wort.

Langfristige Planung ist also wichtiger als schneller Profit?

Lars Brunso: Eindeutig ja. Akva ist ein Familienunternehmen, und auch viele unserer Händler sind Familienunternehmen. Dadurch ist es einfach leichter mit wertorientierter Unternehmensführung zwischen zwei gleichwertigen Beteiligten zu arbeiten - im Gegensatz zu einer Ladenkette, die oft kurzfristiger arbeitet und den schnellen Profit jagt. Im Moment weiten wir unsere Geschäftskontakte auch außerhalb Europas aus. An manchen Standorten verkaufen wir erstmal nur eine Handvoll Betten pro Jahr. Andere Unternehmen würden das nicht machen, es wäre ihnen zu viel Aufwand für zu wenig Ertrag.

Der dänische Arbeitsmarkt ist sehr flexibel

Viele Unternehmen werden heute von Managern geleitet, die keinerlei Bezug zum Produkt oder dem Produktionsprozess haben. Sie hingegen schwärmen von ihren Produkten, kennen alle Ihre Mitarbeiter persönlich…

Lars Brunso: Die Freude an der Arbeit ist Teil meiner Motivation und meines Lohns. Ich habe mit Anfang zwanzig angefangen, Wasserbetten zu verkaufen, weil das mein Ding war, und das ist es bis heute. Man muss einen persönlichen Bezug zu dem haben, was man tut. Durch die Jahre habe ich gelernt, ein Team zusammenzusetzen und es zu entwickeln. Man soll sich nicht täuschen, ich darf nicht konfliktscheu sein. Nicht alle können mit den freien Rahmen leben, wie es bei Akva üblich ist, und dann muss ich Charakter zeigen und den richtigen Kurs vorgeben.

Zwar geht es der Möbelbranche insgesamt sehr gut, aber auch dort hat man sicherlich die Auswirkungen der Finanzkrise seit 2008 mitbekommen. Was bedeutet das konkret in Ihrem Fall für die Arbeitnehmer?

Lars Brunso: Der dänische Arbeitsmarkt ist sehr flexibel. Wir haben zur Zeit 35 Mitarbeiter. Bei guter Auftragslage stellen wir mehr Leute ein. In schlechten Zeiten müssen wir aber auch Mitarbeiter entlassen, allerdings sind die meisten langfristig bei uns. In 2008 gingen die Aufträge aufgrund der Wirtschaftskrise zurück und wir mussten die Lohnkosten senken. Wir wissen aber, dass die dänische Arbeitslosenversicherung dafür sorgt, dass der ehemalige Kollege nicht von Haus und Hof gejagt wird, und wir als Arbeitgeber und Kollegen brauchen kein schlechtes Gewissen zu haben. In Dänemark wie auch Deutschland ist es aber schwierig für einige Menschen, über die Runden zu kommen, weil die Lebenshaltungskosten in Dänemark generell sehr hoch sind.

Das klingt, als würden Sie wirtschaftliches Denken und soziale Verantwortung gut miteinander vereinen…

Lars Brunso: Soziale Verantwortung ist sehr wichtig und nehme ich sehr ernst. Vier Kollegen bei uns haben zum Beispiel eine so genannte Schonanstellung. Sie leiden unter psychischem Stress oder körperlichen Gebrechen….

…was in Deutschland schon ein Grund für den Arbeitgeber sein kann, den Mitarbeiter loswerden zu wollen…

Lars Brunso: Diese Kollegen sind für uns ebenso wichtig wie die anderen auch. Es könnte ja auch mich treffen. Schlaganfall, Verkehrsunfall, niemand ist davor sicher. Trotzdem muss man abgesichert sein. Die beste Versicherung, die es für ein Unternehmen gibt, ist Investition in die eigenen Mitarbeiter.

Dänemark ist bei der Einkommenssteuer Weltmeister

Die Lebenshaltungskosten sind hoch in Dänemark, das Arbeitslosengeld auch, und auch die Steuern. In Deutschland wurde der Spitzensteuersatz in den letzten Jahren immer weiter gesenkt, wer viel verdient, wird entlastet, während eine Entlastung der unteren Einkommensschichten nicht stattfindet. So entsteht ein Missverhältnis…

Lars Brunso: Persönlich zahle ich 57% von meinem Gesamteinkommen an Steuern – die meisten der Kollegen zahlen ca. 40 – 50 % Einkommenssteuer, je nach Höhe ihres Einkommens. Dänemark ist bei der Höhe der Einkommenssteuer Weltmeister. Solange das Geld vernünftig verwendet wird, bin ich – und ebenso die meisten Dänen – damit einverstanden. Problemtisch ist es, wenn Schulen, Krankenhäuser, Pflegeeinrichtungen dennoch unterfinanziert sind und zu viel Geld in der Verwaltung stecken bleibt, was hier in Dänemark heftig diskutiert wird.

Dänemark ist bislang kein Mitglied der Eurozone, die sich durch die Griechenland-Pleite in der Krise befindet. Während einige bereits das Ende des Euro prophezeien, glauben andere, dass die Probleme gelöst werden können…

Lars Brunso: Obwohl der Zeitpunkt kritisch für die Euro-Zone ist, finde ich, Dänemark sollte solidarisch sein und beitreten. Der Euro ist ein gutes Projekt, das Wachstum für möglichst viele Menschen bringt, wenn verantwortungsvoll gewirtschaftet wird. Dank der EU können wir heute viel einfacher über Ländergrenzen hinweg arbeiten und genießen einen insgesamt hohen Lebensstandard auf demokratischer Grundlage. Ich bleibe optimistisch.