Saarland: Wahl mit absehbarem Ausgang

Dass nach der Wahl am 25. März eine große Koalition regiert, steht so gut wie fest. Wer sie führt, allerdings nicht

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Eine Koalition mit der Linken wäre "verantwortungslos", die Grünen verdienen das Prädikat "überflüssig", und wer zweifelt eigentlich daran, dass Sozialdemokraten "die wahren Piraten im Saarland" sind?

Heiko Maas, der Mitte Februar mit einem soliden Volkskammerergebnis von 100 Prozent zum Spitzenkandidaten der SPD gekürt wurde, hat Betriebstemperatur erreicht. Am 25. März will er Ministerpräsident des Saarlandes werden. Vielleicht muss er es auch. Denn wenn Maas ein drittes Mal an der CDU-Konkurrenz scheitert, könnte die große politische Karriere unter irgendeinen Ministersessel fallen. Das Heiko-Maas-Team rührt deshalb fast rund um die Uhr die Werbetrommel und verabredet sich via Facebook auf den Straßen und Plätzen des beschaulichen Bundeslandes.

Heute morgen trefft ihr uns ab 9 Uhr in Malstatt, Hambacher Platz und ab 11 Uhr auf dem Eppelborner Wochenmarkt! Bis gleich.

Heiko-Maas-Team am 13. März 2012

AKK ist kompromissbereit

Annegret Kramp-Karrenbauer, die von manchen Parteifreunden liebevoll "AKK" genannt wird, ist natürlich auch bei Facebook und hat mehr Freunde als ihre Partei. Der Ministerpräsidentin wird der Bruch der Jamaika-Koalition noch immer hoch angerechnet.

Dass man mit der FDP nicht koalieren kann, erscheint den Wählerinnen und Wählern mittlerweile völlig plausibel. Dabei gerät leicht in Vergessenheit, dass Kramp-Karrenbauer erst Teil und später, als sich Vorgänger Peter Müller Richtung Bundesverfassungsgericht verabschiedete, auch Chefin des umstrittenen Bündnisses war.

Nach den letzten Umfragen liegt die Union fast gleichauf mit der SPD. Dieser bemerkenswerte Umstand mag damit zusammenhängen, dass beide Parteien in programmatischer Hinsicht kaum noch zu unterscheiden sind. Im Wahlprogramm der CDU tauchen - hier noch immer mysteriös wirkende - Vokabeln wie "Lohnuntergrenzen" und "Tariftreue" auf. Da ist von einem "öffentlich geförderten sozialen Arbeitsmarkt" die Rede, um die Situation von Langzeitarbeitslosen zu verbessern, und es gibt ein eigenes Kapitel zum Thema "Für Erneuerbare Energien und sozialverträgliche Energiepreise".

Anfang des Monats schloss Annegret Kramp-Karrenbauer zwar noch einmal die Einführung einer Vermögenssteuer aus, signalisierte aber Diskussionsbereitschaft, wenn es um die Erhöhung des Spitzensteuersatzes gehen sollte.

Auf der anderen Seite beschwört die SPD den Industrie- und Energie-standort und propagiert ein umfassendes Sparprogramm, das von der Einhaltung der Schuldengrenze bis zur Verschlankung des öffentlichen Dienstes reicht. Alle Ausgaben sollen auf den Prüfstand kommen, sofern sie nicht für den Bereich Bildung vorgesehen sind. Konkrete Angaben gibt es freilich noch nicht. Auch in Sachen Vernebelungstaktik sind sich Sozial- und Christdemokraten einig - offenbar, um die anstehenden Koalitionsverhandlungen nicht durch irreversible Vorfestlegungen zu belasten.

Warum wird jetzt gewählt?

Unter diesen Umständen bleibt einigermaßen rätselhaft, warum sich SPD und CDU nach dem Bruch der Jamaika-Koalition nicht sofort auf eine Zusammenarbeit verständigen konnten. Bei den Gesprächen mit Heiko Maas habe es viele inhaltliche Schnittmengen gegeben, "und auch die noch bestehenden Differenzen wären in Koalitionsverhandlungen sicher vernünftig zu klären gewesen", ließ Kramp-Karrenbauer am 19. Januar mitteilen. Doch das Land brauche Stabilität - und die Regierung eine Legitimation für fünf Jahre.

Daher sind wir übereingekommen, nicht den Weg einer Übergangsregierung bis 2013 oder 2014 zu beschreiten, sondern schnellstmöglich den Weg für Neuwahlen frei zu machen, um stabile Verhältnisse im Sinne unseres Landes zu erreichen.

Annegret Kramp-Karrenbauer

Für zwei ehemalige Regierungsparteien könnte die Einigung von CDU und SPD auf eine vorläufige Nicht-Einigung bei gleichzeitiger Option auf eine fünfjährige Zusammenarbeit allerdings katastrophale Folgen haben.

Chancenlose Liberale und grüne Zitterpartie

Die FDP wird sich unter dem Motto "Gerade jetzt!" aus dem Landtag verabschieden. Selbst wohlmeinende Umfragen sehen den krisen- und skandalgeschüttelten Landesverband, der nun mit Oliver Luksic einen personellen Neuanfang versucht, nur bei etwa einem Prozent.

Mit dem Mut der Verzweiflung versuchen sich die Saarliberalen als "notwendiges bürgerliches Korrektiv" zu empfehlen und bedienen im Schnellverfahren vermeintlich populäre Themenfelder wie den Zusammenhang von Ehrensold und Ministerpräsidentinnen-Pension oder die Abschaffung der Praxisgebühr.

Auch regionale Streitpunkte - Versäumnisse der Bauaufsicht, der geplante Tunnelbau im Rahmen des Projekts "Stadtmitte am Fluss" oder die Zukunft der Babyklappen - beschäftigen die FDP. Für die Aufarbeitung der eigenen Fehler und den Entwurf eines Programms, das nicht mit den immer gleichen Versatzstücken arbeitet, blieb da keine Zeit mehr. "Als einzige Partei im Saarland macht die FDP die Freiheit des einzelnen Menschen zum Ziel ihrer Politik", heißt es in der Präambel.

Den saarländischen Grünen geht es etwas besser als der FDP, und schon die positive Stimmung wird traditionell mit den Bürgerinnen und Bürgern geteilt. Eine erneute Regierungsbeteiligung ist allerdings praktisch ausgeschlossen, und die Chancen, überhaupt wieder in den Saarbrücker Landtag einzuziehen, stehen nicht besonders gut.

Wie immer wurde ein detailreiches Wahlprogramm erarbeitet, das doppelt so umfangreich ist wie die entsprechenden Vorschläge der meisten Konkurrenten. Doch viele frühere Anhänger haben ihrer nunmehr ehemaligen Partei noch längst nicht verziehen, dass sie überhaupt in die Jamaika-Koalition eingetreten ist. Mit der Rückendeckung eines naheliegenden Regierungspartners brauchen die Grünen nicht zu rechnen.

Wer sich von den Grünen betrogen fühlt, wer ökologische Politik will, sollte auf Nummer sicher gehen und die SPD wählen. Enttäuschte Anhänger der Grünen sind bei uns herzlich willkommen.

Heiko Maas

Und das Verhältnis zur CDU war letztlich auch nur eine Zweckgemeinschaft. Generalsekretär Roland Theis fuhr der grünen Spitzenkandidatin Simone Peter jedenfalls deftig in die Parade, als sie ihre Zeit als Umweltministerin in frischen Frühlingsfarben Revue passieren lassen wollte. Frau Peter sei doch eher eine "Ankündigungsministerin" gewesen und ihre Leistungsbilanz "ziemlich mau", meinte Theis.

Piraten auf Kurs

Die Piraten wurden durch die schnelle Ansetzung von Neuwahlen auf dem falschen Fuß erwischt. Denn der Partei fehlte auch im Saarland das Personal und die Infrastruktur, die für Politprofis im Dauerwahlkampf eigentlich unerlässlich sind.

Doch die Underdogs, denen viele Beobachter den Sprung über die 5-Prozent-Hürde zutrauen, ließen sich nicht entmutigen. Die 22-Jjhrige Spitzenkandidatin Jasmin Maurer will eben auch "Profi-Politikerin" werden, und so wurden in Saarbrücken, Saarlouis, Neunkirchen, dem Saarpfalzkreises, Merzig- Wadern und Losheim am See innerhalb kurzer Zeit Kreisverbände gegründet.

Die politische Geschäftsführerin Marina Weisband und Bundesvorstandsmitglied Matthias Schrade halfen Anfang Februar beim Sammeln von Unterschriften zwecks Wahlzulassung in der Saarbrücker Fußgängerzone. Am vergangenen Wochenende bekamen die Piraten sogar ein funktionsfähiges Wahlprogramm.

Es enthält ein überraschend klares Bekenntnis zur Schuldenbremse und setzt vor allem bildungspolitische Schwerpunkte. Die Abschaffung von Krippe-, Kita- und Kindergartengebühren sowie von Langzeit- und Zweitstudiengebühren steht ebenso auf der Agenda wie die Ablehnung einer Quotierung von Master-Studienplätzen, die Reform des Universitätsrates oder die Stärkung der studentischen Mitbestimmung.

Außerdem wollen die Piraten im Rahmen von Pilotprojekten herausfinden, wie sich die "Arbeitseffizienz in der öffentlichen Verwaltung durch moderne Arbeitsmethodiken" steigern lässt. Kosten sollen dagegen gesenkt werden, etwa durch Open-Source-Software, die statt lizenzierter Programme eingesetzt werden könnte - eine "alte" Lieblingsidee der parteieigenen Hochschulgruppe.

Die berühmten Netzthemen spielten auf dem jüngsten Parteitag allerdings keine Schlüsselrolle. Überhaupt empfanden Beobachter das Treiben im Südwesten als "sehr bürgerlich". Kein Vergleich mit der Hauptstadt also, doch das muss nicht von Nachteil sein, sondern könnte im Gegenteil dazu führen, dass der Partei zum zweiten Mal unter gänzlich veränderten Voraussetzungen der Einzug in ein Länderparlament gelingt.

Thematisch sind die Saar-Piraten erkennbar breiter aufgestellt als viele andere Landesverbände in den vergangenen Jahren. Nur durch den blauen Dunst blickten sie nicht durch. Es gab keinen Beschluss zur Novellierung des Nichtrauchergesetzes, das die Linkspartei vorgeschlagen hatte. "Nichtraucherschutz bzw. Rauchgenuss bleibt demzufolge nach wie vor kein Wahlkampfthema für die Piratenpartei", hieß es in einer Pressemeldung.

Alles Oskar

"Oskar kommt" - "Fragt Oskar" - "Oskar on tour" - kaum ein öffentlicher Auftritt der saarländischen Linken funktioniert ohne das Alphatier, das die Hoffnung auf eine rot-rote Koalition noch längst nicht aufgegeben hat. Wenn die SPD am Ende nur zweitstärkste Kraft werde, dann solle sie doch mal erklären, warum sie als Juniorpartner in eine große Koalition gehe, sagt "de Oskar", der am 25. März wieder ein ansehnliches Ergebnis um die 15 Prozent einfahren könnte.

Dass Oskar Lafontaine und sein politischer Ziehsohn Heiko Maas gemeinsam auf der Regierungsbank Platz nehmen, ist gleichwohl unwahrscheinlich. Die Linke positioniert sich gegen die Schuldenbremse und verlangt stattdessen eine "Millionärssteuer". Darüber hinaus fordern die Genossen den Abzug der Saarlandbrigade aus Afghanistan und die Abschaffung des französischen AKWs Cattenom. Die Regulierung der Finanzmärkte soll dagegen gleich vor Ort angepackt werden. Die Linke will einen gesetzlichen Anspruch auf ein kostenloses Girokonto durchsetzen und dafür sorgen, dass der Jahreszinssatz für Überziehungskredite bei Banken und Sparkassen maximal fünf Prozentpunkte über dem Basiszinssatz liegt.

Für die saarländische Linke dürfte es folglich schwierig bis unmöglich sein, einen Koalitionspartner zu finden. "Oskar" weiß das im Grunde auch - und zitiert vielleicht deshalb so gerne Henry Ford: "Wenn die Leute es verstünden, gäbe es morgen eine Revolution."

Erhalt des Saarlandes

Die Jamaika-Koalition leistete sich neun Ministerien, acht Minister und zehn Staatssekretäre. Eine Steilvorlage für die SPD, die künftig mit sechs Ministerien auskommen will.

Auf die Frage, ob das Saarland nicht selbst ein Kostenfaktor sei, der durch die Zusammenlegung mit Rheinland-Pfalz und vielleicht sogar Hessen deutlich reduziert werden könnte, reagieren die Sozialdemokraten allerdings allergisch. Was Befürworter der "Saarpfalz", wie Cicero-Gründer Wolfram Weimer, nicht davon abhält, den Finger in die Wunde zu legen.

Denn im Grunde ist es egal, wer das Saarland regiert. Es kann ohnedies nicht aus eigener Kraft existieren. Das Bonsai-Bundesland - es ist etwas kleiner als der Landkreis Emsland und etwas größer als der Landkreis Bautzen - hat doch tatsächlich gut zwölf Milliarden Euro Schulden angehäuft.

Wolfram Weimer, 20.02.2012

Heiko Maas, der für die SPD-Mannschaft "Die Roten Hosen" kickt, weist gerne darauf hin, dass das Saarland sogar eine eigene Fußballnationalmannschaft hatte. Das ist historisch korrekt, aber auch schon ein gutes halbes Jahrhundert her. Doch die SPD steht mit ihrem Lokalpatriotismus nicht allein. Selbst die Mehrheit der Anhänger der Linkspartei und auch die Piraten bekennen sich (wie alle anderen Parteien) zum "erklärten Ziel, die Eigenständigkeit des Saarlandes als Bundesland sicherzustellen".

Die Saarländer sehen das Thema deutlich gelassener. Nach einer aktuellen Umfrage lehnt nur jeder zweite die Fusion mit einem größeren Nachbarn ab.