Bayer muss Zwangslizenzierung hinnehmen

Das indische Patentamt entschied, dass der deutsche Konzern eine Firma, die ein Krebsmedikament für drei Prozent des Monopolpreises anbietet, nicht an der Produktion hindern darf

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Das internationale TRIPS-Abkommen soll Monopolansprüche weltweit sichern. Im Bereich von Pharma-Patenten erlaubt es allerdings Zwangslizenzen für Generikahersteller. Die genauen Bedingungen für solche Zwangslizenzen regeln die Landesgesetze der Unterzeichnerstaaten.

In Indien erlaubt Abschnitt 84 Absatz 1 des Patentgesetzes eine Zwangslizenzierung drei Jahre nach Erteilung eines Patents, wenn ein Produkt nicht zu einem "vernünftigen Preis" erhältlich ist. Das indische Patentamt brachte diese Ausnahmeregelung nun erstmals zur Anwendung, indem es feststellte, dass diese Voraussetzung für das Nieren- und Leberkrebsmedikament Sorafenib zutrifft.

Der Multi-Kinase-Inhibitor wird vom deutschen Pharma- und Chemiekonzern Bayer in Indien unter dem Handelsnamen Nexavar nur mit unzureichenden Lieferkapazitäten und zum Einundvierzigfachen des indischen Durchschnittseinkommens angeboten. Deshalb darf Bayer den Generikahersteller Natco aus dem "Biotech Valley" Haiderabad nicht durch Rückgriff auf die staatlich finanzierten Behörden und den Justizapparat daran hindern, das in Indien 2008 patentierte Medikament herzustellen und für drei Prozent des Monopolpreises anzubieten.

Statt für umgerechnet gut 4.200 Euro können Krebskranke nun für etwa 130 Euro monatlich auf Heilung hoffen. Natco muss allerdings sechs Prozent des Umsatzes mit dem Medikament als Zwangslizenzgebühr an Bayer abführen, bis der Patentschutz ausläuft, und 600 Patienten kostenlos mit Sorafenib versorgen.

Der Bayer-Konzern, der mit dem Medikament bereits 2008 einen Jahresumsatz von nahezu einer halben Milliarde Euro erzielte, gab sich von der Entscheidung "enttäuscht" und kündigte an, er wolle nun Möglichkeiten evaluieren, sein "Geistiges Eigentum" in Indien zu "verteidigen". Das Unternehmen versucht seine extrem hohen Preise für Monopolmedikamente mit Aufwendungen für Forschung und Entwicklung zu rechtfertigen, verweigert aber konkrete Auskünfte dazu. Allerdings bezieht der Konzern auch hohe Subventionen, die selbst bei ausgesprochen profitablen Medikamenten nicht an den Steuerzahler zurückfließen. Kritiker bemängeln zudem, dass Pharmakonzerne angeblich doppelt so viel für Marketing wie für Forschung und Entwicklung ausgeben.

Bei Ärzte ohne Grenzen, die den Fall nach eigenen Angaben "sehr genau beobachtet" hat, zeigt man sich hoch erfreut und spricht von einem "Präzedenzfall, der hoffen lässt". Der Hilfsorganisation zufolge machte das indische Patentamt mit seiner "wegweisenden Entscheidung" klar, dass auch ein staatlich gewährtes ein Monopol keine vollständig nach oben offenen Mondpreise erlaubt, weil auch Patienten Rechte haben. Deshalb sollten sich auch andere Generikahersteller um solche Zwangslizenzen bemühen.

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