Sachverstand beachten oder widerlegen

Gegen das Leistungsschutzrecht, gegen Internetsperren und Handyverbote auf dem Schulgelände - das 2. Positionspapier des CSU-Netzrates enthält einige Spitzen gegen althergebrachte Positionen

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Von der CSU ist man harte Law-&-Order-Positionen gewöhnt. Wobei sich, wie sich das im Fall des Bayern-Trojaners gezeigt hat, auch diese Position gegebenenfalls dem übergeordneten Machtanspruch zu fügen hat - falls Gerichte anderer Auffassung sind als der CSU-Innenminister. Sachliche Argumente, die sich dem Primat der Macht nicht unterordnen lassen, haben kaum Chancen, die politische Interessen der gehätschelten Klientel sind wichtiger, dieses Bild vermittelt die CSU oft genug. Aus dieser Perspektive heraus darf man gespannt sein, wie in der Partei auf das neue, das 2. Positionspapier des CSU-Netzrates reagiert wird.

Denn das Papier enthält ein paar bemerkenswerte Positionen, die einige in der Partei vor den Kopf stoßen werden. Im Einzelnen sind das keine außerordentlichen Vorschläge, sondern eher Selbstverständlichkeiten, die aber für die CSU angesichts bisheriger Praxis ungewöhnlich wären.

Sachverständigengutachten

So empfiehlt der Netzrat der Partei zum Beispiel Sachverständigengutachten im IT-Bereich entweder "zu beachten oder zu widerlegen". Das käme angesichts der bisherigen Haltung der CSU gegenüber Expertisen, die ihrem Machtanspruch, beziehungsweise ihrer Klientel nicht entsprechen, geradezu einem Paradigmenwechsel gleich.

Das Papier konzediert, dass Regelungen im IT-Bereich nicht immer leicht zu begreifen sind, umso bedeutsamer aber seien Sachverständige, wenn es um Gesetze in diesem Bereich geht. Diese zu ignorieren, sollte vermieden werden, rät das Papier, das von Dorothee Bär unterzeichnet ist. Denn, wie etwa das Thema Netzsperren gezeigt habe, es gibt die Wahrscheinlichkeit, dass solche Gutachten dann vor Gericht, z.B. in Karlsruhe wieder auftauchen und in die Entscheidung einfließen.

Der Erlass verfassungswidriger Gesetze erhöht nicht gerade das Vertrauen der Öffentlichkeit, das stellt auch das Papier fest und geht noch weiter:

Dabei ist es nicht nur der Erlass verfassungswidriger Gesetze, der die Normakzeptanz verringert. Problematisch ist es auch, wenn der Gesetzgeber solche Ursachen und/oder Wirkungen der Informationstechnik zugrunde legt, die sich leicht widerlegen lassen. Man darf davon ausgehen, dass die wachsamen Bürger Mittel und Wege finden, solcher Politik gebündelten Sachverstand entgegen zu setzen.

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Smartphones auf dem Schulgelände

Eine ähnlich auf das Interesse von Nutzern ausgerichtete Position vertritt der Entwurf beim Thema Smartphones und anderen Mobilgeräten auf dem Schulgelände:

Dass ein Verbot von Smartphones und ähnlichen Geräten auf dem Schulgelände als abzuschaffender Anachronismus zu betrachten ist, verstehen wir als Selbstverständlichkeit.

Das dürfte einigen Eltern, die sich in einem rigiden Konservatismus der Partei nahe fühlen, verblüffen. Das Handyverbot stehe im Widerspruch zu gesetzlichen Regelungen, heißt es von Seiten des CSU-Netzrates, obendrein sei die Einbehaltung von Mobilgeräten verfassungsrechtlich problematisch. Man plädiert für eine Öffnung statt dem sturen Nein, das Thema, wie und welcher Form die Smartphones erlaubt sind, muss im Schulalltag thematisiert werden.

Wir müssen aber in unserer Gesellschaft dahin kommen, dass die Chancen dieser Geräte vor allem unter Lern- und Kommunikationsgesichtspunkten gesehen wird und lediglich Missbrauch unterbunden wird.

Dafür seien auch urheberrechtliche Vereinfachungen und Anpassungen nötig, fordern die Verfasser - mit einem Seitenhieb auf die GEMA. Man halte es für "unerlässlich, dass z. B. Kinderlieder, die der sprachlichen wie räumlichen Verankerung in der Heimat dienen, GEMA-frei für den Gebrauch in Kindertagestätten, Kindergärten und Schulen vervielfältigbar sind".

Förderung der "vierten Kulturtechnik" - Tablet-PC für jedes Kind und flächendeckende Hochleistungsnetze

Die Haltung, aus der heraus das Papier gegen bestimmte Regelungen und Verbote argumentiert, die von vielen als Schikane verstanden werden, wie exemplarisch etwa Internetsperren aufgrund der Three-Strikes-Regelungen, begründet man aus der Anschauung, wonach das Internet zur Grundversorgung gehört "wie Strom und fließend Wasser". Daher habe der Staat auch grundlegend für die nötige Infrastruktur zu sorgen - mit dem "flächendeckenden Ausbau von Hochleistungsnetzen mit Downloadraten von mindestens 50 Mbit/s bis zum Jahr 2015" und der "Sicherung und Gewährleistung der Netzneutralität,".

Die Schule müsse dem Rechnung tragen, dass das Internet zur "vierten Kulturtechnik" nach Rechnen, Schreiben und Lesen wird. Der spektakulärste Vorschlag, den der CSU-Netzrat-Entwurf, der den Themen Bildung und Sicherheit gewidmet ist, für die Ausbildung zur IT-Kompetenz in der Schule liefert, ist die Forderung "Für jedes Kind einen Tablet-PC". Das würde gewährleisten, dass die Schüler durch den Einsatz von digitalen Schulmitteln für jedermann auf aktuellem Stand bleiben. Zudem würden hohe Anschaffungskosten für Bücher vermieden.

Leistungsschutzrecht - der falsche Weg

Auch auf veränderte Bedingungen des Journalismus geht das vorliegende Papier ein. Es erwähnt die veränderten Gegebenheiten durch das Netz, das alte Rollenverständnisse von Sender und Empfänger völlig verändert hat. Dass sich Netzuser nicht mehr mit der "Rolle der reinen (Informations-) Konsumenten zufrieden" geben, ist ja längst keine neue Erkenntnis mehr. Aber, und das ist eine erfreuliche Spitze des CSU-Papiers gegen eine Lobby, die auch in dieser Partei zuhause ist, man kritisiert in deutlichen Worten das Leistungsschutzrecht, das vor kurzem von der Regierungskoalition in Berlin beschlossen wurde.

Das sei der falsche Weg, heißt es. Die "isolierte Forderung" der Verleger wird als Suche nach "einfachen Lösungen und bequemer Sicherung des Status Quo" beschrieben - einer der Anachronismen, dem das Papier die Interessen der Nutzer entgegenhält. Der Dialog mit den Nutzern sei die entscheidende Komponente. Man wird sehen, wie der Dialog innerhalb der Partei zu den Positionen des CSU-Netzrates ausfallen wird.