Die unendliche Diskussion über Gauck

Das weitgehende funktionslose Amt des Bundespräsidenten ist mit Wulff und den mühsamen Scheindiskussionen über Gauck am Ende, schaffen wir es doch einfach ab

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Endlich hatten wir Wulff hinter uns gelassen, da kam schon das neue Phantom in den Medien auf. Nachdem sich die FDP aus dem Fenster gelehnt und gegen die Union den einst verschmähten Joachim Gauck als Bundespräsidentenkandidaten vorgeschlagen, womit die Liberalen auch gleich die Grünen und SPD vor ihren Karren spannten, die sich ja nun schlecht gegen ihren gegen Wulff aufgebotenen Kandidaten stemmen konnten, wird Deutschland also einen ehemaligen Theologen aus der DDR, aber immerhin eher parteifernen als Präsidenten erhalten.

Es war ein taktisches Spiel, das schon damit anfing, dass Merkel nur SPD und Grüne zur Findung mit eingeladen hatte, die Linken aber außen vor ließ. Die kritisierten zu Recht das seltsame Spiel der Ausgrenzung und stellten mit Beate Klarsfeld eine zwar achtbare, aber chancenlose, jedenfalls ebenso wie Gauck in der Vergangenheit verwurzelte Person als Gegenkandidatin auf. So ist dies wohl in einer alternden Gesellschaft, in der die großen Parteien Seniorenparteien sind. Erstaunen musste man, wie denn auch die neue große Koalition aus Union, SPD, Grünen und Liberalen ihren Kandidaten als mehr weniger alternativlos und großen Wurf pries - bis zur Schamlosigkeit durch Selbstverleugnung. Dann wurde, nachdem aus der Linkspartei, von einigen Bürgerrechtlern und anderen außerparlamentarischen Organisationen wie attac Kritik an Gauck und seiner Freiheitsideologie laut wurde, der Kandidat mit seinen Sätzen auf das Analysebett gelegt, um zu sehen, wohin mit ihm die Reise geht. Das ist richtig. Wir wollen wissen, mit wem wir es tun haben, schließlich soll der Bundespräsident irgendwie alle Bürger repräsentieren, über den Parteien stehen und, nicht zuletzt, die Gesetze abklopfen. Aber die Scheindebatten, die über den Präsidentschaftskandidaten und seine mögliche politische Haltung in den Medien geführt wurden, suggerierten, dass wir einen Einfluss auf seine Wahl haben könnten. Nichts ist weniger wahr. Die Parteien entscheiden für uns, egal was das Volk meint. Sie haben Wulff installiert, jetzt eben Gauck.

Wir schauen den taktischen Spielen zu, die Medien inszenieren aufgeregt eine Entscheidung, die schon längst gefallen ist. Was anderes wäre es, wenn die Menschen tatsächlich den Bundespräsidenten wählen könnten. Die Palette wäre auf jeden Fall weiter als jetzt mit Gauck und Klarsfeld gewesen. Vielleicht hätte es auch eine Frau, ein junger Mensch, eine Person mit wirklich interessanten politischen Ansichten, die über die Tagespolitik hinausreichen und nicht pastoral sind, eine Möglichkeit gehabt. In der Tat wäre es ja interessant, nicht eine Partei, sondern eine Person zu wählen. Aber dafür setzt sich keine Partei wirklich ein, man will ja nicht an Einfluss verlieren.

Nach all den Kommentaren, Kritiken, Lobpreisungen und Talkshows sind wir endgültig müde. Schon Wulff hat es geschafft, dass das Amt des Bundespräsidenten jede Bedeutung verloren hat. Eigentlich ist es egal, wer dort sitzt. Einen funktionslosen Präsidenten, der nur die Machtkonstellation und Interessen der Parteien repräsentiert, brauchen wir ebenso wenig wie einen Monarchen. Für die Gesetze gibt es das Bundesverfassungsgericht. Diskussionen auslösen können auch andere Personen, repräsentieren wird eine differenzierte Gesellschaft sowieso keine einzelne Person können.

Wir sind reif dafür, mit überkommenen Strukturen und Ämtern Schluss zu machen und verzichten auf den Bundespräsidenten, auf dieses Phantom im Schloss Bellevue, das gelegentlich mal Reden hält und gerne Orden verleiht. Vielleicht entsteht ja auch in Gauck der Gedanke, nicht nur den Ehrensold und alles andere in seiner Amtsszeit anders zu gestalten, sondern auch den Boden dafür zu schaffen, entweder den Bundespräsidenten vom Volk wählen zu lassen und ihm eine andere Position zu verschaffen oder den Posten - noch besser - gleich abzuschaffen. Zu befürchten ist, dass alles so weiter läuft.