Subvention verbeamteter Langweiligkeit

Das Buch "Der Kulturinfarkt" propagiert einen Bruch mit Traditionen in der Kulturförderung und wirbelt damit schon vor seinem Erscheinen viel Staub in politisch-bürokratischen Netzwerken auf

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Am 20. März erscheint beim Münchner Knaus Verlag ein Buch, über das bereits jetzt viel geschrieben wird: In Der Kulturinfarkt - Von Allem zu viel und überall das Gleiche stellen Dieter Haselbach, Armin Klein, Pius Knüsel und Stephan Opitz die These auf, dass die stetig wachsenden öffentlichen Kultursubventionen eher einer gut vernetzten und bequem eingerichteten Bürokratie als der Entstehung und Zugänglichmachung interessanter Werke zugutekommen.

Ähnliches wurde in der Vergangenheit zwar schon öfter festgestellt, aber noch nie von einem Leiter eines Zentrums für Kulturforschung (Haselbach), einem Vorstandsmitglied einer kulturpolitischen Gesellschaft (Klein), einem Direktor der Schweizer Kulturstiftung Pro Helvetia (Knüsel) und einem Referatsleiter für kulturelle Grundsatzfragen in einem Ministerium für Bildung und Kultur (Opitz) zusammen. Alle diese Einrichtungen profitierten nämlich in der Vergangenheit von öffentlicher Bezuschussung.

Als Stein des Anstoßes dient Haselbach, Klein, Knüsel und Opitz die Feststellung, dass das öffentlich geförderte Angebot an Opern, Theateraufführungen und dergleichen zwar ständig wächst – aber nur von einer gleich bleibenden Zahl von Personen wahrgenommen wird. Die Kulturpolitik als "Auftrag an viele zur normativen Anpassung an wenige", wie sie der Sozialdemokratie und den Erbauungstheoretikern im 20. Jahrhundert vorschwebte, sehen sie deshalb an der Empirie gescheitert, was man auch an sinnfreien Slogans wie "Theater muss sein!" merke.

Hat man das einmal akzeptiert, dann kann man die "ästhetische Erziehung des Menschengeschlechts" als Staatsaufgabe streichen und Kulturfördersysteme so umbauen, dass sie ordnungspolitisch Regeln setzen, "in denen [sich] die Menschen, frei und ihrer selbst mächtig […] entfalten". Dieses neue Ziel vor Augen könnte man nach Ansicht der Vier Mittel, die bislang in hoch subventionierte und weitgehend innovationsfreie Theater und Opern fließen, zur Hälfte in Maßnahmen abseits der etablierten Einrichtungen stecken. Denkbar wäre hier beispielsweise ein Ausbau der Künstlersozialkasse oder eine Art Künstlergrundsicherung, die auch neueren motivationspsychologischen Erkenntnissen zur Anreizsetzung gerecht werden würde.

Der Aufschrei, der nach der Vorabveröffentlichung dieser Thesen im Spiegel erfolgte, war erwartbar: Olaf Zimmermann von der Lobbyorganisation Deutscher Kulturrat zeigte sich "irritiert" und meinte, der "Kulturbereich" sei ein "sehr kniffliges Gebilde mit zahlreichen Verflechtungen", weshalb man mit Subventionskürzungen auch die "Kulturwirtschaft" treffe. Außerdem könnte eine Kürzung der Kulturetats um die Hälfte die öffentlichen Haushalte "nicht nennenswert" entlasten. Angesicht von jährlich fast 10 Milliarden Euro, die in solche Töpfe fließen, scheint Zimmermann das Wort "nennenswert" allerdings in etwas eigenwilliger Weise zu gebrauchen.

Auch die CDU-Abgeordnete Monika Grütters, die dem Ausschuss für Kultur und Medien vorsitzt, wies die Thesen des Buchs zurück. Ihr Argument, man fördere ja bereits jetzt den "Nonkonformismus", wirft freilich die Frage auf, inwieweit einem Staat als Mäzen so etwas tatsächlich möglich ist. Dass der Versuch in der Praxis zumindest in Einzelfällen zu interessanten Ergebnissen führen kann, zeigt die auf YouTube zugängliche Rede Thomas Braschs zur Annahme des Bayerischen Filmpreises 1981 und die nicht weniger unterhaltsame Entgegnung des damaligen bayerischen Ministerpräsidenten Franz-Josef Strauß.

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