"Im Maschinenraum hätten viele Frauen das Nachsehen"

Warum die Frauenquote für Familienministerin Schröder aus richtigen Gründen ein Fehler ist und sie trotzdem falsch liegt

Der folgende Beitrag ist vor 2021 erschienen. Unsere Redaktion hat seither ein neues Leitbild und redaktionelle Standards. Weitere Informationen finden Sie hier.

7 Männern in Führungspositionen großer europäischer Unternehmen steht statistisch 1 Frau gegenüber. Dieser Unterschied findet sich in aktuellen Zahlen der EU-Kommission. Für die EU-Kommissarin Viviane Reding war das Missverhältniss, das sich darin ausdrückt, und die mangelnde Bereitschaft der Unternehmer daran etwas aus eigener Initiative zu ändern, Anlass etwas auf die Pauke zu hauen: "You can count on my regulatory creativity." (Frauen machen weniger Fehler...)

Seither taucht hier und da in Diskussionen über Geschlechtergerechtigkeit das Gespenst einer möglichen EU-Verordnung zur Einführung einer Frauenquote auf. Auch die deutsche Familienministerin hat es gesehen.

Sie halte nichts von der Frauenquote, aus frauenpolitischer Sicht sei das sogar ein Fehler, sie wolle sich dagegen "verwahren, dass sich Deutschland so etwas von der EU diktieren lässt", schreibt Kristina Schröder gestern: Warum ich nicht auf den Quotenzug aufspringe. In ihrer Argumentation, die fragwürdige Klischees ausläßt, die von Reding vorgebracht werden ("Frauen machen weniger Fehler"), bietet sie vieles auf, was gegen die sogenannte Einheitsquote spricht und wie schon beim Titel ihres Kommentars ersichtlich bemüht sie sich dabei um anschauliche Standpunkte.

Ein solcher Wandel einer Unternehmenskultur funktioniere nicht "per ordre de mufti". Die Quote erscheine ihr nicht gerecht, da sie möglicherweise eine "Kollektivhaftung" impliziert, "massive Diskriminierung" auf der anderen Seite:

Wenn jemand eindeutig besser für einen Job qualifiziert ist und ihn nur deshalb nicht bekommt, weil der Staat eine Geschlechterquote diktiert, dann ist das eine klare Benachteiligung aufgrund des Geschlechts. Ein einzelner Mensch sollte nicht dafür haftbar gemacht werden, was Generationen seiner Geschlechtsgenossen falsch gemacht haben.

Die Quote arbeite sich nur an einem Symptom ab und erreicht nicht das wahre Ziel der Geschlechtergerechtigkeit in den Unternehmen, so die Familienministerin. Schröder packt das in ein anschauliches Bild: "Das Sonnendeck wäre optisch weiblicher. Im Maschinenraum hätten viele Frauen das Nachsehen." Schröder will demnach mehr und Größeres, dass die Arbeitsplätze in Unternehmen insgesamt gerechter auf Frauen und Männer verteilt werden. In Norwegen hab sich gezeigt, dass die 40-Prozent-Quote für Aufsichtsräte keinen Einfluss auf das Einstellungsverhalten von Firmen gehabt habe, zitiert sie eine Expertin. Ihr gehe es aber um Chancen für alle, "statt einen Quotenaufzug für wenige".

Schrödersche Ursachenforschung

Ab diesem Punkt wird es interessant, die Familienministerin will an die Ursachen - und verliert auf dem Weg dorthin jede Schärfe, statt, wie durch die schneidigen Formulierungen suggeriert, radikal zu werden. Hatte sie zuvor das Ziel ausgemacht, den Wandel der Unternehmenskultur, so bedient sie sich jetzt der Konturlosigkeit die Suffixen wie -kultur oder -welt anhaften, um im Vagen zu bleiben.

Man müsse die Diskussion in die Unternehmen selbst bringen, fordert sie: "und zwar durch die Verpflichtung der Unternehmen, sich klar und transparent zu dieser Frage zu positionieren und in den Unternehmen eine konsequente, gesetzlich abgesicherte Bewegung von unten zu ermöglichen." Die Arbeitswelt müsse "weiblicher werden". Das müsse "wachsen und begleitet werden von einer couragierten Arbeitsmarktpolitik". Was Schröder damit meint, hat sie zuvor im "Klartext" formuliert:

Wir müssen weg von Arbeitsstrukturen, die nur diejenigen nach oben lassen, denen zu Hause jemand den Kühlschrank füllt, den Nachwuchs versorgt und den Nachschub an frisch gebügelter Kleidung sicherstellt.

Das ist an Harmlosigkeit kaum zu übertreffen, das beifällige Nicken der Unternehmer ist Schröder mit solchen unverbindlichen Beschreibungen gewiss sicher, freundliche Absichtserklärungen gratis dazu, aber erreichen wird sie damit nichts. Das dürfte der Politikerin auch klar sein. Sie kennt das Geschäft. Man kann davon ausgehen, dass hinter ihrer Konfliktscheu Methode steckt. Dass sie von Unternehmern gar nichts abverlangt, nichts was diesen irgendwie schmerzliche Konzessionen zumuten würde, zeigte Schröder schon vor ein paar Tagen beim Familienbericht.

Flexibilität ganz auf Seiten der Arbeitnehmer

Auch dort hieß der zentrale Begriff "Flexibilität": Die Familienministerin empfiehlt flexible Arbeitszeiten für Eltern, berichtete die Tagesschau. Konkrete Ergebnisse im Sinne der Eltern gab es aber nur bei der Elternzeit: "Künftig werde es möglich sein, bis zu 24 Monate der maximal dreijährigen Elternzeit auf den Zeitraum bis zum 15. Geburtstag des Kindes aufzuteilen." Die Frage, inwieweit sich Unternehmen flexibel zeigen, wenn man mehr von ihnen abverlangt, etwa Verkürzung der Arbeitszeiten für Eltern von jüngeren Kindern, Mitfinanzierung der Betreuungskosten, aktive Mithilfe beim Ausbau von Betreungsmöglichkeiten, brachte Schröder gar nicht auf den Tisch.

Sowohl die Frage der Geschlechtergerechtigkeit auf dem Arbeitsmarkt wie die nach besseren Arbeitsbedingungen von Eltern von Kindern im Schulalter oder jünger ist schwierig zu beantworten, jedenfalls nicht ohne in Konflikte mit den Unternehmen zu geraten, die im Kern alles so halten wollen, wie es ist. Mit ihnen sitzt die Ministerin Kristina Schröder im selben Zug. Mitfahrer machen aber keine Politik, die neue Richtungen einschlägt.