Die deutsche Strategie zur Rohstoffsicherung nimmt Gestalt an

Deutschland baut zielstrebig ein staatlich-privates Netz zur Versorgung der Wirtschaft mit wertvollen Industrierohstoffen auf

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Wie der Bundesverband der deutschen Industrie (BDI) kürzlich in einer Presseerklärung mitteilte, haben sich eine ganze Reihe namhafter deutscher Unternehmen entschlossen, eine Allianz zur Rohstoffsicherung (ARS) zu gründen. Das Projekt ergänzt die kürzlich durch die Bundesregierung ins Leben gerufene Rohstoffagentur (Deutsche Rohstoffagentur untersucht die Potenziale für Schiefergas in Deutschland). Das Ziel der ARS ist in erster Linie der Aufkauf und die wirtschaftliche Nutzung von Beteiligungen an Rohstoffprojekten. Nach Jahren der Abstinenz will Deutschland nun wieder ein Player auf dem immer heißer umkämpften Markt für Industrierohstoffe werden.

Vorbei sind die Jahre günstiger Rohstoffe. Seit Schwellenländer wie China oder Indien einen immer größeren Hunger auf wertvolle Industriemetalle entwickelt haben, sind die Preise dafür durch die Decke geschossen. Insbesondere die Metalle der Gruppe der Seltenen Erden werden immer gefragter. Denn nahezu jede neue Technologie ist auf diese Rohstoffe angewiesen. Kein Handy, kein Windkraftrad und kein iPhone kann ohne Neodym oder Lanthan hergestellt werden.

Aus diesem Grund hat der ehemalige Bundeswirtschaftsminister, Rainer Brüderle (FDP), im vergangenen Jahr eine neue Strategie zur Versorgung der Industrie mit kritischen Rohstoffen angestoßen. Im April des vergangenen Jahres hat er verkündet, dass die Bundesanstalt für Geowissenschaften und Rohstoffe (BGR) zur zentralen Rohstoffagentur Deutschlands ausgebaut werden soll.

Türen zu Vorkommen öffnen

Das Ziel dieser Rohstoffagentur ist die Beratung der Industrie bei der Beschaffung eben dieser Industriemetalle. Für den Abbau jedoch sollen die deutschen Unternehmen selbst sorgen. Der Staat, so der liberale Minister, werde den kommenden Versorgungsengpass nicht überbrücken. Zwar könnten verschiedene Ministerien Hilfestellung leisten, auch könnte die Kanzlerin oder der Außenminister in verschiedenen Regionen die Tür zu den dort lagernden Vorkommen öffnen. Für den Abbau sei die Wirtschaft jedoch selbst verantwortlich. Das Ziel dieser damals angestoßenen Politik ist der Aufbau eines staatlich-privaten Netzwerkes zur Rohstoffversorgung der Bundesrepublik. Mit der Gründung der ARS löst der Bundesverband der Deutschen Industrie (BDI) nun seinen Teil der Verabredung ein.

"Die Allianz hat den Aufbau von Beteiligungen an Rohstoffprojekten zum Ziel, um die Versorgung der Industrie mit Rohstoffen zu verbessern", sagte BDI-Vizepräsident Ulrich Grillo.

Wir arbeiten gemeinsam an dem Aufbau eines schlagkräftigen Unternehmens, das die Rohstoffsicherheit Deutschlands nachhaltig verbessern soll.

Zum Geschäftsführer wurde der E.ON Vorstand Dr. Dierk Paskert ernannt.

Die Mitgliederliste dieser Allianz liest sich wie das "Who is Who" der deutschen Großindustrie. Neben allseits bekannten Namen wie ThyssenKrupp, BMW und BASF werden dort ebenso die Wacker-Chemie, Daimler-Benz oder Stahl-Holding-Saar aufgeführt. Derzeit befindet sich die Rohstoffallianz noch ihn ihrer Gründungsphase.

Neben den privaten Unternehmen und dem BGR ist auch das Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (BMZ) mit von der Partie. Die Parlamentarische Staatssekretärin beim BMZ, Gudrun Kopp (FDP), sagte dazu:

Ich begrüße diesen Vorstoß der deutschen Wirtschaft ausdrücklich. Der Rohstoffabbau ist für viele Entwicklungsländer von erheblicher Bedeutung: Steuereinnahmen, Infrastrukturentwicklung, Ausbildungsmaßnahmen und die damit in Verbindung stehende Entstehung von Zulieferindustrien können in großem Umfang zur Entwicklung aus eigener Kraft beitragen.

Die vom BMZ initiierte globale entwicklungspolitische Rohstoffinitiative (GeRI) ziele unter anderem darauf ab, Einnahmen, die im Rohstoffsektor ressourcenreicher Entwicklungsländer erzielt würden, für deren soziale und ökonomische Entwicklung zu nutzen.

Lohnende Entwicklungshilfe?

Auch die Kanzlerin hat bereits ihren Teil zum Gelingen des Projektes beigetragen. So machte sie sich bereits im Februar des vergangenen Jahres nach Kasachstan auf, um dort persönlich für die Rohstoffinteressen der deutschen Industrie einzutreten. Gekrönt wurde dieser Besuch durch die Gründung einer engen Partnerschaft der beiden Länder beim Abbau der dort vorhandenen Industriemetalle.

Für die kommende wirtschaftliche Entwicklung der Bundesrepublik scheinen daher die Weichen für die Zukunft gut gestellt zu sein. Denn es liegt auf der Hand, dass die Unternehmen nur bei einer reibungslosen Versorgung mit den wichtigen Rohstoffen für die Zukunftstechnologien auch weiterhin erfolgreich am Markt bestehen können. Ob sich diese Partnerschaft zwischen deutscher Wirtschaft und Regierung jedoch auch für die angepeilten Lieferstaaten lohnen wird, bleibt abzuwarten. Gudrun Knopp sagte diesbezüglich:

Roh­stoff­reich­tum soll zu Wohl­stand für die Bevöl­kerung und einer nach­halti­gen Ent­wick­lung führen. Zum Beispiel ist die Tonne Kohle auf mon­go­li­schem Boden 70 Dollar wert. Direkt hinter der Gren­ze steht eine Kohle­wasch­an­lage, danach ist die gleiche Tonne etwa zwei bis drei­mal so viel wert. Wir wollen, dass dieser Mehr­wert in der Mon­go­lei ent­steht. Daher ist der Bau einer Kohle­wasch­an­lage in der Mongo­lei ge­plant, um Wert­schöpfungs­ketten im Land aufzu­bauen und so die Bedin­gun­gen für lang­fristi­gen Erfolg zu schaffen.

Bei Dirk Niebel, Bundesentwicklungsminister und überzeugter Träger von Fallschirmjägermützen bei Besuchen in der Dritten Welt, liest sich dies folgendermaßen: In einem Interview mit der Zeit sprach er davon, dass von jedem Euro, der für die bilaterale Entwicklungszusammenarbeit ausgegeben werde, 1,80 € in die deutsche Wirtschaft zurückfließe.

Bei dem Besuch des kasachischen Präsidenten und Alleinherrschers Nasarbajew sagte die Kanzlerin der Presse anschließend, sie habe auch die Menschenrechtslage und die Einhaltung demokratischer Prinzipien in Kasachstan angesprochen. Seit September 2010 ermittelt die Schweizer Staatsanwaltschaft gegen ihn und seinen Schwiegersohn Timur Kulibajew wegen des Verdachtes auf Geldwäsche.

Im Zuge dieses Prozesses wurden 120 Mio. US-Dollar blockiert, die aus Ölgeschäften stammten. Das private Vermögen des Nasarbajew-Clans wird derzeit auf etwa sieben Milliarden US-Dollar geschätzt. Wie groß der Anteil für die Bevölkerung an den aus dem deutsch-kasachischen Rohstoffdeal bald reichlich fließenden Milliarden sein wird, ist bislang noch nicht an die Öffentlichkeit gelangt.