Berliner Jusos unterstützen ggf. gezielte Militäraktion gegen Iran

Anmerkungen zu einer "konfliktträchtigen Erklärung"

Der folgende Beitrag ist vor 2021 erschienen. Unsere Redaktion hat seither ein neues Leitbild und redaktionelle Standards. Weitere Informationen finden Sie hier.

Die Berliner Jusos haben eine "konfliktträchtige Erklärung" verfasst, in der sie sich für einen Militärschlag gegen den Iran aussprechen, "im Gegensatz zur Mutterpartei SPD". Dies meldete gestern der Tagesspiegel. Der Bericht hat einiges Aufsehen erregt - siehe etwa Berliner Jusos im Abseits. Der Geschäftsführer der Berliner SPD, Rüdiger Scholz, stellte klar, die Position der Jusos ist "nicht die der Partei". Auch der Juso-Bundeschef Sascha Vogt wolle sich die Forderung nicht zu eigen machen, heißt es. Nun haben die Berliner Jusos die ganze Resolution im Wortlaut veröffentlicht.

Alpha und Omega der Erklärung ist die Solidarität mit Israel. Die Berliner-Juso-Resolution betont sie auf eine Weise, wie dies auf Seiten der deutschen Linken selten ist. Das israelische Existenzrecht darf keine Floskel sein, heißt es in der Erklärung. Daraus ergeben sich für die Berliner Jungsozialisten klare Positionen: "Es gibt keinen Frieden (mit) den Feinden Israels, stattdessen wollen wir Frieden für Israel und Palästina." Aus dieser grundsätzlichen programmatischen Haltung leitet sich auch die Position im sogenannten Atomkonflikt mit Iran ab, die das eingangs erwähnte Bekenntnis zur Unterstützung israelischer Militäraktionen gegen Iran einschließt:

Wem das Existenzrechts Israels am Herzen liegt, der muss allen voran die iranische Bombe verhindern! Sollte eine Isolierung des iranischen Regimes keinen Erfolg haben und keine diplomatischen Mittel mehr zur Verfügung stehen, um die atomare Bewaffnung des Iran zu verhindern, dann bedeutet Solidarität mit Israel auch ggf. die Unterstützung einer gezielten Militäraktion gegen das iranische Atomwaffenprogramm.

Das ist ein klares Bekenntnis in einer komplizierten Angelegenheit, aber ist es auch politisch klug? Man wählt die richtige Seite und damit sind alle Fragen geklärt? Selbstverständlich kann es in Deutschland, wenn es darum geht, dass Israels Existenz gefährdet ist, grundsätzlich nur die Solidarität mit Israel geben. Die Bedrohung Israels ist aber genau der Punkt, der im Fall des Atomkonflikts Teil des Problems ist, das mit Solidaritätserklärungen allein nicht angemessen behandelt wird.

Der Atomkonflikt ist auch ein Konflikt unterschiedlicher geostrategischer Interessen. Diesen Konflikt einzig auf das Existenzrecht Israels zu reduzieren, klammert Machtinteressen, die im regionalen Spiel sind, aus. Das kann man feststellen, ohne die Machtinteressen der USA, Israels, Irans, Russlands, Chinas oder der Golfkooperationsstaaten gleich wieder der Gut/Böse-Schablone zuzuführen. Zu diesem regionalen Kontext gehört auch, dass ein militärischer Angriff auf Irans Anlagen in der Region unabsehbare Folgen hätte. In der Unterstützungserklärung der Berliner Jusos kommt dies gar nicht zur Sprache. Das ist ein blinder Fleck - nicht der einzige in der Resolution.

Die Solidaritätserklärung unternimmt in großen Teilen eine Analyse schwieriger Phänomene, die mit dem Bild Israels in der deutschen Öffentlichkeit zu tun haben, und macht es sich andererseits, mit der daraus erschlossenen Grundhaltung zu einfach bei Fragen, die israelische Interessenspolitik betreffen, weil die Freund/Feind-Haltung die Perspektive bestimmt.

Deutsche, die sich mit dem befasst haben, was sich in ihrem Land an Grausamkeiten gegenüber Juden zugetragen hat, sind in der Israelfrage befangen - wenn man sich das näher vor Augen führt, bietet da auch die späte Geburt keinen Ausweg. Insofern ist gegenüber der sogenannten "Israelkritik" tatsächlich Skepsis angebracht, weil sich dort Ressentiments, die mit dieser Befangenheit in Zusammenhang stehen, Befreiung verschaffen. Die von den Berliner Jusos gemachte Beobachtung, wonach "dämonisierende und delegitimierende Töne" gegenüber Israel "subtilen Eingang" in die politische und öffentliche Auseinandersetzung finden, trifft zu. Aus manchen israelkritischen Äußerungen sind antisemitische Töne herauszuhören, die spätenstens dann offensichtlicher werden, wenn die Kritik ins Emotionale überspringt.

Doch werden in dem Berliner Juso-Papier daraus Folgen gezogen, die das Problemfeld wechseln:

Inakzeptable Israelkritik findet aber auch Eingang in die internationale, institutionalisierte Politik. Im Zuge dessen werden doppelte Standards an das Handeln Israels angelegt. So wird von Israel zum Einen das Wiederaufnehmen von Verhandlungen und die Einstellung von Aktionen wie dem Siedlungsbau gefordert, während unstreitig berechtigte Ansprüche Israels wie die Anerkennung des eigenen Existenzrechts durch die palästinensichen Vertreterinnen ignoriert werden.

Hier werden unterschiedlichste politische Themen in eins gemischt, um der eingenommenen Überblickswarte, die ganz von Antisemitismus gebannt ist, zu entsprechen. Die Frage des Siedlungsausbaus hat als politisches Problem zuerst einmal nichts mit Antisemitismus zu tun. Es ist ein Streit zwischen Ansprüchen der Palästinenser und Expansionswünschen israelischer Siedler, die von bestimmenden Teilen der israelischen Regierung unterstützt werden. Worin sich politische Interessen zeigen, die allein mit der bedrohlichen Situation Israels nicht erschöpfend erklärt sind. Sich aus Solidaritätsgründen auch in dieser Frage grundsätzlich an der Seite einer Regierung(!) zu positionieren, ist als politisches Statement einzig eine Haltungsbekundung, aber keine Erhellung und nichts, was einer politischen Lösung irgendwie nützlich wäre.

Blinde Flecken

Die blinden Flecken der Pauschal-Solidarität zeigt sich auch in der Frage des Atomkonflikts. Das Berliner Juso-Papier nimmt israelische Positionen als gegeben, ohne danach zu fragen, ob es nicht auch anders sein könnte.

Laut Berichten der IAEO hat der Iran die internationale Weltgemeinschaft seit Jahren über seine wahren nuklearen Ambitionen getäuscht. Es gibt keinen Zweifel daran, dass das Mullah-Regime Atomwaffen anstrebt. In der Vergangenheit hat der Iran keinen Hehl daraus gemacht, Israel wenn möglich von der Landkarte zu streichen.

Der Beweis für die "wahren nuklearen Ambitionen" Irans steht noch aus; selbst die CIA ist sich nicht sicher und auch das IAEO sucht noch danach. Es gibt keinen Zweifel daran, dass ein Bedrohungsszenario "Iran" aufgebaut wird, kein Tag, an dem nicht über solches zu lesen wäre. Es gibt aber wohl Zweifel daran, dass die Führung Irans tatsächlich Atomwaffen anstrebt. So wie es Zweifel daran gibt, ob sich die komplizierten politischen Machtverhältnisse in Iran mit dem Begriff "Mullah-Regime" tatsächlich auf einem politisch anspruchsvolleren Niveau erfassen lassen. Ob da monolithisch in einem komplizierten politischen System ein Block die Vorgaben macht, etwa die Atombombe zu bauen, obwohl der "oberste Mullah" (Khamenei) aus religiösen Gründen stets das Verbot einer solchen Waffe verkündet, ist eine ungesicherte Hypothese.

Einige Wahrscheinlichkeit hat demgegenüber die Annahme, dass Iran an nuklearen Sprengköpfen arbeitet oder sich das Know-How dafür verschaffen wird, je stärker die militärisch-nationalistischen Kräfte im Land die Bedrohung durch den Westen geltend machen können. Dazu gehören etwa die Angriffspläne auf seine Anlagen. Das ist ein schwieriges politisches Spiel, bei dem sich eine Seite durch die Bedrohung der anderen aufschaukelt. Einfache Antworten gibt es dafür nicht. Umso weniger, wenn mehr auf Misstrauen denn auf Vertrauen gesetzt wird. Einen interessanten politisch-strategischen Ansatz zur Deeskalation bietet die Resolution der Berliner Jungsozialisten dazu nicht.