Polizei soll größere Drohnen beschaffen

Unbemannte Luftfahrzeuge für Polizei und Katastrophenschutz sollen höher fliegen und schwerere Nutzlast befördern. Die Bundeswehr wünscht sich Drohnen für den "Luftkampf"

Der folgende Beitrag ist vor 2021 erschienen. Unsere Redaktion hat seither ein neues Leitbild und redaktionelle Standards. Weitere Informationen finden Sie hier.

Hersteller, Anwender sowie Vertreter aller zuständigen Ministerien und Behörden trafen sich in Berlin zur weiteren Erforschung und Entwicklung unbemannter Luftfahrzeuge. Die Drohnen-Lobby war sich einig: Einsatzgebiete werden beträchtlich erweitert. Die Geräte sollen bald autonom fliegen und in größere Höhen vordringen. Die Auflösung mitgeführter Kameras wird weiter erhöht. Von den Ländern erteilte Aufstiegserlaubnisse sollen vereinheitlicht werden.

Drohnen wie die Global Hawk bald auch im deutschen Luftraum unterwegs? Bild: Pentagon

Das Bundesinnenministerium wächst über seine bislang kleinen, fliegenden Kameras hinaus: Zukünftig sollen "größere Systeme" beschafft werden. Dies erklärte der Staatssekretär im Bundesministerium für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung Klaus-Dieter Scheurle am Donnerstag in Berlin. Dort hatte der "Bundesverband der Deutschen Luft- und Raumfahrtindustrie e.V." (BDLI) zum "UAS Anwenderforum" geladen. Die Veranstaltung war außer der Rede des Staatssekretärs nicht öffentlich angekündigt worden. Zutritt hatten nur geladene Gäste aus Industrie, Politik und Verwaltung.

Scheurle bezog sich mit seiner Ankündigung auf Belange der Bundespolizei, die vier Mikrodrohnen der deutschen Firmen EMT und AirRobot betreibt (Mehr Polizeidrohnen im Anflug). Diese seien bereits in vielfältigen Einsätzen erprobt worden: Demnach stiegen die Geräte bei Erpressungen ebenso wie zur Sicherung von Bahnanlagen in die Luft. In mindestens einem Fall hätten die fliegenden Kameras dort bei einem Diebstahl von Kupferkabel zu Festnahmen geführt. Ob es sich dabei um die tatsächlichen Täter gehandelt hatte, ließ der Staatssekretär aber offen. Auch bei "Schleusungen" seien die kleinen Drohnen bereits eingesetzt worden. Jedoch seien verwendete "Miniaturkameras" für polizeiliche Zwecke nur bedingt geeignet. Zu beschaffende Drohnen der nächsten Generation müssten daher hochauflösende, schwere Kameras befördern können.

Zweiwöchentliches Abfliegen von 218.000 Kilometer Pipeline?

Im Bereich des Katastrophenschutzes wurden bereits Erfahrungen mit Aufklärungsdaten großer Langstreckendrohnen gesammelt: Das Bundesamt für Bevölkerungsschutz und Katastrophenhilfe (BBK) hatte in Haiti Informationen von "Global Hawk"-Drohnen des US-Militärs erhalten. Beim BBK wünscht man sich Drohnen zum Einsatz bei Waldbränden, bevorstehenden Deichbrüchen oder zum Einsatz in havarierten Atomanlagen. Auch hier wird laut über die Beschaffung größerer Systeme nachgedacht: Die Drohnen müssten Lasten tragen, Hilfsgüter abwerfen oder mit Sensoren und Messgeräten ausgerüstet werden. Wie bei der Polizei könnten die schweren Aufklärungssysteme dreidimensionale Darstellungen von Geländeoberflächen bereitstellen, die überdies in Echtzeit übermittelt würden und die Lagebewertung von Einsatzkräften entscheidend verbessern (Drohnen: Deutsche Polizisten als Luftfahrzeugfernführer).

Doch auch die Industrie drängt auf die baldige Erweiterung des Einsatzspektrums: Die Thyssen AG will laut ihrem Aufsichtsratsvorsitzenden Klaus Homann mit Drohnen zukünftig ihre Gastransportleitungen abfliegen. Für die 218.000 Kilometer in Europa verlegten Pipelines würden dadurch alle zwei Wochen 93.000 Liter Flugbenzin gespart. Thyssen beantragte hierfür im September eine Aufstiegserlaubnis. Doch der multinationale Konzern dringt darauf, nicht nur vom Pilot ferngesteuert abzuheben: Die Drohnen sollen größer werden, "autonom und autark" fliegen und per Mustererkennung Gefahren selbständig erkennen. Beklagt wird auch, dass das Überfliegen von Personen, Tieren, Wohngebieten oder Straßen derzeit noch unzulässig ist.

Bundeswehr will mit bewaffneten Drohnen "eskalieren"

Ein Bericht des Ausschusses für Bildung, Forschung und Technikfolgenabschätzung des Bundestages definiert Drohnen als "wiederverwendbare angetriebene Geräte, die keinen Bediener tragen und autonom oder ferngesteuert Missionen durchführen". Mit der Studie "Stand und Perspektiven der militärischen Nutzung unbemannter Systeme" hatten die Verfasser umfangreiche Informationen zum technischen Stand der fliegenden Aufklärungssysteme zusammengetragen.

Formal zählen auch Lenkflugkörper, Torpedos, Marschflugkörper oder Raketen zu den sogenannten "Unmanned Air Systems". Gemeinhin werden darunter jedoch polizeilich oder militärisch gesteuerte Aufklärungssysteme oder waffentragende Systeme verstanden. Je nach Abfluggewicht und Zweck gehören auch Bodenkontrollstationen, die Kommunikationsverbindung, ein Lande- oder Aufnahmesystem, Start-, Werkstatt-, Antennen- und Bergefahrzeuge oder eine Instandsetzungseinheit zu einem "Unmanned Air System".

Im Bereich fliegender unbemannter Systeme werden die Klassen unter anderem nach Gewicht ("Maximum Take-off Weight") aufgeteilt: Kleine Drohnen wiegen bis 25 Kilogramm, taktische bis 600 Kilogramm, Gefechtsfeld- und Kampfdrohnen darüber. Eine weitere Klassifizierung erfolgt über die Flughöhe bzw. Flugdauer. So verfügt die Bundeswehr etwa über Drohnen der Klasse "Mini" (ALADIN ), "Short Range" (LUNA ), "Medium Range" (KZO), "Medium Altitude Long Endurance " (Heron TP ) und "High Altitude Long Endurance " (Euro Hawk ).

Bislang nutzt die Bundeswehr ihre Drohnen nur zu Aufklärungszwecken (Drohnen: Fünf Prozent stürzen ab). Je nach Nutzlast tragen sie Farbkameras, hochempfindliche Schwarz-Weiß-Kameras oder Infrarot(-Wärmebild)-Kameras. Ein hochauflösendes Radar der "Euro Hawk"-Drohnen kann georeferenzierte Aufklärungsdaten zu einer Bodenkontrollstation übermitteln. Die Datenübertragung erfolgt in der Regel in Echtzeit.

Doch die deutschen Militärs wollen zukünftig mit Drohnen in den Kampf ziehen. So jedenfalls führt es die Endfassung der Technikfolgenabschätzung für den Bundestag im September letzten Jahres aus. Die Rede ist dort von einer "Fähigkeit zum Einsatz von Wirkmitteln". Insbesondere die Luftwaffe würde hierzu Überlegungen anstellen und eine "kontinuierliche Fähigkeitsausweitung" anstreben. Neben dem "Luftkampf" würde dies auch den Lufttransport oder die Luftbeladung einschließen. Die Drohnen könnten zudem "gezielt eskalierend" wirken.

Staatssekretär: Bundesweit "rund um die Uhr" verfügbar machen

Laut Scheurle soll der Drohnen-Einsatz auch im Innern zunehmend selbstverständlich werden. Auf der Tagung am Donnerstag hatte der Staatssekretär hierzu ein "hohes Maß an Flexibilität" gefordert. Unbemannte Luftfahrtsysteme sollen demnach rund um die Uhr überall in Deutschland verfügbar sein. Die Geräte müssten ohne lange Vorbereitungszeit starten und landen können.

Mit der Änderung der Luftverkehrsordnung wurde Drohnen 2010 mit der Formulierung "unbemanntes Luftfahrtgerät" ein eigener Status eingeräumt. Die kürzlich beschlossene Neufassung des Luftverkehrsgesetzes schafft ihnen zudem einen eigenen Platz im Luftverkehrsrecht. Jedoch ist die Rechtslage bezüglich der Regulierung unbemannter Systeme immer noch uneinheitlich.

Die gewerbliche ist genehmigungspflichtig, zuständig sind hierfür die 16 Bundesländer. Laut Bundesregierung wurden dort bislang 500 Anträge gestellt und größtenteils positiv beschieden. Die Tendenz ist demnach steigend. Antragsteller waren vorwiegend Ingenieurbüros, Filmproduktionsfirmen, Hochschulen und das Technische Hilfswerk.

Auf der Konferenz in Berlin meldete die Drohnen-Lobby, dass sich die Bundesländer anscheinend auf gemeinsame Grundsätze für Aufstiegserlaubnisse geeinigt hätten. Diese würden bald im Bundesanzeiger veröffentlicht.

Auch auf EU-Ebene werden bald neue Verordnungen erwartet. Für ein Abfluggewicht oberhalb von 150 Kilogramm ist die Europäische Agentur für Flugsicherheit (EASA) mit Sitz in Köln zuständig. Auch bei der Definition unbemannter Flugsysteme und der Auslegung der damit verbundenen Rechtsfolgen sollen nationale und europäische Bestimmungen vereinheitlicht werden.

Leichter, länger, höher

Die größte Hürde stellt jedoch immer noch die Integration in den zivil und militärisch genutzten Luftraum dar. Bislang müssen kleinere Drohnen immer noch in Sichtweite der steuernden "Luftfahrzeugfernführer" gelenkt werden. Der autonome Flug per GPS ist in Deutschland nicht gestattet. Mehrere Referate des "UAS Anwenderforums" befassten sich deshalb mit entsprechenden Forschungs- oder Pilotprojekten. Zahlreiche Vorhaben entwickeln beispielsweise die Anbindung an satellitengestützte Positionierung. Geforscht wird auch an Assistenzfunktionen für Piloten der Drohnen: Ihnen können Verkehrsinformationen bereitgestellt werden, um etwa Flugzeugen auszuweichen. Immer noch ungeklärt ist auch die Frage der standardisierten Ausbildung von Piloten, die für die qualifizierte Bedienung der Fluggeräte grundlegend ist.

Geforscht wird aber auch an der Geschwindigkeit und Ausdauer der "Unmanned Air Systems". Insbesondere die schnellen Fortschritte im Bereich der Akku-Technik, der leichteren Bauweise oder der Miniaturisierung von Bauteilen versprechen hier bald wesentlich größere Reichweiten. Auch die mitgeführte Nutzlast könnte derart gesteigert werden. Womöglich könnte elektrische Energie auch aus der Umgebung gewonnen werden, wenn beispielsweise Sonneneinstrahlung, Wind oder auch Schall genutzt würde.

Die "Selbstlokalisation" der Drohnen soll zudem bald unabhängig von GPS werden. Stattdessen würden sie sich an markanten Geländeprofilen oder dem Erdmagnetfeld orientieren. Dadurch könnte auch das automatisierte Umfliegen von Hindernissen verbessert werden - eines der Haupthindernisse zur gleichberechtigten Nutzung mit dem übrigen Luftverkehr.

"Zukunftsmarkt" Grenzschutz und Polizei

"Es ist davon auszugehen, dass nach erfolgreichem Abschluss entsprechender Tests in den nächsten Jahren mit Beschaffung und Einsatz größerer Systeme zu rechnen ist", folgert die Technikfolgenabschätzung des Bundestages. Dann würden die Einsatzgebiete der Drohnen erneut beträchtlich erweitert. Neben der Überwachung von Industrieanlagen, Kraftwerken oder Sportveranstaltungen könnte demnach auch der reguläre Verkehr aus der Luft überwacht werden: "Insbesondere Überwachungsaufgaben im Grenzschutz und polizeilichen Bereich dürften sich zu einem Zukunftsmarkt entwickeln" (EU will mehr Drohnen gegen Migranten einsetzen).

Zitiert wird auch eine U.S.-amerikanische Studie, wonach in den 2020er Jahren eine "sukzessive Umstellung auf unbemannte Flugzeuge" erfolgen könnte. Dann könnten etwa zunächst "transozeanische" Flüge unbemannt abgewickelt werden, und später sogar lange Überlandrouten.