Politik kann nicht nur online stattfinden, sie muss auf die Straße

Schwächen und Stärken des Politischen im Web - Teil 2

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Online-Kommunikation schafft mehr als jede frühere Kommunikationsform die Möglichkeit, dass sich Gemeinschaften tatsächlich komplett aus dem Wege gehen können, dass sie sich ganz und gar voneinander abschirmen, einander ignorieren können. Das liegt daran, dass jeder Teilnehmer sein Kommunikationsnetz ja vollständig selbst kontrollieren kann.

Teil 1: Webpolitik: Vom Seil über das Web zum Filz

Ein Diskussionsteilnehmer in einem sozialen Netzwerk, dessen Meinung mir nicht passt, kann blockiert und ignoriert werden, das sind ganz wesentliche und gern genutzte Funktionen von Online-Gemeinschafts-Software. Sogenannte "Trolls" können immer besser identifiziert und ausgeschlossen werden. Das alles sind natürlich politische Handlungen insofern, dass sie der Bildung und Stabilisierung einer Gemeinschaft von Gleichen dienen, aber diese Gemeinschaft wird dann unfähig zur politischen Auseinandersetzung mit denen, die ihr äußerlich sind, die aber in einem umfassenderen Sinne wieder zur Gemeinschaft gehören, spätestens dann, wenn man eben auf die Straße tritt und Menschen in ihrer Leiblichkeit begegnet, Menschen, von denen man in seiner eigenen Leiblichkeit abhängig ist, weil sie Kollegen oder Arbeitgeber, Verkäufer von Lebensmitteln oder Festsetzer von Steuerbescheiden sind.

Politik muss auf die Straße

Tatsächliches politisches Handeln muss sich jedoch immer auf diese jeweils Außenstehenden beziehen und muss für diese so sein, dass sie es nicht ignorieren können. Buttons auf den Avataren der Mitglieder in den Online-Netzwerken, die sich gegen Überwachungs- und Kontrollgesetze wenden, können sowohl von den Teilnehmern am Gesetzgebungs-Verfahren als auch z.B. von der Musikindustrie ignoriert werden. Sie werden zumeist nur von denen überhaupt bemerkt oder zur Kenntnis genommen, die ebenfalls - in ihren Meinungsäußerungen in eben diesen Netzwerken - diese Gesetze ablehnen, ebenso wie "Gegen Nazis"-Buttons von Neonazis nicht zur Kenntnis genommen werden, da die natürlich in komplett anderen Online-Wirklichkeiten vernetzt sind.

Die politische Wirksamkeit dieser Aktivitäten bleibt auf dem Niveau einer Stammtischdiskussion in der Bierkneipe. Sie kann natürlich der Vorbereitung von politischem Handeln dienen, sie kann die eigene Sicherheit erhöhen, auf der richtigen Seite zu stehen und nicht allein zu sein - all das ist wichtig dafür, das wirkliche und wirksame Handeln in der Wirklichkeit kraftvoll zu machen und den Willen zur Tat zu stärken, aber es ist noch kein Handeln. Handeln ist mit Leiblichkeit verbunden, es findet auf der Straße oder auf den Schienen statt, dort, wo sich die Meinungsäußerung der Handelnden nicht ignorieren lässt.

Zum politischen Handeln gehört also immer die Leiblichkeit der Handelnden, ihre leibliche Anwesenheit. Das beginnt beim gesprochenen Wort im öffentlichen Raum, bei der Demonstration auf der Straße. Politisches Handeln ist aufdringlich, es betrifft ja diejenigen, die eben nicht schon zur Meinungs-Gemeinschaft gehören, aber zu denen Abhängigkeiten bestehen. Diese Anderen würden die politische Meinung und Aktivität gern ignorieren, und denen muss sie aufgedrängt werden. Selbstverständlich gibt es dafür auch Möglichkeiten in der Online-Welt, es gibt Online-Petitionen, Accounts von Politikern bei den sozialen Netzwerken und Gästebücher auf ihren Webseiten, und es gibt natürlich auch die Vernetzungen der Anderen in der Online-Welt selbst, in die man eindringen und in der man sich aufdrängen kann, bis hin zu den Aktionen von Anonymous und anderen. Das jedoch ist schon im engeren Sinne keine Politik mehr, es ist die Fortsetzung der Politik mit anderen Mitteln. Deshalb bleibt richtig: Keine politische Online-Meinungsäußerung kann jemals so wirksam sein wie eine Aktion auf der Straße.

Das ist vor allem auch deshalb der Fall weil die politische Aktion, das politische Handeln in einer Demokratie sich gar nicht in erster Linie an die Politiker in den Regierungen und Parlamenten richtet, sondern an die anderen Bürger, die durch ihre Wahlentscheidung politisch handeln. Selbst wenn Politiker die online geäußerten Meinungen zur Kenntnis nehmen, können sie diese immer mit Verweis auf die große schweigende Mehrheit, die nicht in der Online-Gemeinschaft aktiv ist, zurückweisen. Diese anderen Bürger müssen von einer politischen Handlung erreicht werden, und die erreicht eine Online-Gemeinschaft eben nicht auf dem Wege der Online-Kommunikation. Selbst wenn in einer fernen Zukunft einmal die Mehrzahl der Bürger "online sind" und sich sogar online über politische Thesen und Zusammenhänge informieren werden, selbst wenn die Bürger in dieser Zukunft in Foren und sozialen Netzwerken ihre eigenen politischen Meinungen äußern werden, heißt das noch nicht, dass man - wenn man das Ziel der Veränderung der Gesellschaft selbst verfolgt - in dieser Zukunft auf die leibliche Aktion auf der Straße verzichten können wird. Nur da draußen auf der Straße ist es möglich, politisch zu handeln, sodass die anderen Bürger gezwungen sind, sich mit dem politischen Willen der Handelnden zu beschäftigen.

Die Gefahr, dass sich die politischen Aktivitäten zunehmend auf die Online-Gemeinschaften konzentrieren und damit an Wirkungskraft verlieren, ist groß. Aber noch größer ist die Gefahr, dass die Online-Aktivisten sich in ihrer Wirksamkeit hoffnungslos überschätzen. Der Online-Raum gestattet es, wie gesagt, sich ausschließlich mit Sympathisanten und Meinungs-Genossen zu umgeben - anderen Ansichten und Zielen begegnet man schlicht nicht mehr oder nur sporadisch. So glaubt man, "alle" auf der eigenen Seite zu haben, dabei umfasst dieses "Alle" nur die, zu denen ich gerade auf der Grundlage erlebten Übereinstimmungen die Verbindungen meines Netzwerkes aufgebaut habe.

Die tatsächliche Kraft der eigenen Gemeinschaft in der politischen Auseinandersetzung zeigt sich jedoch nicht in der Kommunikation mit den Gleichen, sondern in der Konfrontation mit den Äußeren, den Anderen. Diese Auseinandersetzung wird jedoch unvermeidlich, wenn die Gesellschaft verändert, wenn bestehende Strukturen aufgebrochen und neue geschafft werden sollen, oder wenn Veränderungen, die andere vorantreiben, verhindert werden sollen.

Häufig wird die zunehmende Vernetzung, insbesondere durch Online-Gemeinschaften und mobile Kommunikationsformen, als große neue Chance für mehr oder minder revolutionäre Veränderungen der Gesellschaft gesehen. Wir sehen jedoch, dass sich gerade aus der Vernetzung auch zwei Gefahren für die Wirksamkeit von Bewegungen ergeben, die sich vor allem auf diese Vernetzung stützen.

  • Die eine Gefahr ergibt sich aus der Richtungslosigkeit des Netzes: Die Autonomie der einzelnen Teilnehmer, die nach Belieben Knoten in das Netz schlagen und Verbindungen in jede beliebige Richtung ziehen können, führt dazu, dass eine politische Kraft, die die Wirklichkeit in eine bestimmte Richtung bewegen will, sich in alle erdenklichen Richtungen verteilt und dass der Impuls eines Willens im richtungslosen Filz gedämpft und verschluckt wird.
  • Die andere Gefahr ist die Abschottung von Teilen des Netzes gegen andere und vor allem gegen jede Wirklichkeit außerhalb des Netzes. Diese Abschottung, gerade im technischen Online-Netz, dem die Leiblichkeit der anderen handelnden Personen fehlt, führt letztendlich dazu, dass trotz aller Aktivität nichts entsteht, das den Namen der politischen Handlung oder der politischen Aktion, der aufdringlichen, nicht ignorierbaren Willensäußerung, verdient.

Das Problematische ist, dass diese beiden Gefahren im gewissen Sinne komplementär sind, man kann die eine verringern, indem sich die andere vergrößert: Man kann der Richtungslosigkeit einer politischen Gemeinschaft ja gerade durch Abschottung begegnen. Eine bewährte Strategie der Ausrichtung des Willens aller Mitglieder einer Gemeinschaft besteht gerade darin, störende, ablenkende Kräfte, z.B. Informationen, die dem eigenen, gemeinsamen Weltbild widersprechen, durch Ausgrenzung ignorieren zu können. Andersherum wird das Aufheben von Abschottungen, das Vernetzen mit den Äußeren eben dazu führen, dass die Bereitschaft sinkt, mit der Gemeinschaft jederzeit und bedingungslos in die gleiche Richtung zu gehen, was umgekehrt für eine wirksame politische Aktion unverzichtbar ist.

Ein Ausweg aus diesem Dilemma könnte zunächst darin gesucht werden, eine gewisse Abschottung innerhalb der Online-Gemeinschaft durchaus zuzulassen und die Willensbildung und -bündelung durch die so konzentrierte und ausgerichtete Kommunikation tatsächlich relativ störungsfrei zu organisieren. Die Konfrontation, die politische Auseinandersetzung mit den Äußeren ist dann allerdings in der leiblichen Welt, auf der Straße, im öffentlichen Raum zu suchen. Diese Auseinandersetzung ist dann sozusagen die Probe der gerichteten Meinung auf die politische Praxis.

Dieses Verfahren ist nicht neu, es entspricht letztlich der politischen Organisation und Aktion von Parteien, Gewerkschaften und Interessengruppen seit anderthalb Jahrhunderten. Und natürlich ist diese Organisationsmethode auch in den Online-Gemeinschaften zu finden, die sich Wirksamkeit im Außen, in der politischen Praxis der gesamten Gesellschaft zum Ziel gesetzt haben. Genau genommen ist die nahezu ausschließliche Nutzung von Online-Werkzeugen zur Information und zum Meinungsaustausch ja bereits eine Abgrenzung und Abschottung. Netzpolitik ist zum großen Teil Politik im Interesse derer, die das Netz vorrangig benutzen und die deshalb diese Benutzung sichern und in ihrem Sinne gestalten wollen - und sie ist damit eine Politik der Herausforderung derer, die dieses Netz nicht oder nur im geringen Maße nutzen und dem auch eine geringere Bedeutung beimessen.

Durch dieses Verfahren der Stärkung eines politischen Willens geht jedoch der Blick für die politische Wirklichkeit verloren, denn jede Abgrenzung in der Kommunikation führt zur Überschätzung der eigenen Stärke und Bedeutung. So kann zwar möglicherweise eine große politische Kraft entstehen, die aber deshalb nicht bedeutend sein muss, weil ihre Richtung gar nicht an der Wirklichkeit des Außen ausgerichtet sein muss: Ihre Bewegung mag zwar gewaltig und großartig sein, aber der Impuls trifft die Gesellschaft nicht an einer empfindlichen Stelle oder nicht in der wirksamsten Richtung, sie verursacht allenfalls einen Kratzer, wo sie eine Wunde schlagen wollte, prallt ab oder verpufft.

Die Wirklichkeit des Web braucht völlig neue Wege

Die Tatsache, dass das Prinzip der Abschottung in der Willensbindung, das die Konfrontation mit dem Außen nur als kraftvollen gerichteten Stoß der vorab gleichgerichteten politischen Handlungskraft aller Mitglieder der politischen Gemeinschaft kennt, ein altes Prinzip von Parteien und Interessensorganisationen ist, das vor allem Starrheit und Unfähigkeit zum Richtungswechsel und zur flexiblen Anpassung an eine sich wandelnde Wirklichkeit verursacht, zeigt schon, dass es für die vernetzte Vernunft ungeeignet ist, zumal wenn sich das Netz selbst zum Web, zum vielfältig verwobenen und verschlungenen Gewebe weiterentwickelt, in dem es keine regelmäßigen Ordnungen, keine stabilen Hierarchien und keine gebündelten Seilschaften mehr gibt.

In dieser Wirklichkeit müssen neue Wege von der Willensbildung zur politischen Praxis gefunden werden, bei denen die dynamischen Strukturen des Webs direkt in die leibliche Wirklichkeit der politischen Auseinandersetzung getragen werden. Die Bündelung des politischen Willens der autonomen Teilnehmer der Kommunikation im Web erfolgt spontan, und dieser Spontaneität muss die politische Praxis entsprechen. Der Flashmob ist der Prototyp einer solchen politischen Handlung. Natürlich hat er heute zumeist keine politische Funktion, aber er zeigt, wie temporär für eine konkrete Idee die Synchronisation vieler, die in einer bestimmten Frage Gleichgesinnte sind und deren Willen in diesem Moment übereinstimmt, möglich ist.

In den Aktionen von Anonymous seit 2007 zeigt sich auf der anderen Seite erstmals die mögliche Kraft der vernetzten politisch motivierten Praxis sowohl in ihrer Spontaneität als auch in ihrer Unberechenbarkeit - vor allem aber in ihrer Identifikationskraft - auch wenn sie, wie gesagt, bereits über das Politische hinaus geht. Zwischen Flashmob und den Attacken von Anonymous wird sich die politische Aktion der Web-Gemeinschaft ansiedeln.

Die Vernetzung, insbesondere wenn sie sich zum Web, zum Gewebe verdichtet, macht ja bekanntlich auch völlig neue Formen der temporären und am Einzelziel orientierten Zusammenarbeit und Koordination nötig. Das Web ist ein vieldimensional verschlungenes Gebilde, in jeder Richtung kann es auf Zeit oder stabil Strukturen bilden, bei denen der Willen der verschiedenen Akteure in die gleiche Richtung weist und sich damit verstärkt. Lineare und hierarchisch ausgebildete Strukturen, wie sie herkömmliche Parteien und Interessenorganisationen darstellen, zerreißen unter dem Zug divergierender Meinungen in Einzelfragen, sie müssen versuchen, zu jedem Thema, zu jedem Feld der Politik ein gleichgerichtetes Konzept zu entwerfen und die Handlungen ihrer Mitglieder unter diesen "Organisationswillen" zu zwingen. Wo dies nicht möglich ist, bilden sich Flügel und Blöcke in den Organisationen, die verschiedene Konzepte und divergierende Richtungen in Einzelfragen abzubilden versuchen und den politischen Kampf innerhalb der Organisation austragen, letztlich immer mit dem Ziel oder der Aufgabe, einen Konsens, einen Kompromiss, also letztlich wieder einen Organisationswillen zu finden, dem sich alle Mitglieder unterwerfen müssen.

Von diesem Konzept müssen sich Web-basierte Organisationen verabschieden, sonst werden sie der Dynamik des immer dichter werdenden, ein Gewebe bildendes Netzes nicht gerecht, so wenig, wie es die herkömmlichen Organisationen tun. Sie werden das Netz nur nutzen, zur schnellen Kommunikation und Information, aber das werden die anderen auch tun. Sie werden dann bestenfalls zur Interessengruppe der Netzbenutzer und der mobilen Online-Gemeinde. Das Web bedeutet für die vernetzte Vernunft aber etwas Weitergehendes, es bedeutet die Neudefinition der politischen Willensbildung und -durchsetzung überhaupt. Es bedeutet, dass sich zu jedem Thema und zu jedem Politikfeld die Mehrheiten neu bilden, vernetzen und organisieren können und zwar genau so lange und genau in dem Ausmaße, wie es für die politische Aktion nötig ist.

Nachahmen ist nötig - aber nur auf Zeit

Das ist natürlich eine Zumutung, denn es bedeutet nicht weniger als die Ausbildung einer neuen politischen Kultur - und wir sahen, dass dieser Prozess lang andauernd ist. Heute erleben wir, dass die Protagonisten der Web-basierten Politik die bisher etablierte Politik-Tradition zunächst nachahmen. Das ist auch unumgänglich, denn wir kennen keine andere Kultur. Vor allem müssen sich die neuen kulturellen Regeln im Anschluss an die alten und im Übergang herausbilden.

Es ist nicht möglich, eine neue Wirklichkeit ganz losgelöst von der bestehenden zu schaffen - diese hätte dann überhaupt keine Verbindung zur Wirklichkeit der übrigen Gesellschaft, es wäre eine abgeschottete Parallelgesellschaft. Parallelgesellschaften können sinnvoll sein, um Utopien zu erproben und neue kulturelle Regeln zu etablieren. Das Netz, die Online-Wirklichkeit, bietet dazu hervorragende Möglichkeiten. Aber diese neue Wirklichkeit muss immer auf die alte gerichtet sein, die sie verändern will und von der die Mitglieder der Online-Gemeinschaft in ihrem leiblichen Leben nun einmal abhängig sind.

Es ist also notwendig, innerhalb der Webgemeinschaft eine neue Kultur zu entwickeln, eine, in der es selbstverständlich ist, spontan und auf Zeit und auf bestimmten Feldern zusammenzuarbeiten und die Formen und Gruppen, in denen die Zusammenarbeit stattfindet, eben je nach Feld und konkreter Situation auch zu wechseln, und auf der anderen Seite diese neue Kultur an die gegebenen Traditionen anzuschließen, den bisherigen Regeln auch zu gehorchen, um die alten Spiele mitspielen zu können.

Eine Zumutung ist die neue Kultur ja vor allem für das politische Publikum, das sich nicht aktiv an der politischen Willensbildung und -durchsetzung beteiligt, aber durch Wahlen, Stimmungsbilder und Meinungsumfragen darüber entscheidet, wer in der politischen Auseinandersetzung überhaupt zu Worte kommt. Es mag sein, dass im Laufe des Übergangs von den linearen und hierarchischen Netzstrukturen zur Web-Demokratie die Zahl derer steigt, die vom Publikum zur Gemeinschaft der politischen Akteure wechseln - schließlich werden durch den temporären und themenbezogenen politischen Prozess auch die Einstiegsbarrieren für die Teilnahme herabgesetzt, das Web fasert sozusagen ins Publikum hin aus, es ist in ihm verwurzelt, aber nicht wie eine herkömmliche politische Partei, deren Verwurzelung im Publikum eher der einer Pfahlwurzel im Boden ähnelt, da Web-Politik ein Geflecht ist, ein Dickicht oder ein Fließ, kann sie auch in der Gesellschaft verwurzelt sein wie ein Rhizom. Aber dieser Zustand muss erst einmal erreicht werden, zunächst haben wir eben ein Publikum, das auf der Bühne die politischen Darsteller erwartet, und dazu gehört, dass da eben hierarchische Parteien auftreten mit zentralen Führerfiguren und dass diese zu allen Fragen der Politik einen weitgehend geschlossenen Parteiwillen kundtun.

Das Publikum erwartet dies auch von den Organisationen der Web-Gemeinschaft, ja es erwartet zunächst überhaupt, dass diese Organisationen den bekannten ähneln in ihrer Struktur und in ihrem Verhalten. Diese Erwartung muss wohl oder übel auch erfüllt werden, damit überhaupt eine Beteiligung am politischen Prozess der Gesellschaft möglich ist. Eine politische Organisation der Web-Gemeinschaft muss sich also zunächst die Frage stellen, ob es zentrale, fundamentale Ziele gibt, über die sich ihre Mitglieder einigen können und die dem tatsächlichen Willen dieser Mitglieder entsprechen - und diese zentralen Ziele gibt es natürlich, sie sind die Grundlage der Möglichkeit einer Web-Gemeinschaft überhaupt. Aus diesen zentralen Zielen werden sich dann einige ebenfalls konsensfähige Ziele für einzelne Politikfelder ableiten lassen, die sich dadurch auszeichnen, dass sie in sehr elementarer Weise auf dem jeweiligen Feld die Erreichung der Zentralziele unterstützen.