Der Erfolg Marine Le Pens bei den Jüngeren

In Umfragen erzielt die Tochter des Gründers des Front National unter Jungwählern beunruhigende Werte

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In knapp zwei Wochen, am Sonntag, den 22.April, geht die französische Präsidentschaftswahl in die erste Runde. Nach aktuellen Umfragen sieht es nicht danach aus, als ob einer der Favoriten, François Hollande oder Amtsinhaber Sarkozy, im ersten Wahlgang die absolute Mehrheit schaffen könne. Hollande liegt bei 28,5 Prozent, Sarkozy bei 29 Prozent. Für die zweite Runde, die Stichwahl, prognostiziert die neueste Ipsos-Umfrage eine deutliche Mehrheit von 55 Prozent für Hollande, den Kandidaten der Parti Socialiste. Die Tage von "Merkozy" sind demnach gezählt. Die deutsche Kanzlerin wird sich aller Voraussicht nach auf einen neuen französischen Staatspräsidenten einstellen müssen.

Das "Ipsos-Barometer" widerlegt, dass, wie oftmals angenommen (Terror und Wahlkampf), Sarkozy entscheidend von den Attentaten in Toulouse hat profitieren können, indem er mit sicherheitspolitischen Themen einen bedeutenden Teil der Wählerschaft auf seine Seite hätte ziehen können. Zwar bemühte sich Sarkozy in den letzten Wochen mit deutlichem Rechtskurs dort zu mobilisieren, wo die nationale Rechte, allen voran der Front National, ihr Themenlager aufgeschlagen hat - Einwanderung, Anti-EU, Gefahr durch Islamisten, Missbrauch von Sozialleistungen, Kriminalität etc. Das hatte zwar Effekte auf die Berichterstattung, die auch in Deutschland widerhallte ("Der Kärcher ist zurück", machte sich aber in den Umfragen nicht weiter bemerkbar.

Ein Grund für die anscheinend eher bescheidene Ausbeute im FN-Wähler-Revier könnte darin liegen, dass es Sarkozy nicht gelungen ist, sich von seinem Image als Präsident der Elite(n) zu lösen. Die Frontstellung gegen eine Politik der Elite, die Gegnerschaft zum etablierten System wird zwar als Grundzug der politischen Ausichtung des FN verschiedentlich erwähnt. Doch wird das Misstrauen und die Abwehr gegenüber der etablierten Politik, das im FN tragende politische Anschauung und Gefühl ist - und Anknüpfungspunkte zu Systemkritikern aus anderen Lagern bietet - möglicherweise unterschätzt. Beziehungsweise es gelingt Sarkozy wie auch Hollande nur schlecht, diese Wählerschaft anzusprechen.

Umfrageerfolge

Ein Indiz dafür ist der bemerkenswerte Erfolg von Marine Le Pen in Umfragen, die Wahltendenzen von Jungwählern herausstellen. Bei den Wählern im Alter zwischen 18 und 24 Jahren steht die Tochter des früheren FN-Chefs Jean-Marie Le Pen nämlich in Umfragen an erster Stelle, wie Le Monde berichtet. 26 Prozent der jungen Wähler würden sich für sie entscheiden, 25 Prozent für Hollande und 17 Prozent für Sarkozy.

Das Phänomen wird von der Zeitung durch den Vergleich mit Umfragewerten aus dem letzten Quartal 2011 noch schärfer konturiert. Demnach hat Marine Le Pen im Laufe des Wahlkampfs über 13 Prozent bei den Jungwähler-Umfragen zugelegt. Das schaffte kein anderer Kandidat. In die Nähe kam nur der ehemalige Trotzkist Mélenchon. Dessen Attraktivität für die jüngsten Wähler von 5 Prozent Ende 2011 auf 16 Prozent angewachsen ist.

Die Werte Hollandes, der zu Anfang des Wahlkampfs versprochen hatte, sich besonders um die Jugend zu kümmern, sind von 39 Prozent auf 25 Prozent enorm gefallen. Auch Sarkozy verlor bei den Jüngeren, seine Umfragewerte fielen von 19 auf 17 Prozent.

Fremdenfeindlichkeit und rigider Patriotismus weich verpackt

Der Soziologe Sylvain Crépon, spezialisiert auf Fragen der Identitätspolitik der extremen Rechten, insbesonderes des Front National, erklärt sich den Umfrageerfolg mit der ausgesprochenen Abneigung gegenüber Eliten und der Anti-System-Einstellung Marine Le Pens, mit der sich viele Jüngere identifizieren könnten. Le Pen sei es gelungen, das Image des Front National zu enthärten und die Partei damit zugänglicher zu machen. Anders als ihr Vater halte sie sich von provozierenden Aussagen zum Holocaust fern, gleichzeitig zeige sie eine weichere Haltung gegenüber der Homosexuelität und der Abtreibung, was ihr ein moderneres, moderates Image eintrage.

Marine Le Pen habe es mit ihrer Imagekampagne geschafft, den Front National zu "entdiabolisieren". Das würde es den Jüngeren ermöglichen, sich in Zeiten hoher Jugendarbeitslosigkeit und wirtschaftlicher Unsicherheit an das Patriotismus-Bassin des FN neu anzunähern. Da etwa das Themenfeld "Islam" geschickt unter der Überschrift "Laizismus der Republik" verhandelt wird, ist das xenophobe Element weniger in seiner abweisenden Härte spürbar und die Annäherung an rechtspopulistische Positionen leichter.

Die meisten der jüngeren Sympathisanten stammen laut Crépon aus der unteren Mittelschicht, deren Eltern schon für den FN gestimmt haben. Nach wie vor gelte ein Zusammenhang zwischen Schulbildung und Sympathie für die rechte Partei. Je höher der Schulabschluss, umso geringer der Hang, mit dem FN zu sympathisieren - und umgekehrt. Da gegenwärtig Jugendliche auf einen Arbeitsmarkt mitten in der Krise treffen, sei das Phänomen besorgniserregend. Während diese Jugendliche nur wenig mit den politischen Diskursen der "Technokraten" aus den etablierten Parteien anfangen könnten, würde laut Beobachtungen Crépons von einigen immer wieder betont, wie gut sie verstünden, was Marine Le Pen sagt.

Zur Stichwahl wird es Marine Le Pen nicht schaffen. Sie leigt mit 15 Prozent weit hinter Hollande und Sarkozy.