Spanien legt sich mit Argentinien wegen Ölmulti an

Argentinien wird das Energieunternehmen YPF verstaatlichen, eine Tochterfirma des spanischen Ölmultis Repsol, was Spanien als "Feindseligkeit" versteht

Der folgende Beitrag ist vor 2021 erschienen. Unsere Redaktion hat seither ein neues Leitbild und redaktionelle Standards. Weitere Informationen finden Sie hier.

Schon am vergangenen Freitag hatte die argentinische Tageszeitung "Clarín" berichtet, dass Argentinien ein Gesetz zur Verstaatlichung des argentinischen Unternehmens YPF vorbereite. Trotz oder sogar wegen der heftigen Drohungen der konservativen spanischen Regierung, die auch von einer "Feindseligkeit gegen Spanien" sprach, hat nun Präsidentin Christina Fernández de Kirchner am Montag ein Gesetz ins Parlament eingebracht. Es sieht vor, 51% der Aktien an YPF zu übernehmen und damit die Kontrolle über den Konzern zu bekommen. Betroffen ist der spanische Mutterkonzern Repsol.

Auch Argentinien geht nun den Weg, die Ressourcen des Landes unter nationale Kontrolle zu stellen, den zuvor schon Venezuela (Venezuela will die Revolution "radikalisieren") und Bolivien ("Die Ausplünderung der Bodenschätze ist beendet") eingeschlagen haben. Am Montag hat die Präsidentin nun den Gesetzestext ins Parlament eingebracht. Im ersten von 19 Artikeln wird die "nationale Selbstversorgung mit Öl" als "vorrangiges Ziel" bezeichnet und damit auch die "Ausbeutung, industrielle Verarbeitung, Transport und Handel" von Öl und Gas. Unter riesigem Applaus im Regierungspalast "Casa Rosada" kündigte sie in der live im Rundfunk übertragenen Rede in Buenos Aires das Vorhaben an, 51% der Aktien der Ölfirma YPF zu übernehmen. Es gehe darum, "die Souveränität und die Kontrolle über ein wesentliches Instrument zurückzugewinnen", sagte Cristina Fernández de Kirchner.

Einige Quellen, wie die spanische Zeitung El País haben nach der Rede behauptet, Argentinien wolle sogar 100% der Aktien übernehmen, weil die restlichen 49% die ölproduzierenden Regionen übernehmen würden. Tatsächlich teilt sich das gesamte Aktienpaket aber so auf, dass der Nationalstaat letztlich 26,01% der Aktien halten wird und die ölproduzierenden Regionen insgesamt 24,99%. Der spanische Unternehmen Repsol wird weiterhin ein Minderheitsaktionär bleiben, denn es handelt es sich also nur um eine Teilverstaatlichung, mit der die Privatisierung in den 1990er Jahren rückgängig gemacht wird. Es war die Regierung unter Carlos Saúl Menem, die Schritt für Schritt YPF privatisierte. Noch 1993 hielt der Staat 20% Goldene Aktien und dazu die Provinzen weitere 12% an dem einst profitabelsten Staatsunternehmen des Landes. 1998 wurde die Privatisierung weitgehend abgeschlossen, als die Beteiligung von knapp 25% der öffentlichen Hand an Repsol verkauft wurden. Der spanische Multi kaufte weitere Anteile auf und erhielt damit die Kontrolle über das argentinische Unternehmen.

Der Konflikt zwischen Argentinien und Repsol schwelt schon geraume Zeit

Fernández de Kirchner erklärte, ein Traum sei wahr geworden, "denn ich habe immer davon geträumt, YPF zu verstaatlichen". Der argentinische "Gerichtshof für Wertbestimmung" soll nun festlegen, wie Repsol entschädigt wird. Die Grundlage für die Entscheidung war, dass Fernández de Kirchner erst im Oktober mit stolzen 54 Prozent der Stimmen im Amt bestätigt wurde. Obwohl ihre Partido Justicialista (PJ) in beiden Kammern nicht die benötigte Zweidrittelmehrheit hält, zweifelt in Argentinien praktisch niemand, dass sie für das populäre Vorhaben die nötige Mehrheit verfehlt.

Die Argentinierin versucht nun mit YPF im Land zu punkten, weil sie im Streit mit Großbritannien um die Falklandinseln nicht weiter kommt. Es dürfte kein Zufall sein, dass gerade kurz nach dem 20. Jahrestag des Kriegsausbruchs um die "Malvinas" nun der Vorstoß zur Beruhigung der Volksseele mit der Verstaatlichung von YPF kommt. Schließlich fordert Argentinien weiterhin die Inseln zurück, auch hier hat sich der Ton verschärft, seitdem auch Großbritannien vor den Inseln nach Öl bohren lässt. (Im Streit um die Falklandinseln wird der Ton schärfer).

Im Fall YPF argumentiert die Regierung mit der Tatsache, dass Argentinien das einzige Land in Lateinamerika und fast der gesamten Welt sei, das seine natürlichen Ressourcen nicht selbst ausbeutet. Doch das sei nicht der wichtigste Grund, sondern Buenos Aires wirft dem Ölkonzern vor allem seit Monaten vor, die Produktion von Öl und Erdgas nicht wie geplant auszuweiten, damit kostenintensive Importe für das Land wegfallen können. Tatsächlich schwelt der Konflikt zwischen Argentinien und Repsol schon eine ganze Weile. Nach und nach hatten einzelne Provinzen dem spanischen Konzern die Konzessionen zur Förderung von Öl und Gas wieder entzogen, weil sich Repsol nicht an Absprachen gehalten habe.

Zwar hatte die Firma 2011 neue Öl- und Gaslagerstätten entdeckt, doch der Konzern ist nicht bereit, die bis zu sieben Milliarden US-Dollar geschätzten Explorationskosten aufzuwenden. Das sei den Aktionären nicht zuzumuten, erklärte Repsol. Im Öl- und Gasfeld in der Provinz Neuquen werden allein eine Milliarde Barrel Öl vermutet. Allein damit könnte Argentinien zehn Jahre mit Öl versorgt werden. Doch die Ölproduktion ist im Land unter der Kontrolle von Repsol bei YPF sogar zurückgegangen, wofür allgemein fehlende Investitionen verantwortlich gemacht werden. Aus dem an Ressourcen reichen Staat wurde erstmals 2011 ein Energieimporteur. Das Defizit bezifferte die Präsidentin auf mehr als drei Milliarden US-Dollar.

Deshalb sprach Fernández de Kirchner von einer Politik, welche die Gewinne der Firma abfließen lasse, von einer Politik "der Nicht-Produktion, der Nicht-Erforschung, praktisch verwandeln wir uns in ein Land, das wegen Unternehmensstrategien in Schieflage gerät, aber nicht weil uns Ressourcen fehlen". Sie betonte, dass Argentinien nach China und den USA zum Beispiel über die größten Gasvorkommen weltweit verfüge. Repsol habe zwischen 1999 und 2011 im Land fast 16,5 Milliarden US-Dollar Gewinn gemacht und davon gut 13 Milliarden an seine Aktionäre ausgeschüttet. Im Land investiert habe die Firma im gleichen Zeitraum aber nur knapp neun Milliarden Dollar.

Spanien droht mit Konsequenzen und versinkt in der Rezession

In Spanien hat nun die Zeit der Krisensitzungen begonnen. Sofort ist die PP-Generalsekretärin María Dolores de Cospedal vor die Presse getreten, die gerade beim Ministerpräsidenten Mariano Rajoy im Regierungspalast war, als die Verstaatlichung in Buenos Aires bekanntgemacht wurde. Rajoy hat den Industrieminister José Manuel Soria und Außenminister José Manuel García-Margallo zum Krisentreffen geladen, das natürlich nicht so genannt wird. Dort wurde das weitere Vorgehen besprochen, allerdings wurden noch keine Schritte verkündet.

Der Industrieminister hatte aber am Wochenende massiv gedroht und erklärt, man werde die Interessen der spanischen Unternehmen verteidigen. "Sollten diese Interessen in irgendeinem Teil feindlichen Angriffen ausgesetzt sein, wird die Regierung dies als feindliche Gesten gegen Spanien und gegen seine Regierung interpretieren." Soria drohte dabei auch mit "Konsequenzen", wenn die Pläne umgesetzt würden.

Die Konservativen in Spanien hatten sogar geglaubt, dass ihre Drohungen Wirkung gezeigt hätten. Deshalb hatte Soria sogar am Samstag schon wieder Entspannung verkündet und gesagt, dass der Streit in die entsprechenden Bahnen gelenkt worden sei. Und er zeigte sich optimistisch, dass die Krise im Sinne der spanischen Regierung gelöst werden könne. Bei der argentinischen Präsidentin haben die Drohungen allerdings ihr Ziel verfehlt. Mit aller Deutlichkeit erklärte Fernández de Kirchner, sie werde "auf keine Drohung antworten und keinen Wutanfall erwidern". Der fehlende Respekt und die anmaßenden Äußerungen von einigen würden ohne Echo bleiben.

Die PP-Generalsekretärin hat angekündigt, dass die Regierung entsprechend auf die Teilverstaatlichung antworten werde: "Es wird eine ausreichende und komplette Antwort sein, um die Interessen der spanischen Unternehmen in Argentinien zu verteidigen." De Cospedal versicherte, dass man dabei von den europäischen Partnern und anderen unterstützt werde, ohne genauer zu spezifizieren von wem. Sie sicherte ein "Verhalten" zu, das "stärker im Einklang mit den internationalen Konventionen" stehe, schwächte sie aber den kriegerischen Ton vom Wochenende ab. Das hat sicher auch damit zu tun, dass sich Fernández de Kirchner mit den Spaniern das schwächste Glied der Kette ausgesucht hat. Die mögliche Enteignung, falls es keine Einigung über den Verkauf der Aktien gibt, trifft weder die Aktien der argentinischen Petersen Gruppe noch Anleger aus den USA, die ihre Aktien an der Börse gekauft haben.

So ist möglicherweise auch den spanischen Konservativen aufgegangen, dass eine heftige Zuspitzung ihnen und Spanien sehr stark schaden könnte und es der berühmte Tropfen ist, der das Fass zum Überlaufen bringt. Spanien, da sind sich die Experten weitgehend einig (Spanien will nur noch Barzahlung bis 2500 Euro erlauben), steht längst mit seiner wirtschaftlichen Situation am Abgrund, in den es jederzeit fallen könnte. Die Konservativen haben mit ihrem erratischen Kurs viel dazu beigetragen und die neue Regierung hat inzwischen jeden Vertrauensvorschuss bei Investoren verspielt. Das Land wird nun tief in die Rezession gespart und sogar die Zukunft wird verbaut.

Immer klarer setzt sich die Ansicht durch, dass auch Spanien bald unter den Rettungsschirm gehen muss, was sich wieder an deutlich steigenden Zinsen für spanische Staatsanleihen zeigt. Auch am Montag stiegen die Zinsen ungebremst weiter. Der Risikoaufschlag von mehr als 430 Basispunkten führt dazu, dass die die Zinsmarke von 6% für zehnjährige Anleihen schon deutlich überschritten war, bevor die Ankündigung aus Buenos Aires kam. Gegen den Trend in Europa schloss die Börse in Madrid am Montag erneut deutlich im Minus. Wobei sich die YPF-Aktien, in der Hoffnung darauf, dass die Verstaatlichung nicht kommen sollte, sogar leicht erholt hatten.

Für heute wird erwartet, dass die spanische Börse nach dem vergangenen schwarzen Freitag nun auch einen schwarzen Dienstag erlebt. Die Zinsen werden sich weiter in Richtung der Absturzgrenze von 7% bewegen, wenn die Europäische Zentralbank (EZB) nicht massiv interveniert und spanische Papiere aufkauft. An dieser Schwelle mussten einst Griechenland, Irland und Portugal Nothilfe beantragen. Die Aktien von Repsol-YPF gingen in New York im Handel am Montag schon in den freien Fall über und verloren insgesamt bis zu 19% ihres Werts, bevor der Handel der Papiere schließlich ausgesetzt wurde.

Der Stresstest für eines der größten spanischen Unternehmen steht noch aus und das könnte sich auch zum Stresstest für das gesamte Land ausweiten, wenn die regierende Volkspartei (PP) den Konflikt mit Argentinien eskaliert. Ohnehin zeigen andere Fälle, dass meist nicht einmal viel Entschädigung zu holen ist. So lief der US-Ölmulti Exxon an die Wand, als er von Venezuela eine Entschädigung von 12 Milliarden US-Dollar für verstaatlichte Ölfelder verlangte. Er bekam dann von der Internationalen Handelskammer ICC in Paris gerade einmal 908 Millionen zugesprochen (Chavez siegt gegen Exxon).