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Über einzig wahre Religionen und andere Probleme

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Osama Bin Laden starb mit 54, nachdem er sich den Heldentod redlich verdient hatte. Aber wie das so ist: Der nächste Trupp von Freunden der grundsätzlichen Grundsätzlichkeit steht immer schon auf der Matte.

Auftritt: die Salafisten. Im Grund ist das derselbe Verein wie Osama und seine Kalashniboys, denn auch der Dschihadist aus Saudi-Arabien gehörte zu den Muslimen, die sich radikal der Brauchtumspflege verschrieben haben, also der "Orientierung an den frommen Altvorderen", wie man "Salafiyya" übersetzen kann. Was das in theologischer Hinsicht genau bedeutet, ist ebenso komplex wie gleichgültig, reduzieren sich doch die Kernaussagen, wie so oft bei diesen einzigen Wahrheiten, auf Weniges: Der Koran ist wortwörtlich das Wort Gottes und der Islam die einzig wahre Religion.

Vieles, womit der Islam die Welt in Atem hält, stammt ursprünglich aus Ägypten - so auch die "modernen" Salafisten. Dort drohen sie derzeit mit einer islamischen Revolution.

Unmenschlichkeit, Lustfeindlichkeit, Grausamkeit und Bigotterie

Auch in Deutschland gibt es mehrere tausend Salafisten. Einige der eifrigsten sind bei "Die wahre Religion" versammelt. Wer sich über ihren Eifer kundig machen will, kann auf ihrer Website nachsehen. So heißt es dort zum Beispiel zum Thema Homosexualität:

Wir stimmen der Behauptung nicht zu, dass eine solche sexuelle Orientierung angeboren ist. Vielmehr ist es eine Entstellung der Natur. (…) Allah ist zu gerecht, um einen Menschen zu einer Sünde zu zwingen und ihn dann zu bestrafen. Im Gegenteil, die Menschen begehen Sünden durch ihren freien Willen - wie diese fehlgeleiteten Leute - und dafür verdienen sie die Strafe. (…) Das Verbrechen der Homosexualität ist eines der schlimmsten Verbrechen, der schwersten Sünden und der verabscheuungswürdigsten Taten und Allah bestrafte diejenigen, die es taten, so, wie Er kein anderes Volk bestrafte.

Über die rechtmäßigen Beziehungen zwischen Muslimen und Nicht-Muslimen wissen sie auch genau Bescheid:

Es ist einem Muslim nicht gestattet, an der Beerdigung eines Nichtmuslims teilzunehmen, auch wenn dieser ein Verwandter ist. Denn die Teilnahme an der Beerdigung ist ein Recht, das ein Muslim über den anderen Muslim hat, und es ist eine Art des Respekts, der Ehre und Freundschaft, die einem Kāfir gegenüber nicht gestattet sind. (…) Obwohl der Islam zur Aufrechterhaltung der Verwandtschaftsbande und zur guten Behandlung der Verwandten aufruft, verbietet er gleichzeitig die enge Freundschaft zwischen einem Gläubigen und einem Ungläubigen.

Den Ungläubigen droht, wie üblich bei dieser Sorte Glauben, die Hölle:

Diejenigen aber, die ungläubig sind (die nicht an die Einheit Allāhs glauben/an den islamischen Monotheismus), für sie wird es das Feuer der Hölle geben, wobei mit ihnen kein Ende gemacht wird, so dass sie sterben, und ihnen auch seine Strafe nicht erleichtert wird. So vergelten Wir jedem sehr Ungläubigen.

Die zahllosen Beispiele für Unmenschlichkeit, Lustfeindlichkeit, Grausamkeit und Bigotterie, die diese Leute auf ihrer Website ausbreiten, sollten wirklich jedem klar machen, was hier gespielt wird: Die "Orientierung an den frommen Altvorderen" will umweglos zurück ins Mittelalter.

Die Brüder und Schwestern von "Die wahre Religion" waren in den letzten Wochen arg beschäftigt, und zwar vor allem mit aggressivem Islam-Marketing und dem Bedrohen von Journalisten. Wie man das von diesen Freunden der Grundsätzlichkeit so kennt. Das Islam-Marketing war allerdings ein wenig aggressiver als üblich, und hinter der Sache steckte etwas mehr Geld als sonst; die Zahl der verteilten göttlichen Grußbotschaften in Langform ging in die Millionen, und die deutsche Mehrheitsgesellschaft reagierte, wie in solchen Fällen die Regel, aufgeschreckt und hilflos.

Der Mufti ist so viel wert wie eine ganze Nation

An sich war die Praxis der bärtigen Männer mit den weißen Käppchen genauso gaga und lächerlich wie das Gerede und Getue eines Harun Yahya (Weil nicht sein kann, was nicht sein darf). Die Bedrohung von journaistischen Kritikern war schon weniger witzig, allerdings auch aufklärerisch, weil sie abermals zeigte, wie dicht unter der lächerlichen Oberfläche bei wahrhaft Religiösen die Brutalität lauert.

Man kann die ganze Verteilungsaktion als Akt der Aufklärung begreifen, würde doch eine sorgfältige Lektüre des Koran vielen Lesern offenbaren, dass Hassan al-Banna, der Gründer der ägyptischen Muslimbrüderschaft und seines Zeichens Salafist, recht hatte, als er sagte:

Es liegt in der Natur des Islams, zu herrschen und nicht beherrscht zu werden, seine Gesetze allen Nationen aufzuzwingen und seine Macht über den gesamten Planeten auszuweiten.

Den "Großmufti von Jerusalem", Mohammed Amin al-Husseini, seinerzeit im soliden Bündnis mit den Nazis, pries Hassan al-Banna mit folgenden Worten:

Der Mufti ist so viel wert wie eine ganze Nation. Der Mufti ist Palästina, und Palästina ist der Mufti. O Amin! Was bist Du doch für ein großer, unbeugsamer, großartiger Mann! Hitlers und Mussolinis Niederlage hat Dich nicht geschreckt. Was für ein Held, was für ein Wunder von Mann. Wir wollen wissen, was die arabische Jugend, Kabinettsminister, reiche Leute und die Fürsten von Palästina, Syrien, Irak, Tunesien, Marokko und Tripolis tun werden, um dieses Helden würdig zu sein, ja dieses Helden, der mit der Hilfe Hitlers und Deutschlands ein Empire herausforderte und gegen den Zionismus kämpfte. Deutschland und Hitler sind nicht mehr, aber Amin el-Husseini wird den Kampf fortsetzen.

Öffentliche Plätze sollten keine Spielplätze für wahrhaft-wahnhaft Religiöse sein

Freilich ist diese Sorte religiös-politischer Aggression vielen missionarischen Fundamentalisten eigen, nicht nur den islamischen, und genau darin liegt das Problem mit dem hilflosen staatlichen Gefuchtel zu den Aktionen der Salafisten. Wo nehmen Offizielle des deutschen Staats eigentlich die moralische Legitimation her (von der juristischen ganz zu schweigen), vor der öffentlichen Verteilung des Korans zu "warnen", wenn sie die öffentliche Verteilung anderer religiöser Literatur nicht nur dulden, sondern aktiv unterstützen?

Die ungehinderte fundamentalistische Auslegung der Bibel zum Beispiel, in Deutschland von vielen wahrhaften Christen betrieben (Schweig, Weib!), kennzeichnet die Aufregung der üblichen Verdächtigen als Heuchelei. Die Heuchelei aber des deutschen "Verfassungsschutzes" in dieser Hinsicht ist von besonderer Güte, hat dieser Stützpfeiler des Rechtsstaats doch die Mordtaten der NSU-Neonazis möglicherweise nicht nur nicht verhindert, sondern durch aktives Wegsehen sowie finanzielle und logistische Unterstützung begünstigt. Man könnte angesichts der atemberaubenden Verlogenheit dieser ehrenwerten Institution schon auf den Gedanken kommen, dass sie alle Fragen der weltanschaulichen Massakerliebe eine Zeit lang beschweigen sollte. Oder am besten gleich für immer.

Wirksamer Schutz für die Verfassung? Der bestünde in einer entschiedenen Trennung von Kirche und Staat, einschließlich der Abschaffung der Kirchensteuer, der finanziellen Unterstützung religiöser Gemeinschaften, des Religionsunterrichts (gleich welcher Konfession) an den Schulen, des Paragraphen 166 StGB, des Tanzverbots und all der anderen Relikte aus finsteren Zeiten. Früher oder später würde ein Bewusstsein dafür wachsen, dass öffentliche Plätze keine Spielplätze für wahrhaft-wahnhaft Religiöse sein sollten. Aber bis dahin ist es noch weit.