Bei metallischen Rohstoffen führt kaum ein Weg an Menschenrechtsverletzungen vorbei

In der vergangenen Woche kamen Vorwürfe auf, der Schweizer Rohstoffriese Glencore sei im Kongo in Menschenrechts- und Umweltverletzungen verwickelt. Dies ist nur der Gipfel einer langen Reihe ähnlicher Vorwürfe

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Dass es nicht leicht ist, zu konsumieren, ohne sich die Hände schmutzig zu machen, ist allgemein bekannt. Während aber bei T-Shirts und Eiern dem Konsumenten immerhin eine gewisse Möglichkeit bleibt, mit dem Kauf eine Entscheidung für oder gegen Umweltschutz sowie Menschen- und Tierrechte zu treffen, ist dies bei Rohstoffen kaum möglich. Wer weiß schon, unter welchen Bedingungen das Kupfer in den Stromleitungen abgebaut wurde? Oder das Cobalt in Batterien? Oder, oder ...

In der letzten Woche sind einmal mehr Hinweise aufgekommen, dass gerade bei metallischen Rohstoffen kaum ein Weg an Menschenrechtsverletzungen vorbeiführt. Gegen den Schweizer Rohstoffriesen Glencore – der wohl weltgrößte Rohstoffhändler – wurde der Vorwurf erhoben, im Kongo in Kinderarbeit, Umweltverletzungen und Steuerhinterziehung verwickelt zu sein. Hervorgebracht haben diesen Verdacht die beiden Schweizer NGOs "Fastenopfer" und "Brot für alle", nachdem sie gemeinsam mit kongolesischen NGOs in den Mienen der Glencore-Tochterfirmen Kamoto Copper Company (KCC) und Mutanga Mining recherchiert haben.

Die Hilfsorganisationen haben untersucht, in welchem Maß Glencore die Einhaltung von Menschenrechten und Umweltbestimmungen in den Töchterunternehmen gewährleistet. Ihr Fazit ist, dass das "Zuger Unternehmen bei der Übernahme gesellschaftlicher Verantwortung noch einen weiten Weg vor sich hat". Sie fanden Minen vor, in denen ein Drittel der Bergarbeiter jünger als 17 ist und unter "äußerst prekären" Bedingungen arbeitet. Sicherheitsmaßnahmen und hygienische Vorkehrungen seien extrem unterentwickelt. Zudem wurden erhebliche Flussverschmutzungen festgestellt, die das Wasser für Konsum und Landwirtschaft ungeeignet machen.

Schließlich schätzen die NGOs, dass Glencore im Kongo, einem der ärmsten aber rohstoffreichsten Länder der Welt, durch verschiedene Bilanztricks in den vergangenen zwei Jahren beinah 200 Millionen US-Dollar an Steuerzahlungen vermieden hat. Das passt dazu, dass Steuervermeidung laut der NGO Global Financial Integrity die Hauptursache für Kapitalabflüsse aus Afrika und damit wohl auch für die Armut auf dem Kontinent ist.

Weil ein Prozess im Kongo mangels rechtsstaatlichem Rahmen kaum in Frage kommt, loten die Schweizer Hilfsorganisationen die juristischen Mittel aus, um Glencore in der Eidgenossenschaft vor Gericht zu bringen. Währenddessen reagierte der Konzern öffentlich auf die Vorwürfe. Glencore-CEO Ivan Glasenberg gab den Autoren der Studie ein Interview. Er betonte, sein Konzern habe noch nie Rohstoffe von privaten Schürfern – und damit auch nicht von Kinderarbeit – gekauft, und gelobte, Maßnahmen gegen die weitere Verschmutzung der Flüsse zu ergreifen.

Wiederholungstäter

Immerhin muss man Glencore zugestehen, dass es um die Situation in den Minen von Mutanga deutlich besser gestellt ist als bei KCC. Auch bedeuten die Hinweise auf inhumane Arbeitsumstände und drastische Umweltverschmutzungen nicht, dass diese Umstände von dem Schweizer Konzern initiiert wurden. Vermutlich sind sie eher ein Produkt mangelnder Rechtsstaatlichkeit, feudaler sozialer Strukturen und einer Gesellschaft, in der physische Gewalt und Vergewaltigungen alltäglich sind. Zu vermuten ist aber, dass Glencore von diesen Umständen profitiert. Und man kann durchaus fordern, dass einer der größten und gewinnträchtigsten Konzerne eines der reichsten Länder der Welt eine gewisse Verantwortung für eines der ärmsten Länder der Welt übernimmt, wenn dieses schon eine der materiellen Grundlagen für seinen Umsatz bereitstellt.

Zudem ist Glencore eine Art Wiederholungstäter. Der Vorwurf der Kinderarbeit ist nur die Krönung einer beinah endlosen Liste von Vorwürfen, die von den verschiedensten Seiten gegen den Konzern erhoben wurden und werden. Seit der Konzern 2008 von der Schweizer NGO publiceye den Negativ-Award erhielt, hinterlässt der Rohstoffgigant in vielen Ländern den Mief von Steuerhinterziehung, Gewerkschaftsdiskriminierung, teils physischer Gewalt gegen Arbeitnehmer und massiver Umweltverschmutzung.

Zum Beispiel Kolumbien. Hier baut Glencore über drei Tochterfirmen Kohle ab. Im Umfeld der Minen soll es zu großen Umweltproblemen, Landkonflikten, Korruption und sozialen Verwerfungen kommen, berichtet die Arbeitsgruppe Schweiz-Kolumbien. Die Umweltbelastung wurde für ein Dorf so groß, dass es komplett umgesiedelt werden muss, Flüsse seien unterbrochen und verschmutzt, der Kohlestaub verursache Atemwegserkrankungen bei der Bevölkerung. Zugleich gibt es die Vermutung, Glencore hinterziehe Steuern, was den kolumbianischen Rechnungsprüfungshof zu einer Untersuchung veranlasst hat.

Kolumbien war auch das exemplarische Beispiel, weshalb sich die NGO publiceye 2008 dazu entschied, dem Konzern den public eye award zu verleihen. Neben den erwähnten Vorwürfen thematisierte public eye vor allem den Arbeitskonflikt der Minengesellschaft mit einer Gewerkschaft, der in gezielten Entlassungen von Gewerkschaftsmitgliedern und gewaltsamen Niederschlagungen von Protesten gipfelte.

Negativschlagzeilen machte Glencore auch in Sambia, das derzeit seiner brummenden Kupferminen wegen als das neue Chile von sich reden macht. Hier schloss die Umweltbehörde vor kurzem eine Mine wegen gravierender Umweltverschmutzungen. Zudem zeigt eine von der sambischen Steuerverwaltung in Auftrag gegebene Untersuchung eines internationalen Wirtschaftsprüfers, dass die Mopani Copper Mine – eine der größten Minengesellschaften des Landes, die zu 73 Prozent Glencore gehört – die Ausgaben hoch- und die Einnahmen heruntergerechnet habe, um die Steuerbelastung um angeblich 174 Millionen US-Dollar zu drücken – womit sie bei Null gelandet war. Da dies angesichts der von Glencore erwirtschafteten Gewinne eher unwahrscheinlich ist, liegt derzeit eine Beschwerde an die OECD vor der zuständigen Stelle beim Schweizer Staatssekretariat für Wirtschaft.

Die Schweizer NGO Multiwatch berichtet von ähnlichen Vorwürfen in Peru und Bolivien.

Die meisten dieser Fälle sind gut dokumentiert. Als Marktgläubiger sollte man eigentlich meinen, der freie Markt würde solche massiven Verstöße gegen Gesetze, Umweltschutz und Menschenrechte von selbst regulieren. Produziert wird, was die Leute wollen, und wer böse ist, der verkauft nichts mehr. Wenn das nicht funktioniert, sind nicht die Unternehmen schuld, sondern die Menschen, die das kaufen, und dann muss man sich vielleicht etwas anderes überlegen.

Bei Produkten, in denen Glencore drin ist, steht niemals Glencore drauf

Im Falle Glencore scheint der freie Markt allenfalls so zu regulieren, dass unfassbare Summen kaum versteuert nach Zug fließen, während die Menschenrechte der Minenarbeiter weiterhin gebrochen werden. Der Konzern expandiert erheblich, er weitet das Spektrum der gehandelten Rohstoffe zunehmend aus, über die klassischen Geschäftsfelder Metalle und Erze nun auch auf Agrargüter. Im vergangenen Jahr konnte er seinen Umsatz um 28 Prozent auf 186 Milliarden US-Dollar steigern, womit Glencore das umsatzstärkste Unternehmen der Schweiz ist.

Was bei regionalen Konsumprodukten einigermaßen zu funktionieren scheint, ist bei Business-to-Business-Produkten im globalen Markt ein Ding der Unmöglichkeit. Während man als ethisch bedachter Konsument zum Beispiel entscheiden kann, ob man die Eier aus Boden- oder Freilandhaltung kauft – und so tatsächlich dazu beiträgt, dass Hühner ihr kurzes Leben immerhin im Freien leben –, steht bei Produkten, in denen Glencore drin ist, niemals Glencore drauf. Bei Batterien oder Laptops gibt es keinen Hinweis, unter welchen Bedingungen das Kobalt, Kupfer oder Aluminium rausgezogen wurde. Die Wahrscheinlichkeit, im Besitz von Glencore-Rohstoffen zu sein, ist hingegen relativ groß. Der Konzern gehört sowohl als Bergbauunternehmen wie als Rohstoffhändler zu den größten der Welt. Laut der Schweizer Wochenzeitung betrug sein Anteil an Kupfer auf dem freien Rohstoffmarkt 50, bei Zink sogar 60 Prozent.

Kurzzeitig war zu hoffen, dass der Börsengang von Glencore im vergangenen Jahr die Verhältnisse zum Besseren wenden würde, da er mit der Offenlegung von Geschäftszahlen sowie eines Nachhaltigkeitsberichtes verbunden war. Aber bislang scheinen die Verbesserungen, wenn überhaupt vorhanden, von recht geringem Umfang zu sein. Vielleicht liegt dies daran, dass die für Anleger relevante Wirtschaftspresse, die ansonsten gerne jedes ethische Bäuerlein der Wirtschaft besingt, im Falle Glencore vor allem über die geplante Übernahme mit Xsatra berichtet (die es noch unausweichlicher machen wird, dass man als Konsument ungefragt etwas einkauft, was mit Glencore-Rohstoffen erzeugt wurde). Vielleicht interessiert es die Anleger auch einfach nicht, solange die Zahlen stimmen. Da wären wir wieder da, dass man sich etwas anderes überlegen müsste.