Immer mehr Bürger schauen den Bürokraten auf die Finger

Aber in sechs Bundesländern gibt es noch immer kein Informationsfreiheitsgesetz

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Ein sichtlich gut gelaunter Peter Schaar präsentierte vor der Bundespressekonferenz in Berlin seinen 3. Tätigkeitsbericht zur Informationsfreiheit . Der Bundesbeauftragte für den Datenschutz ist auch für die Informationsfreiheit im Bund zuständig. Und er hat Grund zur Freude, denn so Schaar: "Immer mehr Menschen machen von ihrem Recht auf Zugang zu Informationen öffentlicher Stellen Gebrauch." Im vergangenen Jahr 2011 wurden 3.280 Anträge gestellt, 2010 waren es nur 1.557. Eine Steigerung um stolze 110 Prozent. Zur Verdopplung der Anfragen trugen insbesondere Bürgeranfragen nach Hintergründen der Finanzkrise bei.

Der Bundesregierung empfiehlt Schaar (selbst Mitglied der Grünen) das gestiegene Interesse der BürgerInnen "ernst zu nehmen". In diesem Zusammenhang kritisierte der Bundesbeauftragte Bestrebungen des Bundeswirtschaftsministeriums, die im Entwurf eines Markttranparenzstellengesetzes vorgesehene Markttransparenzstelle, die beim Bundeskartellamt eingerichtet werden soll, von der Transparenz durch das Informationsfreiheitsgesetz auszunehmen. "Eine solche Bereichsausnahme wäre unangebracht und keinesfalls im Sinne der Verbraucher", so Schaar.

Voraussichtlich am 15. Mai dieses Jahres soll die, vom Bundestagsinnenausschuss beim Deutschen Forschungsinstitut für öffentliche Verwaltung in Speyer bestellte sozialwissenschaftlich-empirische Analyse des Bundes-IFG vorgelegt werden. Der Bundesbeauftragte erwartet darin "eine Stärkung des Rechts auf Zugang zu öffentlichen Dokumenten".

Von der Bundesregierung - nicht nur vom Wirtschafts-, sondern auch von dem, in Sachen Informationsfreiheit federführenden Bundesinnenministerium - werden in der Abwägung Geschäftsgeheimnisse noch immer wichtiger erachtet als die Informationsfreiheit. In ihrer Antwort auf eine Kleine Anfrage des Bundestagsabgeordneten Dr. Konstantin von Notz und der Grünen Fraktion erklärte das BMI: "§ 6 schützt geistiges Eigentum und Betriebs- und Geschäftsgeheimnisse absolut."

Dem gegenüber hat die 21. Konferenz der Informationsfreiheitsbeauftragen in Deutschland bereits 2010 gefordert: "Verträge zwischen Staat und Unternehmen offen zu legen." In der Begründung dieser Forderung heißt es:

Von besonderem öffentlichen Interesse sind aussagekräftige Informationen über öffentliche Gelder, die für bestimmte Leistungen bezahlt wurden., ob die Leistungen mit den zuvor ausgeschriebenen Anforderungen übereinstimmen und in welcher Höhe Steuermittel dafür aufgewendet wurden. Diese Angaben dienen der Haushaltstransparenz und der Verhinderung von Korruption.

Besonders im Sicherheitsbereich finden immer mehr "freihändige Vergaben statt, also Auftragsvergaben und Beschaffungen ohne Ausschreibung" (vgl. Ziemlich freihändige Auftragsvergabe). Schaar zufolge zeigen die Bundesministerien und nachgeordneten Dienststellen im Umgang mit dem für viele Beamte immer noch ungewohnten und unbequemen Bürgerrecht auf Akteneinsicht, mittlerweile eine größere Offenheit und Professionalität. Doch noch immer gilt das nicht für alle Bundesländer. So gibt es etwa in Baden-Württemberg, Thüringen, Bayern, Hessen, Niedersachsen und Sachsen noch immer kein Landes-Informationsfreiheitsgesetz (Von Informationsfreiheit noch weit entfernt). Die neue grün-rote Regierung in Baden-Württemberg hat nun ein solches Landes-IFG angekündigt. Probleme bereitet dem IFG-Bericht zufolge auch die unterschiedliche Formulierung der einzelnen Landesgesetze.

Mehr Transparenz fordert die Konferenz der Informationsfreiheitsbeauftragten am 24. Juni 2010 auch von den öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten. Schließlich, so heißt es in dem Beschluss der Informationsfreiheitsbeauftragten seien "Offenheit und Transparenz keine Bedrohungen, sondern schaffen Vertrauen in der Bevölkerung". Inwieweit die öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten Auskünfte nach dem IFG geben müssen, ist aufgrund der unterschiedlichen Landesgesetze bisher uneinheitlich.

Der Bericht führt einige mediale Höhepunkte der IFG-Anfragen auf. Große Aufmerksamkeit fand beispielsweise die auf der Grundlage des IFG beim Verwaltungsgericht Berliner erstrittene Veröffentlichung der Teilnehmerliste an einem Abendessen im Bundeskanzleramt zu Ehren des Deutsche Bank-Chefs Josef Ackermann. Diese Gästeliste sollte nach dem Willen des Bundeskanzleramtes geheim bleiben.

Manches bleibt vorläufig geheim

Doch längst nicht alles, was Bürger gerne sehen würden, wird auch veröffentlicht. So mag das Bundesfinanzministerium nicht einmal den Mustervertrag für Vorstände der Bundesbank heraus geben. Der Finanzminister sieht, da dieser Personenkreis recht übersichtlich sei, die Persönlichkeitsrechte der Betroffenen gefährdet.

Das Auswärtige Amt mag nicht antworten, wenn man Einzelheiten in Visa-Verfahren erfragen will Die Kreditanstalt für Wiederaufbau und auch die Bundesagentur für Arbeit halten beide die Berichte ihrer jeweiligen Innenrevision unter Verschluss. Schaar kann dafür keine Rechtsgrundlage erkennen und setzt sich weiterhin für die Freigabe ein.

An das "Tagebuch einer Schnecke" von Grass fühlte sich ein Mitarbeiter Schaars erinnert, der sich mit dem "Fortgang" einer aus dem 2007 stammenden IFG-Anfrage zu dem als Projekt längst eingemotteten ultraschnellen "Transrapid" zwischen München und dem Flughafen Franz-Josef Strauß beschäftigt. Da dieses Verfahren auch im Jahr 2011 noch nicht abschließend entschieden war, vermerkte der IFG-Beauftragte dazu lakonisch: "Das Anliegen des IFG scheint beim Eisenbahnbundesamt noch nicht so richtig angekommen zu sein."